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Aufstieg und Fall eines Ausnahme-Gamers, der sich die eigene Karriere versaute

Als Teeanger gehörte er zur absoluten Weltspitze in 'StarCraft 2'. Dann beging der Gamer namens Life einen Fehler, der nicht nur ihm schadete, sondern dem ganzen eSport.
Life während eines eSport-Turniers
Life bei einem Turnier im Jahr 2015 | Bild: Screenshot | YouTube | ESL

Die Karriere von Lee "Life" Seung Hyun beginnt im Jahr 2011, als der spätere Gaming-Superstar gerade mal 14 Jahre alt ist. Er spielt das Echtzeit-Strategiespiel StarCraft. Der Südkoreaner gibt sein Debüt in einem professionellen Match und wird kurze Zeit später von dem Team StarTale aufgenommen.

StarCraft auf professionellem Niveau und das auch noch in Südkorea, das erfordert viel Zeit und Hingabe zum Spiel. Viele Jungprofis lassen deswegen die Schule schleifen und arbeiten an ihrer Karriere als eSportler. So auch Life, der sich schnell für die wichtigste koreanische Liga, die Global StarCraft League (GSL) qualifizieren kann.

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Lifes Begabung zeigt sich schnell: Obwohl er jung ist, gilt er als umsichtiger Stratege, zudem ist sein Multitasking hervorragend. Auch erfahrene Profis trainieren oft 14 Stunden am Tag, um die anspruchsvollen Spielmechaniken ihrer StarCraft-Rassen zu meistern. Life schlägt sie alle – und lässt es auch noch kinderleicht aussehen.

Dieser Text erschien zuerst im Spiele-Bookazine WASD #14. Die aktuelle Ausgabe handelt vom Mogeln in Computerspielen.

Bald trifft Life in einem Finale auf die lebende Legende Jung „Mvp“ Jong Hyun. Mvp ist zu diesem Zeitpunkt mit seinen vier gewonnen GSL-Trophäen die StarCraft-II-Ikone schlechthin, doch der Altmeister hat seinen Zenit überschritten. Die Muskeln scheinen nicht mehr mitzumachen; trotzdem spielt er gegen den Rat seiner Ärzte mit einer schmerzenden Wirbelsäule und einer überstrapazierten Armmuskulatur. Nur knapp schafft er es ins Finale.

Wie "Life" die schönsten Spiele der 'StarCraft'-Geschichte hinlegte

Dort ringt ihn Life dann nieder und darf nach einem nervenaufreibenden Match den Titel des ersten Royal Roaders in StarCraft II feiern. Als Royal Road bezeichnet man im StarCraft-Jargon den seltenen Fall, dass ein Spieler mit seiner ersten Qualifikation ein hochklassiges koreanisches Turnier gewinnt. Bis zum heutigen Tag haben das in der GSL nach Life nur zwei andere Spieler geschafft.

Das Zepter ist übergeben, jetzt regiert Life die Welt von StarCraft 2 – und bleibt dennoch bescheiden. Auf die Frage, was er sich von dem hohen Preisgeld kaufen werde, antwortet er: „Ich habe nichts, wofür ich es ausgeben könnte. Also gebe ich es an meine Eltern.“ Eine recht typische Antwort – zumindest in Südkorea.

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Auch wenn Journalisten und Coaches Life immer wieder Faulheit vorwerfen und es heißt, er würde das Training eher schleifen lassen, gewinnt er regelmäßig Turniere. Ab November 2014 blüht sein Spiel erst richtig auf. "Egal, wie schnell du bist, du hast nur ein Paar Augen", schreibt Stephen Chiu damals auf ESPN.com. Life sei ein Meister darin, zu wissen, wo sein Gegner hinsieht und wo gerade nicht. Er könne seinen Gegenspieler dazu zwingen, auf den falschen Teil der Map zu schauen, während er auf einem anderen Punkt großen Schaden anrichtet.

"Das ist wie beim Kunststück eines Zauberers", heißt es weiter. "Life zieht die Blicke in die eine Richtung, während sein wirklicher Trick woanders geschieht." So gelingt es Life häufig selbst bei Rückstand auf überraschende Weise, wunde Punkte in der gegnerischen Verteidigung zu finden und Spiele spektakulär zu drehen.

"Life will find a way" wird fortan in den StarCraft-Foren zum geflügelten Wort.
In der Tat stammen die vielleicht schönsten Spiele aus der mittlerweile über 20-jährigen StarCraft-Geschichte aus dieser Zeit. So wird etwa das hochklassige Finale von IEM Taipei 2015 mit 2,5 Millionen Aufrufen zum meistgeschauten StarCraft-II-Match auf YouTube.

