“Der Startpreis für Nicole liegt bei 150.000 Dollar”, hieß es in der Auflistung. Das dünne und blonde Mädchen, nur mit einer Unterhose bekleidet, schien sich auf den beigefügten Fotos wild hin und her zu winden. Ihre Arme hatte man hinter ihrem Rücken mit einem Seil zusammengebunden, das an einem Drahtgestell an der Decke befestigt war. “Nicole” reckte sich nach vorn, und im Hintergrund zeichnete sich an der Wand der Schatten eines Mannes ab.
Die Anzeige für die bevorstehende Auktion beinhaltete neben dem Startgebot auch Angaben über Nicoles Körbchengröße, ihr Gewicht sowie die Zusicherung, dass sie keinerlei Geschlechtskrankheiten habe. Sie wurde im Darknet dargeboten, und zwar auf der Seite einer Gruppe, die sich selbst “The Black Death” nannte.
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Das Darknet gilt in vielen Beobachtungen oft als der Ort im Internet, in dem man im Schutze von Anonymität und Verschlüsselung problemlos an illegales Material wie Drogen, Waffen oder Kinderpornografie kommt. Schon lange gibt es außerdem Gerüchte, dass im Darknet Menschenhandel betrieben wird—eine Vermutung, die bisher nie eindeutig bestätigt werden konnte.
“Ich bin an dem Mädchen interessiert”, ließ ich die Inhaber der Seite in einer verschlüsselten E-Mail wissen, “ich will aber zuerst mehr Fotos sehen.” Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
Gestoßen war ich auf Black Death über einen Reddit-Link. “Scheinbar ist es eine kriminelle Organisation, die mit fast allem handelt, was es so gibt”, heißt es dort. Tatsächlich scheint die Seite präsentiert eine ganze Bandbreite an unterschiedlichen Dienstleistungen anzubieten: Waffen, Drogen, Bombenanschläge, Mord, neue Identitäten und auch Menschenhandel. Ich fand außerdem ein News-Feed mit Updates, die mehrere Jahre zurückreichten. “Black Death ist jetzt im Darknet “, hieß es beispielsweise am 27. Januar 2010. “Und wir sind gekommen, um zu bleiben.” Danach scheint die Seite mehrfach ihre Adresse geändert zu haben. “Das werden wir jedes Mal tun, wenn wir zu bekannt werden”, so die Begründung.
“Schreibt uns nicht an, um Fragen zu stellen”, so die Anweisungen auf der Seite. Ich entschied, mich trotzdem als potenzieller Kunde auszugeben, um zu sehen, wie viel ich über diese vermeintlichen Menschenhändler aus dem Darknet erfahren könnte und um herauszufinden, ob über die Seite tatsächlich Menschen im Darknet verkauft werden oder ob es sich lediglich um einen Hoax handelte.
“Wer bist du, woher weißt du über unsere Seite Bescheid? Wer hat uns dir empfohlen?”, so die schroffe Antwort der Admins.
In der Zwischenzeit war bereits ein weiteres Mädchen zum Verkauf angeboten worden, dieses Mal mit einem Startpreis von 180.000 US-Dollar. Alle Bilder waren von hoher Qualität, mit gekonnter dramaturgischer Beleuchtung. Doch die Fotos enthielten keinerlei Metadaten, und auch die umgekehrte Bildersuche lieferte keine Ergebnisse.
Ich antwortete Black Death und behauptete, ich sei ein Mittelsmann zwischen verschiedenen Geschäftspartnern. Das kauften sie mir allerdings nicht ab. „Netter Versuch, Europol”, war die Antwort.
Nach mehreren Tagen, in denen ich mit allen möglichen Mitteln versucht hatte, Black Death davon zu überzeugen, dass ich im Besitz von Bitcoins im Wert von mehreren hunderttausend Dollar sei, gaben mir die Admins der Seite sehr deutlich zu verstehen, dass sie nichts mit mir zu tun haben wollen.
“Lass’ uns endlich in Ruhe”, schrieben sie. Und dann, auf einmal, war die Seite verschwunden. Ein Platzhalter unter der der ehemaligen Adresse verkündete lediglich “Black Death ist umgezogen.”
Ich konnte den Kontakt mit den Admins trotzdem per E-Mail am Laufen halten, und schließlich erhielt ich doch eine Liste mit genauen Anweisungen für eine Auktion. Ich sollte bereits im Voraus eine Anzahlung machen, um die Mädchen dann in einem Livestream begutachten zu können. Meine Anfrage, ob ich den Livestream umsonst sehen dürfte, wurde verneint.
