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Hass im Netz

Was der 'Krone'-Artikel über Sargnagel und ihre Kolleginnen ausgelöst hat

"Die gehören in eine Grube mit Vergewaltigern geschmissen."

Am vergangenen Mittwoch, dem Weltfrauentag, hat die Krone einen Artikel zu einer Literaturreise von Stefanie Sargnagel und zwei Kolleginnen veröffentlicht, für die zwei der Autorinnen Stipendien vom Bildungsministerium erhalten hatten. Da der satirische Reisebericht, der auf derstandard.at erschien, dem Humor von Krone-Journalist Richard Schmitt offenbar nicht entsprach, fährt er seit Mittwoch eine regelrechte Kampagne gegen die Frauen und vor allem Stefanie Sargnagel, die sich auf Twitter und Facebook zum Thema geäußert hat.

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Seit Erscheinen des Artikels hat Schmitt den Link elfmal in abgewandelter Form getwittert, auch followerstarken Journalisten, die sich mit der Autorin solidarisierten, nachdem sie online massiv angefeindet und bedroht wurde, widmete Schmitt einzelne Tweets und unterstellt so zum Beispiel Falter-Chefredakteur Florian Klenk, Tierquälerei lustig zu finden.

Nachdem nicht nur die Krone, sondern auch das Magazin Wochenblick, das einige Personalüberschneidungen mit der FPÖ aufweist, über die Literaturreise berichtete, regnete es Hasskommentare, die Stefanie Sargnagel am Donnerstagabend in Form eines Facebook-Albums namens "Fröhlichen Frauentag wünscht Richard Schmitt" veröffentlichte. Darunter finden sich Kommentare wie "Warum werden solche Volksverräter nicht an die Wand gestellt? Wär ein guter Henker …" oder "Frustrierte Emanzen. Die gehören in eine Grube geschmissen mit lauter Vergewaltigern."

"Warum werden solche Volksverräter nicht an die Wand gestellt? Wär ein guter Henker …"

Auf Twitter hat sich bereits die Polizei Wien zu Wort gemeldet und nach den Links zu den Postings gefragt, um den Hasspostings nachgehen zu können. Sargnagel schrieb auf Facebook, dass sie dieses Mal alles anzeigen würde. Es ist nicht das erste Mal, dass Sargnagel in den Fokus von rechten Hasspostern gerät. Im Mai des letzten Jahres wurde sie beispielsweise heftig attackiert, nachdem sie auf Facebook gepostet hatte, dass sie noch ein paar Mal abtreiben würde, bevor Hitler Bundespräsident wird. Kurz zuvor hatte Bundespräsidentschaftskandidat in einer TV-Diskussion eine mehrtägige Bedenkfrist für Frauen gefordert, die eine Abtreibung durchführen wollen.

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Besonders zwei Passagen aus dem Reisetagebuch der jungen Autorinnen scheinen Richard Schmitt und dem wütenden Mob jedenfalls ein Dorn im Auge zu sein: Die, in der Sargnagel beschreibt, wie eine ihrer Mitreisenden eine Babykatze zur Seite getreten haben soll und die, in der sie schreibt, der Kölner Hauptbahnhof habe zu viel versprochen, weil die Männer in Marokko eigentlich "nur eingeraucht Uno spielen" wollen.

Dass Rechte in speziellen Fällen nicht nur überraschend zu Feministen, die "unsere" Frauen vor fremden Männern schützen wollen, sondern auch Tierschützern werden, ist nicht neu. Als der Lebensmittelkonzern Spar beispielsweise Halal-Fleisch ins Angebot aufnahm, kassierte das Unternehmen einen Shitstorm. Rechte riefen dazu auf, Spar zu boykottieren, da Halal-Schlachtungen ihrer Ansicht nach zu grausam seien. Spar stellte das Angebot daraufhin wieder ein.

Im Jahr 2013 ergab eine Studie der Northeastern University in Boston, dass Menschen mit Tieren unter Umständen mehr Mitleid hätten als mit erwachsenen Menschen. Den 240 Probanden wurden fiktive Zeitungsberichte vorgelegt, in denen entweder ein Kind, ein Erwachsender oder ein Tier misshandelt wurde. Wurden den Texten zufolge Hunde misshandelt, rief dies bei den Probanden mehr Mitleid hervor, als wenn ein erwachsener Mensch Opfer der Misshandlung gewesen wäre. Warum das so ist, konnten die Forscher nicht endgültig klären.

Auch Sargnagels überspitzte Bemerkung zu den Übergriffen am Kölner Hauptbahnhof stößt Schmitt und vielen Kommentatoren sauer auf. Sie meinen, die Autorin würde damit Gewaltopfer verhöhnen. Die Meta-Ebene von Sargnagels Witz ist ihnen dabei wohl entgangen:

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Die Welle an Hass, die Stefanie Sargnagel und ihren beiden Kolleginnen Maria Hofer und Lydia Haider entgegenschlägt, ist allein einem kurzen Artikel in der Kronen Zeitung zu verdanken. Richard Schmitt machte mit seiner Berichterstattung aus Spaß bitteren Ernst, den die Frauen nun zu spüren bekommen. Doch der Chefredakteur von krone.at twittert weiter zum Thema. Die eigenen Leser wegen 1500 Euro Kunstförderung anzustacheln scheint wichtiger zu sein, als gegen Hass im Netz einzutreten.

Die Krone versucht mit ihrem Artikel festzulegen, was Satire darf und was nicht. Schmitt schreibt auf Twitter, jeder, der über Tierquälerei lache, habe ein massives psychisches Problem. Und er versucht, Menschen, die sich mit den Autorinnen solidarisieren, gleichermaßen an den Pranger zu stellen.

Schmitt findet das Reisetagebuch der Autorinnen offensichtlich ziemlich schlimm. Dazu, wie schlimm er die Hasskommentare findet, die gepostet wurden, äußerte er sich noch nicht.

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