18 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung

Im Alter von 19 Jahren hat Life schon alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Mit knapp einer halben Millionen Dollar erspieltem Turnierpreisgeld verdient er so viel wie kein anderer mit StarCraft II. Grade erst erwachsen geworden wird Life zur wichtigsten Figur der StarCraft-Szene und spätestens jetzt ist klar, Life wird einen großen Einfluss auf die Zukunft seines Spiels haben. Was niemand ahnt: Es wird kein guter Einfluss ein.

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Im Januar 2016 wird Life verhaftet, auf Befehl der Staatsanwaltschaft Changwon, die bereits andere Fälle von Wettbetrug aufgedeckt und sich so ein gewisses Renommee erarbeitet hat. Drei Monate später erfährt die Öffentlichkeit von den konkreten Anschuldigungen gegen den Profispieler: Als vermeintlicher Fan hatte ein Wettmakler Kontakt mit Life aufgenommen und umgerechnet rund 60.000 Dollar geboten, im Gegenzug sollte Life zwei Spiele verlieren, mit Absicht. Offenbar konnte er Life damit ködern.

In den nächsten Spielen wirkt der Champion wie ein verschlafener Amateur – verdient jedoch durch den Wettbetrug mit seinen Niederlagen das Sechsfache von dem, was der Erstplatzierte des Turniers erhält. Das Urteil für den Pro-Gamer: 18 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und eine Geldstrafe von umgerechnet rund 60.000 Dollar. Den Antrag auf einen Strafnachlass weist das Gericht zurück mit dem Argument, dass der durch ihn verursachte Schaden schwer wiegt und ihn vor der Strafe auch nicht sein junges Alter rettet.

Weshalb Wettbetrug dem gesamten eSport schadet

Auch die Veranstalter bestrafen Life. Die Organisatoren der koreanischen Turniere verhängen über den einstigen eSport-Titanen ein lebenslanges Teilnahmeverbot an all ihren Wettbewerben. Blizzard tut es ihnen gleich und erkennt ihm ebenfalls seinen vielleicht größten Erfolg ab, den WCS-Titel von 2014. Wer nun zur BlizzCon auf das Abschlussturnier des StarCraft-Jahres geht, wird riesige Banner von allen vorherigen Siegern sehen, nur Lifes Gesicht fehlt.

Einigen Fans kommen die Strafen damals unnötig hart vor, dabei ist der angerichtete Schaden beträchtlich. Ende 2016 kündigt die Korean e-Sports Association (KeSPA) an, sich aus StarCraft zurückzuziehen. Die Zuschauerzahlen sinken, die Integrität des Wettbewerbs ist beschädigt, die Sponsoren wollen sich zurückziehen. Mannschaften sehen sich gezwungen, ihre StarCraft-Abteilungen zu schließen. Ein Großteil der Spielerschaft verliert Management, Coaches und festes Monatsgehalt.

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Ebenfalls auf Motherboard: Wenn Gamer zur Versuchskaninchen werden


Die koreanische Turnierlandschaft büßt mit der Auflösung des KeSPA-Cups und der Proleague ein Drittel ihrer Veranstaltungen ein. Auch das Preisgeld fällt: Statt 820.000 Dollar werden bei koreanischen StarCraft-Turnieren nur noch 685.000 Dollar vergeben, zuvor war Jahr für Jahr immer mehr ausgeschüttet worden.

In Foren rätseln Gamer, was aus Life geworden ist

Viele geben in der Folge ihre StarCraft-Karriere auf. Der Profi-Spieler Park "Dark" Ryung Woo äußert sich nach diesen Ereignissen in einem Interview ausgesprochen offensiv, zumindest für koreanische Verhältnisse: "Wettbetrug ist einer der Hauptgründe für den Tod von Proleague und für die Auflösung meiner Mannschaft." Darüber sei er wirklich wütend. "Die Wettskandale haben all die harte Arbeit der Spieler und Mitarbeiter zunichte gemacht, diesen Sport populär zu machen und ihnen mehr Zuschauer zu verschaffen."

Später kursiert in Foren wie beispielsweise auf Reddit die Geschichte, Life habe Geld in Casinos verloren und sei spielsüchtig. Beweise dafür gibt es nicht. Unter den Gaming-Fans bilden sich zwei Lager: Die einen tun das ehemalige Idol als geldgierigen Jugendlichen ab, dem das volle Ausmaß der Konsequenzen nicht bewusst gewesen ist. Die anderen sprechen von tragischer Spielsucht.

Lifes Fall ist natürlich nicht allein verantwortlich für den Niedergang, den StarCraft in dieser Zeit erlebt und der bis heute anhält. Neue eSport-Titel gewinnen an Attraktivität, das professionelle StarCraft stagniert. Das Nachwuchstalent Life ist in der Rolle eines Betrügers aus der Öffentlichkeit verschwunden, und das, obwohl er der Welt eigentlich bewiesen hat, dass er durchaus alles andere sein kann als ein Hochstapler.

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