Was ist weiblich? Eine Frage, deren Beantwortung insbesondere für queere und gendernonkonforme Menschen abseits aller Geschlechterklischees eine Herausforderung sein kann. Deswegen erfreut sich die sogenannte Futch Scale insbesondere in LGBTQ-Kreisen großer Beliebtheit. Mit ihrer Hilfe kann sich jeder auf dem Femme-Butch-Spektrum einordnen – also für sich selbst festlegen, wie fraulich oder burschikos man sich selbst definiert. Auch Kleidung spielt bei der Definition der eigenen Femme-ness eine wichtige Rolle. Deswegen haben wir verschiedene Menschen darum gebeten, uns das erste Outfit zu zeigen, das ihre ganz persönliche Form von Weiblichkeit auf den Punkt gebracht hat.
Taylor Norton, 26
Wie identifizierst du dich?
Femme.
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Kannst du das erste Outfit beschreiben, mit dem du deine Femme-Identität ausgedrückt hast?
Das war ein schwarze Bodysuit mit Spitze, Boyfriend-Jeans, Socken mit der Aufschrift “Bitches get stuff done”, meine Blumenmuster-Dr. Martens und lila Lippenstift.
Was macht diesen Look für dich zu etwas Besonderem?
Spitze verbindet man mit Feinfühligkeit, trotzdem fühle ich mich in dem Bodysuit sexy und habe das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Die Jeans schmeicheln durch ihren Schnitt nicht unbedingt meinen Hüften, Hintern oder Beinen, aber ich kann mich darin gut bewegen und fühle mich einfach wohl. Sie erinnern mich auch daran, dass ich keinen Partner brauche, um das zu bekommen, was ich möchte. Für meine Socken bin ich quasi bekannt und dieses Paar habe ich von einem sehr engen Freund bekommen. Wenn ich darüber nachdenke, was auf meinen Füßen steht, muss ich grinsen – auch wenn andere Menschen gar nicht lesen können, was drauf steht. Blumen werden oft als zart und vergänglich gesehen, aber ich liebe die Lebendigkeit floraler Prints und habe das Gefühl, dass meine Schuhe diese Seite meiner Persönlichkeit gut ausdrücken. Was meinen lila Lippenstift angeht, das bin einfach ich.
Wie fühlst du dich in dem Outfit?
Machtvoll und sexy. Als würde ich es verdienen, in meinem Körper zu leben.
Sarah Parsons, 21
Wie würdest du deine Identität beschreiben?
Ich bin queer, was ich als Oberbegriff für eine Menge Dinge benutze, die meine Identität umfassen. Ich verwende mal weibliche, mal geschlechtsneutrale Pronomen, identifiziere mich also nicht wirklich als Mann oder Frau. Ich bin irgendwo in der Mitte.
Wie sieht das erste Outfit aus, das deine Identität auf den Punkt gebracht hat?
Ich glaube, dass ich meine Femme-Identität immer wieder neu entdecke. Es ist wie eine ständige Metamorphose, bei der ich mich immer mehr wie ich und wohler in meiner eigenen Haut fühle. Das Outfit, dass für mich den Anfang gemacht hat, ist ein rosa Nachthemd. Ich habe es letztes Jahr in einem Vintage-Shop gefunden, kurz bevor ich mir den Kopf rasiert habe. Es hat so etwas Feminines und Leichtes, ist gleichzeitig aber auch ziemlich formlos. Du kannst die Form meines Körpers nicht ausmache. Als ich das zum ersten Mal im Kontrast mit den kurzen Haaren gesehen habe, hat es bei mir Klick gemacht.
Wie fühlst du dich, wenn du es trägst?
Schön. Ich liebe es, weiblich zu sein. Ich mag weiche Dinge und schöne Farben. Ich trage das Hemd sehr oft und habe es schon ziemlich ramponiert. Überall sind Flecken, weil ich es schon auf abgeranzten Partys und in Parks anhatte. Es ist super bequem und ich fühle mich einfach richtig frei darin.
Neil McDonald, 37
Wie identifizierst du dich?
