Identity

Meine ungewisse Zukunft als undokumentierte Einwanderin in der Ära Trump

Als ich mich als Einwanderin ohne Aufenthaltspapiere registrieren ließ, konnte ich endlich mit meiner Situation abschließen. Ich war stolz. Es wird niemanden überraschen, dass undokumentierte Einwanderer nicht gerne offen über ihren Aufenthaltsstatus sprechen. Letztendlich war es schon immer gefährlich—und seit feststeht, dass Donald Trump Präsident werden wird, ist die Angst groß, dass sich die Situation weiter verschärfen könnte. Als undokumentierter Einwanderer lebt man immerzu mit der Angst, von Freunden oder der Familie „geoutet” und aus den USA abgeschoben zu werden. Ohne Aufenthaltsgenehmigung hat man nicht den Eindruck, dass man von dem Land, in dem man lebt, beschützt wird, weil man mit einem nahezu unbezwingbaren Einbürgerungsprozess und einer immer strenger werdenden Einwanderungspolitik zu kämpfen hat.

Warum ich mich trotzdem registrieren ließ? Weil Noch-Präsident Obama 2012 das sogenannte DACA-Programm (Deferred Action for Childhood Arrivals) eingeführt hat. Diese präsidentielle Anweisung sollte Menschen, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in den USA aufhielten und bestimmte Kriterien erfüllten, vor Abschiebungen schützen und ihnen eine Arbeitsgenehmigung erteilen. Das DACA-Programm ermöglichte es mir, arbeiten zu gehen und ein nahezu normales Leben zu führen—nur reisen konnte ich nicht. Nach und nach begann ich mich auch meinen Freunden gegenüber zu öffnen.

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Vielen undokumentierten Einwanderern fiel die Entscheidung, ob sie sich registrieren lassen sollen oder nicht, dennoch sehr schwer. Erik Vargas studiert in Texas und sagt, dass er sich erst registrieren ließ, als er ein Vollstipendium an der University of Pennsylvania bekommen hat. Zum ersten Mal mit jemandem über seinen Aufenthaltsstatus zu sprechen, war—wie er sagt—eine elektrisierende Erfahrung. „Ich wollte damals etwas an meiner Situation ändern, also habe ich mich einer meiner größten Ängste aus der High-School-Zeit gestellt: nicht gemeldet zu sein”, sagt er.

In der Highschool wurde Vargas oft gesagt, dass er sich von der Polizei fernhalten und seinen Aufenthaltsstatus unter allen Umständen für sich behalten sollte. Als er dann sein Stipendium bekam, entwickelte er die Hoffnung, dass seine Geschichte anderen undokumentierten Schülern helfen könnte, die ähnlich wie er den High-School-Abschluss machten, ohne zu wissen, was danach kommt. Vargas sagt, dass es ihn viel Überwindung gekostet hat, sich registrieren zu lassen—ganz besonders während dem Wahlkampf des angehenden Präsidenten Donald Trump. Er glaubt dennoch, dass er sich richtig entschieden hat.

„Sollte ich wieder zurückkehren zu ‚no le hables a la policia [sprich nicht mit der Polizei]’ oder mir Gehör verschaffen—ganz egal, ob ich abgeschoben werde oder nicht?”, sagt er. „Nachdem ich mich gemeldet hatte, hatte ich das Gefühl, dass es die richtige Entscheidung war sich große Ziele zu stecken.”

Genau wie Erik hat auch Leidy Martinez ihren fehlenden Aufenthaltsstatus lange für sich behalten. „Ich habe immer gezögert, mit Freunden oder Kollegen darüber zu sprechen, weil es die meisten Menschen sehr voreingenommen auf dieses Thema reagieren”, sagt sie. „Das fängt bei den Vorurteilen über illegale Einwanderer an, denen man im Fernsehen und in den sozialen Medien begegnet, aber ich bin solchen Vorurteilen auch im wahren Leben schon oft begegnet—und zwar überall. Ich spreche nicht gerne über meine Situation und manchmal erwische ich mich sogar dabei, dass ich lüge.”

Ich habe Angst, was mit mir passieren könnte. Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn ich hierbleibe.

