Mehr rechtsradikale Straftaten als irgendwo sonst – diese Stadt führt NRW an

Zehn rechtsradikale Straftaten pro Tag – so viele wurden 2017 im Schnitt in Nordrhein-Westfalen verübt. Klarer Anführer der Statistik mit 250 Straftaten: Dortmund. Das ist das Ergebnis einer internen Auswertung des NRW-Innenministeriums, die sich die Rheinische Post angeschaut hat. Die nächsten Städte auf der Liste: Köln mit 220, Wuppertal mit 188 und Düsseldorf mit 171 rechtsradikalen Taten.

Das hat Tradition. In den letzten fünf Jahren hat Dortmund es dreimal geschafft, die Stadt mit den meisten Neonazi-Verbrechen im ganzen Bundesland zu sein – 2016 und 2014 war es Köln. Ziemlich bemerkenswert, schließlich hat Köln knapp eine Million Einwohner, Dortmund nur 600.000.

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Immerhin, es gibt auch gute Nachrichten: Insgesamt ist die Zahl rechtsradikaler Straftaten seit dem Vorjahr um ganze 20 Prozent zurückgegangen, auf 3.764. Aber warum führt ausgerechnet Dortmund diese Statistik so oft an?

Für Kenner der rechtsextremen Szene ist das keine Überraschung. Dortmund gilt schon seit Jahren als die Neonazi-Hochburg in Westdeutschland. Das fing mit der Gründung des rechten Hooligan-Clubs “Borussenfront” in den 80ern an (der BVB hat bis heute rechtsextreme Hooligans unter seinen Fans). Mitte der Nullerjahre nahm die Mobilisierung wieder Fahrt auf, als sich rechte Clubs wie die “Kameradschaft Dortmund”, der “Autonome Widerstand östliches Ruhrgebiet” oder der “Nationale Widerstand Dortmund” gründeten. Meistens war das dieselbe Handvoll Leute, die sich immer neue Namen ausdachten, wenn ihr Verein gerade mal wieder verboten worden war.


Gibt auch coolere Sachen in Dortmund: Christian Pulisic zum Beispiel.


“Dortmund hat so in der Szene einen gewissen Status erreicht und Anziehungskraft entwickelt”, erklärte der Extremismusforscher Jan Schedler 2012 der Zeit. “Rechtsextreme von außerhalb sind ganz gezielt in die entsprechenden Viertel gezogen.”

2004 erschoss der NSU in der Stadt den Kioskbesitzer Mehmet Kubaşık. Insgesamt töteten Neonazis in den letzten 15 Jahren fünf Menschen in Dortmund.

Die meisten der 70 bis 80 aktiven Dortmunder Neonazis haben sich in dem Stadtteil Dorstfeld angesiedelt, den sie deshalb gerne als “national befreite Zone” bezeichnen – oder auch gleich ganz offen als “Nazi-Kiez”. Das ist zwar Schwachsinn, weil hier viel mehr Menschen mit Migrationshintergrund als Rechtsextreme leben, aber es gibt tatsächlich ein paar Straßenzüge, in denen die Rechten sich sogar trauen, Polizisten anzugreifen.

Als der “Nationale Widerstand Dortmund” 2012 schließlich auch verboten wurde, gründeten dieselben Typen nur ein paar Wochen später einen Landesverband der Partei “Die Rechte”. Seitdem machen die Neonazis unter diesem Label in Dortmund Radau, organisieren pausenlos sinnlose Mini-Demos, beleidigen Anne Frank, pöbeln Schwarze in der U-Bahn an oder patrouillieren auf Parkplätzen, um Schwule beim Sex zu erwischen. 2014 zog Siegfried Borchardt für die Partei sogar in den Stadtrat ein, legte sein Amt aber nach drei Monaten aus “gesundheitlichen und zeitlichen Gründen” wieder nieder. Für ihn rückte Dennis Giemsch nach, der Schlagzeilen machte, als er eine Anfrage an die Verwaltung stellte, wie viele Juden in Dortmund leben würden – und wo.

Und weil es ihnen nicht reicht, sich vor dem ganzen Pott als menschenverachtende Idioten zu outen, gehen die Dortmunder auch regelmäßig auf Klassenfahrt in andere Teile Deutschlands: Wo immer irgendjemand eine größere Versammlung rechter Menschen organisiert, sind die Dortmunder meistens dabei.

Nachdem Politik, Polizei und auch der BVB jahrelang versäumt hatten, eine ordentliche Strategie gegen die Ausbreitung der Rechtsextremen zu entwickeln, sind sie auf absehbare Zeit wohl kaum aus Dortmund wegzukriegen. Von Beratungsstellen über Stadionverbote beim BVB bis hin zu einer eigenen “Soko Rechts” bei der Dortmunder Polizei versucht man zwar heute einiges, aber noch fühlen sich die Neonazis in Dortmund wohl – und werden wohl weiter fleißig Straftaten verüben.

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