Ich identifiziere mich irgendwo zwischen nicht-binär und genderqueer mit Trans-Femme-Einfluss.
Erzähl uns von dem ersten Outfit, mit dem du deine Femme-Identität ausgedrückt hast.
Das war ein kariertes Shirt-Kleid. Am Anfang war ich sehr nervös und habe wirklich lange gebraucht, bis ich mich getraut habe, damit vor die Tür zu gehen. Ich hatte noch keinerlei Erfahrung damit, vermeintliche “Frauenkleidung” zu tragen. Ich wusste nicht, was zu meinem Körper passt. Dieses Outfit hat sich aber einfach richtig angefühlt – wie etwas, was vielleicht auch ein schwuler Mann tragen könnte, wenn er vor die Tür geht. Zumindest obenrum. Ich hatte Angst, auf dem Weg zur U-Bahn blöd angemacht zu werden, das ist aber nicht passiert.
Wie fühlst du dich darin?
Ich habe es seit etwa 18 Monaten nicht mehr getragen. Trotzdem denke ich gerne daran zurück, wie ich zum ersten Mal versucht habe, mein wahres Ich zu zeigen. Bis dahin war es ein weiter Weg und ich habe immer noch eine erhebliche Strecke vor mir. Aber ich bin so froh, dass Menschen mich endlich als mich sehen.
Katayoun Jalili, 22
Wie identifizierst du dich?
Als genderqueer, genderfluid und nichtbinär, würde ich sagen. Nichtbinär wird momentan ein bisschen überstrapaziert, ich bleibe aber lieber einzigartig. Genderqueer trifft es in meinen Augen also ganz gut.
Erzähl mir vom ersten Outfit, das deine Femme-ness ausgedrückt hat.
Ich glaube, dass es für ein Stück Stoff oder Kleidung schwierig ist, dieses Femme-Gefühl zu vermitteln. Du musst das auch in deinem Kopf haben und dich damit identifizieren. Wenn du nicht in der richtigen Stimmung bist, kannst du das gleiche Outfit tragen und dich trotzdem anders fühlen. Als ich diese Jacke gekauft habe, fand ich sie einfach super schön. Ich erklärte der Verkäuferin damals: “Ich will, dass die Jacke mich wütend macht.” Das war mir ein bisschen peinlich, aber ich wollte mich einfach mächtig fühlen. So stark, dass niemand sich traut, sich mit mir anzulegen. Femme zu sein heißt für mich, Kontrolle zu haben. Auch wenn es nicht unbedingt das ist, was man unter klassischer Weiblichkeit versteht.
Und, erfüllt das Outfit diesen Wunsch?
Ich trage dieses Outfit immer noch bei manchen Gelegenheiten, mittlerweile allerdings vor allem dann, wenn ich betont weiblich und glamourös aussehen möchte. Momentan versuche ich noch herauszufinden, was Femme überhaupt für mich bedeutet. Manchmal trage ich lieber etwas, das nicht mit Femme-ness assoziiert wird – etwas, das so neutral wie möglich ist. Wie ich schon meinte, es hängt alles von deinem Kopf ab.
Biju, 24
Wie identifizierst du dich?
Aktuell würde ich mich nicht wirklich als irgendetwas definieren, aber ich lehne auch die Zuschreibung als Frau nicht ab. Ich schätze, die Beschreibung, die mir am nächsten kommt, wäre agender, also geschlechtsneutral.
Wie sah das erste Outfit aus, dass deine Identität ausgedrückt hat?
Tatsächlich waren es mehrere Outfits, die ich mit 15 oder 16 Jahren getragen habe. Damals war ich richtig besessen von dem Stil der 30er Jahre und Pin-ups. Sie stellten eine alternative weibliche Identität dar, in die ich und mein Körper viel besser passten. Statt zu versuchen, dem androgynen Ideal der Modewelt zu entsprechen, bin ich in die komplett andere Richtung gegangen und habe mich mit dieser hypersexualisierten Weiblichkeit angefreundet. Das habe ich allerdings nie gemacht, um Männern zu gefallen oder betont “sexy” zu sein. Ich habe es für mich gemacht. Was andere denken, war mir schon immer egal.