Wie sich später herausstellte und ich auch schon vermutet hatte, war zumindest eine der beiden Anzeigen mit den zum Verkauf angebotenen Mädchen nicht echt. Es stellte sich heraus, dass es sich bei “Nicole” um dasselbe Mädchen handelte, das auch in einem Online-Pornovideo zu sehen ist. Die extrem gestellt aussehenden Fotos sind höchstwahrscheinlich Screenshots aus diesem Porno.
War The Black Death also nur eine weitere gefakte Darknet-Seite, auf der tatsächlich gar kein Menschenhandel stattfand? Ich beschloss, einen Experten zu kontaktieren.
“Das Darknet gehört in der Form, in der wir es kennen, nicht zu den Orten, an denen wir große Mengen verdächtigen Materials finden”, erklärte ein Berater des UK Human Trafficking Centre (UKHTC) im Telefongespräch mit Motherboard.
Er berichtete, dass dem UKHTC sehr ähnliche Seiten bekannt seien, auf denen sowohl männliche als auch weibliche Sklaven angeboten werden, manchmal mit expliziter Anmerkung, dass sie als Sexarbeiter verkauft würden—und zwar im Clearnet. Der Menschenhandel im Internet ist kein neues Phänomen. Seit Jahren werden soziale Netzwerke und klandestine Websites dazu benutzt, den Menschenhandel über das Internet einfacher abzuwickeln.
Abgesehen von den dramatischen Fotos konnte der Berater des UKHTC keine großen Unterschiede zwischen der Seite von Black Death und ihm bereits bekannten Auktionsseiten feststellen.
“Ich bin mir sicher, dass Sie ihr Geld nicht mehr wiedersehen werden, wenn Sie es erst einmal überwiesen haben.”
Dennoch waren die Experten des UKHTC nicht davon überzeugt, dass es sich bei Black Death um eine “echte” Seite handelt. Vor allem die hoch aufgelösten Bilder machten sie misstrauisch. Der Berater vermutete sofort, dass sie “höchstwahrscheinlich gestellt” sind. Auf anderen Seiten werden die angebotenen Menschen “nicht auf eine solche Art verherrlicht wie diese Mädchen”, fügte er hinzu.
Es gibt aber auch andere Hinweise auf der Seite von Black Death, die erfahrene Ermittler stutzig machen. “Das Komische ist, dass auf der Seite angegeben wird, wo die Mädchen entführt wurden und wo sie sich aktuell befinden”, merkte der Berater an. Auf der Seite fand man die Information, dass die amerikanischen Mädchen in Paris entführt worden waren. “Würden amerikanische Bürger in Europa entführt werden, würde das doch in den Medien für einen riesigen Aufschrei sorgen”, erklärte er.
Auch die Tatsache, dass die Besitzer bereits vor der Auktion eine Anzahlung verlangten, erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen Hoax handel. “Ich bin mir sicher, dass Sie ihr Geld nicht mehr wiedersehen werden, wenn Sie es erst einmal überwiesen haben”, sagte er. Die Website-Besitzer behaupteten, dass sie in der Vergangenheit Treuhanddienste in Anspruch genommen hätten—bei denen ein unabhängiger Dritter während der Transaktion die Finanzen verwaltet, damit keine der beiden anderen Parteien abgezockt wird. Sie erklärten aber auch, dass sie darauf verzichten mussten, als es um immer höhere Transaktionen ging.
Trotz aller Zweifel ist es ohne weitere Informationen unmöglich, eindeutig zu beweisen, dass Black Death echt oder nur ein Hoax war. Sollte es sich tatsächlich nur um einen Fake gehandelt haben, so haben es mir die Besitzer erstaunlich schwer gemacht, ihnen mein Geld zu geben. Und wenn es eine echte Seite für Menschenhandel war, stellt sich die Frage, warum sie diese dann im Darknet betrieben haben, wenn es offensichtlich auch im Clearnet relativ problemlos funktioniert.
Menschenhandel gehört zu den beständigsten Darknet-Mythen, jedoch wird seine tatsächliche Existenz so gut wie nie mit Beweisen belegt. Mir war es für einen kurzen Moment gelungen, die Aufmerksamkeit von jemandem zu gewinnen, der behauptete, in diesem Bereich des Internets mit Menschen zu handeln—ob das nun stimmte oder nicht.
“Wir laden keine Fremden zu unseren Auktionen ein”, teilte mir Black Death in einer der E-Mails mit. “Wir wollen nicht zu bekannt werden. Kein Europol. Keine Leute, die sich nur mal umschauen wollen. Keine Journalisten oder Blogger.”
“Nur ernsthafte Geschäfte.”
Die Originalversion dieses Textes ist zuerst auf Englisch erschienen.