Leidy ist Dominikanerin und erwartet im Moment ihr erstes Kind. Sie hat Angst, dass sie mit dem Geld, das sie derzeit verdient, nicht in der Lage sein wird für ihr Kind zu sorgen. „Ich bekomme im Moment umgerechnet knapp 7 Euro die Stunde—aber schwarz, deswegen kann ich mich auch nicht beschweren. Das ist das Beste, was ich im Moment bekommen kann”, sagt sie. In ihrem alten Job hat sie umgerechnet rund 2,80 Euro bekommen. Wie viele andere illegale Einwanderer ohne Arbeitserlaubnis sagt auch Leidy, dass sie Angst hat, über ihren Lohn zu sprechen, weil es sie in Gefahr bringen könnte, wenn ihr Arbeitgeber von ihrer fehlenden Aufenthaltsgenehmigung erfährt. Die Tatsache, dass sie ein Kind erwartet, macht Leidy zusätzlich vorsichtig, wenn sie mit anderen über ihren Meldestatus spricht. Im Verlauf des Wahlkampfes und angesichts der bevorstehenden Präsidentschaft von Donald Trump wurde ihre Sorge noch größer, weil die Unterstützer von Trump „wegen einem einfachen Stück Papier so viel Hass auf Menschen wie mich haben”, sagt sie—und meint damit ihre GreenCard.

Wenn sie als illegale Immigrantin abgeschoben würde, müsste sie unter den geltenden Vorschriften mehrere Jahre warten, bevor sie wieder in die USA einreisen dürfte. Hinzu kommt, dass es keinen klaren Weg gibt, um die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Der einzige Weg, um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in den USA zu bekommen, führt über einen Verwandten, der den Antrag stellt oder eine Heirat. Der sogenannte DREAM Act war im Prinzip der einzige Versuch, ein Einbürgerungsgesetz für Schüler zu schaffen und selbst dieser Gesetzesentwurf scheiterte vor dem Kongress. Um den Kongress zu umgehen, haben einzelne Bundesstaaten ihre eigenen Gesetze auf Grundlage des DREAM Acts geschaffen, durch die unter anderem auch College-Studenten öffentliche finanzielle Hilfspakete zur Verfügung gestellt werden.

Einige politische Programme—wie das DACA-Programm von Obama—haben geholfen, die Situation von undokumentierten Einwanderern zu verbessern. Allerdings hatte das DACA-Programm kein besonders großes Gewicht, weil es lediglich eine Anordnung des Präsidenten ist, die nun vermutlich von Donald Trump wieder abgeschafft werden wird, wie er bereits während seines Wahlkampfs angekündigt hat. Zwar ist der angehende Präsident in seiner letzen Rede bereits von seinen bisherigen Aussagen abgerückt, doch im schlimmsten Fall würde die Abschaffung von DACA rund 665.000 Einwanderer in den USA, die bisher noch durch die Anordnung geschützt sind, in Gefahr bringen. Außerdem werden viele der nicht dokumentierten Einwanderer ohne DACA nicht oder nur schwer in der Lage sein, genug Geld zu verdienen, um ihr Existenzminimum zu sichern.

„Keine Aufenthaltsgenehmigung zu haben, ist untrennbar mit Armut verbunden. Man kommt arm [in den USA] an und findet dort auch nicht die soziale Flexibilität vor, um wirklich etwas daran zu ändern”, sagt Vargas.

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Trumps aggressive Kommentare über illegale Einwanderer haben die Menschen eingeschüchtert, die eigentlich nicht länger im Schatten leben wollten. Britany, die nur mit ihrem Vornamen genannt werden möchte, ist eine undokumentierte Einwanderin aus Missouri. Sie sagt, dass sie sich nie wohl gefühlt hat, den Menschen in ihrer konservativen Heimatstadt von ihrer Situation zu erzählen. Angesichts der bevorstehenden Präsidentschaft von Donald Trump, hat sie nun das Gefühl, dass es nicht mehr sicher wäre, in den USA zu arbeiten.

„Ich habe Angst, was mit mir passieren könnte. Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn ich hierbleibe”, sagt sie. Da ihre beiden Eltern undokumentierte Einwanderer sind, für die es keinen klaren Weg gibt, wie sie die Staatsbürgerschaft erlangen können, hat Britany bisher all ihre Hoffnungen auf die Ausweitung des DACA-Programms gesetzt.

Im November 2014 schlug Obama vor, durch die Kriterien so zu erweitern, dass sich noch mehr undokumentierte Einwanderer über das DACA-Programm melden lassen könnten. Darüber hinaus sprach Obama ein neues Programm namens Deferred Action for Parents of Americans and Lawful Permanent Residents (DAPA) an. Mit DAPA—quasi dem DACA-Programm für Eltern—sollten die Eltern von rechtmäßigen Einwohnern der USA und US-Bürgern vor Abschiebungen geschützt werden. Außerdem sollten sie die Möglichkeit bekommen, eine Arbeitserlaubnis zu beantragen.

Leider stieß diese Anweisung in mehreren Bundesstaaten auf Widerstand. Letztendlich wurden die beiden Programme am 16. Februar 2015 von einem texanischen Bundesrichter blockiert. Nachdem die Entscheidung vor einem Berufungsgericht in New Orleans erneut bestätigt wurde, gab die Obama-Regierung den Fall an den obersten Gerichtshof in den USA weiter, der sich damit befassen sollte. Am Ende dieses ganzen Prozesses stand dann eine Nicht-Entscheidung: Der oberste Gerichtshof war entscheidungsunfähig, da vier Richter für und vier gegen das Einwanderungsprogramm gestimmt hatten.

