Denkt man hierzulande an Pubs, kommen einem sofort Irish Pubs in den Sinn: Kitschige Touristenfallen, in denen man rund um die Uhr fettige Pommes und schales Bier bekommen kann, ganz egal, wo man gerade ist. Ob an einem spanischen Strand, am Frankfurter Flughafen oder in Bangkok – Premier League-Spiele plärren aus dem Fernseher, besoffene Australier fühlen sich heimisch und man hat recht schnell die Nase voll. Doch vergleichbar mit «echten» Pubs in Groß-Britannien und Irland sind diese prolligen Schuppen ganz und gar nicht: Dort sind Pubs Treffpunkt, Zuhause, sozialer Schmelztiegel und immer öfter auch feines Restaurant.
Genau diese Atmosphäre beschwört das Ehepaar Rachel und Barry Burns in seiner Bar Das Gift im Herzen von Neukölln herauf: Den Mogwai-Multiinstrumentalist und seine Künstlerinnen-Ehefrau zog es vor fünf Jahren von Glasgow nach Berlin, aus Lust auf einen Wechsel. Ein Jahr später eröffneten sie schon ihre eigene Bar, auf die sie eher aus Zufall stießen, als Rachel auf der Suche nach einem Studio eine alte Eckkneipe fand, die frei wurde: «Der Laden war vollgestopft mit Schaufensterpuppen, Heuballen, alten Berliner Schildern… eine richtig altmodische Kneipe eben.» Den Plan, tagsüber zu arbeiten und abends nebenbei eine Bar zu führen, verwarfen die beiden schnell. Nicht zuletzt, weil Barry mit Mogwai einen großen Teil des Jahres auf Tour ist. Der Nebenraum, wo in der Vorgängerkneipe Mallorca-Parties auf aufgeschüttetem Sand stattfanden, ist jetzt ein Kunstraum, in dem jede Woche eine neue Ausstellung stattfindet. Während die Ausstattung der Bar größtenteils noch vom Vorgänger übernommen wurde – inklusive einem riesigen in den Raum gebauten Baum und ausgestopftem Vogel – fand der grösste Wandel wahrscheinlich hinter der Bar und in der Küche statt.
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Lange suchte das Paar zum Beispiel nach einem besonderen Bier, dass sie anbieten könnten, und fanden es bei der mittelfränkischen Brauerei Zirndorfer Landbier, und auch ihr eigenes Das Gift Pilsener gibt es vom Fass. Ergänzt wird die Getränkekarte durch süddeutsche Biere aus der Flasche, englischem Cider und mittlerweile sogar einem eigenen Pale Ale. Wer kein Bier mag, der kann sich an die durchaus vorzeigbare Schnaps- und Cocktailkarte halten, und sich mit einer Mogwai-Eigenkreation aus Ahornsirup und Rum betrinken. Die Vorräte des eigenen Mogwai-Whiskeys wurden leider zum Wahlabend des schottischen Unabhängigkeitsreferendums schon restlos geleert.
Und während früher vielleicht ein Partymix und ein paar Würstchen auf die Tresen geknallt wurden, gibt es mittlerweile täglich im Das Gift auch Comfort Food unter dem Namen «Das Gegengift». Zusammengestellt wurde das Menü mithilfe eines Kochs aus dem heimischen Glasgow, und ist alles andere als in der Mikrowelle aufgewärmter Kneipenfraß: Hier gibt es preisgekrönten Haggis, ganz authentisch aus Lamminnereien oder auch vegetarisch, traditionell oder in Samosa-Form, schottischen Lachs, der auf der Zunge zergeht, fluffige Mac and Cheese mit Jalapeños, hausgebackenes und Käse, den sie selbst aus Groß-Britannien importieren.
Mit tiefgefrorenem und dann frittiertem Allerlei aus der Systemgastronomie-Küche hat das nichts mehr zu tun. «Diese bekannten Irish Pubs sind überall das gleiche, wie ein McDonalds. Wir wollten ausdrücklich nicht so sein, ein guter Pub hat seinen eigenen Charakter», sagen die beiden. Es soll ein Ort sein, an dem sich alle wohlfühlen. Doch ob Stammgäste der verrauchten Altberliner Eckkneipe, die sich vorher in den Räumen befand, mit Haggis viel anfangen können, bleibt fraglich.
Dafür ist die Jukebox mittlerweile zur wohl bekanntesten der Stadt geworden…
Zwar legten die beiden Wert darauf, dass diese Stammgäste sich weiter willkommen fühlten, doch mit der fortschreitenden Gentrifikation des Viertels und den veränderten Öffnungszeiten – die Bar öffnet täglich erst um 17 Uhr – nahm die Zahl jener über die Jahre kontinuierlich ab. Genauso allerdings auch die Anzahl der gruseligen Mogwai-Fanboys, die zur Anfangszeit der Bar noch regelmässig an Rachels Tresen saßen und ihr ihre Lebensgeschichte erzählen wollten.
Dafür ist die Jukebox mittlerweile zur wohl bekanntesten der Stadt geworden, mit Mixtapes von The Cure’s Robert Smith, Mogwai und anderen Helden. So hat auch Berlin endlich den Pub bekommen, den es verdient.