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Wissenschaft

Schwangerschaften verändern das Gehirn der werdenden Mütter

Wie Forscher herausgefunden haben, handelt es sich bei dem sogenannten „Pregnancy Brain” nicht nur um einen Mythos—allerdings funktioniert das Ganze anders als gedacht.

Neue Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Schwangerschaften den Aufbau des weiblichen Gehirns so verändern, dass Frauen auf ihre Rolle als Mutter vorbereitet werden. Außerdem können diese Effekte mehr als zwei Jahre lang anhalten.

Die Studie, die in der Zeitschrift Nature Neuroscience erschienen ist, hat festgestellt, dass Schwangerschaften zu langfristigen Veränderungen der Gehirnstruktur führen. Über einen Verlauf von fünf Jahren haben die Forscher der Universität Autonoma de Barcelona in Spanien Gehirnscans an Frauen vor und nach ihrer ersten Schwangerschaft durchgeführt. Beim Vergleich mit drei Kontrollgruppen—Frauen, die noch nie schwanger waren, Männer, die gerade Vater geworden sind sowie kinderlose Männer—stellten die Forscher fest, dass die Ergebnisse eindeutig waren: Bei frisch gebackenen Müttern fand man einen „ausgeprägten und anhaltenden" Rückgang an grauen Zellen in Regionen, die für die soziale Kognition verantwortlich sind—also wie man seinen eigenen Gemütszustand und den Gemütszustand anderer wahrnimmt.

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Diese Veränderungen sind laut der Studie so deutlich ersichtlich, dass die Forscher allein auf Grundlage des Volumens der grauen Zellen sagen konnten, ob eine Frau schwanger war. „Ich war ziemlich überrascht von der außergewöhnlichen Kontinuität der Ergebnisse. Das kommt in der Neurobildgebungs-Forschung nur sehr selten vor", sagt Elseline Hoekzema, Co-Autorin der Studie, gegenüber Broadly. „Was die Aussagekraft und die Kontinuität betrifft, habe ich noch nichts vergleichbares gesehen."

Die Veränderung der grauen Zellen könnte laut den Forschern darauf hinauslaufen, dass die Fähigkeit der Mütter verbessert wird, soziale Informationen zu verarbeiten, „was auch die gesteigerte Emotions- und Gesichtserkennung mit einschließt." Das könnte verschiedenen Gründe haben: Es könnte die Mutter empfänglicher für die Bedürfnisse ihres Kindes machen, ihr helfen, spezielle Gefahren besser wahrzunehmen oder schlichtweg die Mutter-Kind-Bindung fördern.

Die Vorstellung, dass das Gehirn an Volumen verliert, mag beunruhigend wirken, aber Hoekzema versicherte der New York Times, dass es falsch wäre davon auszugehen, „dass Schwangerschaften dazu führen, dass man nicht mehr richtig denken kann." Laut ihr muss „der Verlust von grauen Zellen nicht unbedingt schlecht sein. Er kann auch einen positiven Reifungsprozess, beziehungsweise eine Spezialisierung des Gehirns darstellen." Tatsächlich konnten die Forscher im Rahmen von kognitiven Tests keinen bedeutenden Unterschied hinsichtlich der Ergebnisse zwischen den frisch gebackenen Mütter und der Kontrollgruppe feststellen.

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Welche Auswirkungen genau die Veränderungen im mütterlichen Gehirn haben, wird uns allerdings erst mit weiterführenden Studien wirklich klar werden können. „Wir können das Gehirn von Menschen nicht in dem Maße mikroskopisch untersuchen wie es bei Tieren möglich ist", warnt Hoekzema. „Eindeutige Beweise für einen evolutionsbedingten Zweck der beobachteten Veränderungen zu finden, ist immer schwierig und ist eine Frage der Interpretation."

Dennoch hoffen die Forscher, die direkten hormonellen Ursachen für diese Veränderungen bestimmen zu können, um hoffentlich auch zu verstehen, inwiefern sie mit den hormonellen Veränderungen während der Schwangerschaft zusammenhängen.

„Es ist noch ein wenig zu früh, um irgendwelche eindeutigen Schlüsse zu ziehen, was Schwangerschaften und Mutterschaft betrifft", sagt Hoekzema gegenüber Broadly. „Das ist die erste Studie, die überhaupt gezeigt hat, dass es solche Veränderungen gibt."


Foto: Eugene Luchinin | Flickr | CC BY 2.0