Wenn wir eine echte Veränderung sehen wollen, müssen wir Verantwortung übernehmen und mit den Leuten sprechen, die uns am wenigsten zuhören wollen.

Vor Britanys Haus gab es einmal eine Schießerei, wodurch ihr Zuhause ins Visier der Polizei geriet. Unter der Präsidentschaft von Donald Trump bleibt ihr wahrscheinlich nur noch die Chance auf ein sogenanntes U Visa, das speziell für Menschen ist, die körperlich oder psychisch unter Kriminalität gelitten haben und sich bereit erklären, die Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung dieser Verbrechen zu unterstützen. Doch selbst dann wäre die Zukunft ihrer Familie noch immer ungewiss. Sie meint, dass ihre Eltern vermutlich zum Schutz der Gesundheit ihres kleinen Bruder (der unter zwei angeborenen Krankheiten leidet) versuchen werden, eine Aufenthaltsgenehmigung für die USA zu bekommen.

Viele undokumentierte Einwanderer haben das Gefühl, dass die Regierung eigentlich gar nicht weiß, was sie mit uns tun soll. Die bevorstehende Präsidentschaft von Trump bedeutet für uns, dass wir einen Mann im Amt haben, dem es vollkommen egal ist, was mit uns passieren wird und der nicht versuchen wird, unsere Situation zu verbessern. Während seines Wahlkamps hat Trump bereits immer und immer wieder deutlich gemacht, dass es keinerlei Mitgefühl mit undokumentierten Einwanderern hat. Stattdessen hat er sie als Vergewaltiger und Kriminelle bezeichnet.

Moises Rodriguez setzt sich öffentlich für Einwanderer ein. Er hat sich, genau wie ich, über das DACA-Programm melden lassen und hat dadurch die Möglichkeit bekommen, öffentlich über seine eigene Situation und die Situation vieler anderer undokumentierter Einwanderer in den USA zu sprechen. „Ich [hatte bis dahin] keinen großen Comingout-Moment. Meistens hab ich nur gesagt: ‚Wir brauchen eine Neuregelung für undokumentierte Einwanderer.’ Die Leute dachten dann immer, dass ich das sage, weil ich Latino bin”, sagt er.

Rodriguez musste sich in der Vergangenheit bereits Lehrern und Vertrauenslehrern anvertrauen, um es durch das College-Aufnahmeverfahren zu schaffen. Im Juni hat er dann im Rahmen einer Podiumsdiskussion über Latinos im weiterführenden Schulsystem zum ersten Mal in einem Raum voller Fremder über seine Erfahrungen gesprochen. „Ich habe es vor einer ganzen Gruppe von fremden Menschen einfach laut ausgesprochen und es hat sich wirklich gut angefühlt, auch mit Menschen sprechen zu können, die ich nicht kannte. Ich konnte vollkommen offen über meinen Meldestatus und meine Situation sprechen”, sagt er.

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Er hat immer darauf gehofft, im College noch mehr Menschen von seiner Erfahrung erzählen zu können. „Ich dachte, im College wäre die richtige Zeit. Ich dachte, es würde alles viel einfacher, weil die Leute dort liberaler und offener sein werden, als in dem rassistischeren Teil des Landes, in dem ich groß geworden bin. Mein Rechtsstatus sollte nichts darüber aussagen, wer ich bin”, sagt er.

Über den Meldestatus seiner Eltern hat er trotzdem nie gesprochen, weil sie nicht den Schutz haben, den er bisher noch durch das DACA-Programm hat. „Ich verrate nie die Namen meiner Eltern. Ich erzähle den Leuten nie alles. Wenn ich über dieses Thema spreche, dann geht es um mich, weil ich durch das DACA-Programm geschützt bin”, sagt er. Allerdings war er trotz allem immer vorsichtig, mit wem er über seinen Meldestatus gesprochen hat.

Rodriguez hat immer davon geträumt, Menschen aufklären und sich für eine Einwanderungsreform einsetzen zu können. „Wenn wir eine echte Veränderung sehen wollen—sei es in unserem Rechtssystem, zur Stärkung der Rechte von LGBT oder eine Reform der Einwanderungsgesetze—, müssen wir Verantwortung übernehmen und mit den Leuten sprechen, die uns am wenigsten zuhören wollen. Wir müssen ihnen authentische Informationen liefern, damit sie sehen, wer wir sind”, sagt er. „Wir müssen die USA dazu bringen, die veraltete rassistische Brille, durch die sie die Welt sehen, abzunehmen.”


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