Wie fühlt es sich an, wieder ein ähnliches Outfit zu tragen?
Überraschenderweise fühle ich mich ziemlich wohl darin. Die Klamotten sind immer noch in meinem Schrank und ich trage sie auch manchmal. Heute würde ich dieses Top allerdings nicht mehr mit einem kurzen Rock tragen, sondern mit einer Hose. Mittlerweile weiß ich, welche Teile meiner Weiblichkeit ich besonders betonen möchte. Als Teenagerin habe ich noch versucht, alles gleichzeitig zu machen.
Ms Mohammed, “alterslos”
Wie identifizierst du dich?
Ich bin eine queere Cis-Frau und identifiziere mich als Femme. Das war aber nicht immer so.
Beschreib das erste Outfit, mit dem du deine Identität ausgedrückt hast.
Das müsste ein Kleid gewesen sein, das dem sehr ähnlich ist, was ich jetzt trage. Früher war ich ein richtiger Tomboy, weil es in meiner Jugend nicht viele weibliche Vorbilder gab, an denen ich mich hätte orientieren können. Ich wollte aber stark sein, die Person, die alle rettet. Also ging ich einfach davon aus, dass man dafür so maskulin wie möglich sein muss. Als ich älter wurde, merkte ich, dass das einfach internalisierte Frauenfeindlichkeit war. Deswegen ist es für mich zu einer Art Statement geworden, dass ich innerlich zwar immer noch dieselbe bin, dabei aber hochhackige Schuhen, Kleider und Lippenstift trage.
Wann hast du das zum ersten Mal getragen?
Wahrscheinlich bei einer LGBT-Party. Ich sage jetzt “Party”, tatsächlich waren es aber geheime Veranstaltungen, von denen man nur durch Mundpropaganda erfahren hat. Die schwulen Männer aus meiner queeren Community in Trinidad haben mich in meiner weiblichen Identitätsfindung total unterstützt. Die meinten immer: “Du hast so tolle Brüste, zeig die doch mal! Zieh das an, probier mal das Teil!” Alleine wäre ich nicht unbedingt darauf gekommen. Sie haben mir geholfen, mich zu Femme-ifisieren und dafür bin ich ihnen für immer dankbar.
Wie fühlst du dich jetzt in dem Outfit?
Es fühlt sich an, als würde ich eine Art Panzer tragen, insbesondere das Make-up. Das wird nicht umsonst Kriegsbemalung genannt. Wenn du dich schminkst, entscheidest du dich, wie du dich der Welt präsentieren willst.
Lewis Walters, 25
Wie identifizierst du dich?
Ich bin genderqueer.
Was war das erste Outfit, mit dem du deine Femme-Identität ausgedrückt hast?
Mein erstes Outfit war eine schwarze Latzhose. Außerdem trug ich damals ständig schwarze Bandanas, weil ich meine Haare wachsen lassen wollte. Ganz allgemein habe ich wahnsinnig viel Schwarz getragen, seinen inneren Goth wird man so schnell nicht los.
Inwiefern drückt das Outfit deine Femme-ness aus?
Dieses Kleidungsstück drückt meine Femme-Identität aus, weil es – und ich hasse den Begriff – “unisex” ist. Jeder kann sie tragen. Ich erinnere mich, dass ich sie aus der Frauenabteilung habe, weil ich einen Hosenschlitz einbauen musste. Zu der Zeit war ich von ein paar richtig coolen Femmes umgeben, die mir beigebracht haben, wie man das macht. Das war eine unglaublich prägende Zeit für mich.
Wie fühlst du dich heute in dem Outfit?
Es ist anders als früher, weil ich die Beine abgeschnitten habe. Ich mache gerne aus meinen Winterhosen Sommershorts. So lebe ich in gewisser Weise mein Leben: Alles wird an irgendeinem Punkt abgeschnitten. Ich werde darin nostalgisch, aber fühle mich auch immer noch so stark.