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Anonymous „leakt“, dass Compact eigentlich zum Verfassungschutz gehört

Irrsinniger geht es immer. Die Zeit der trauten Einigkeit in der neurechten deutschen Medienszene scheint vorbei.
In einem auf Youtube verbreiteten Video, bewarb ein Mann mit Maske im Mai die Dienste von Migrantenschreck; eine Seite, die wiederum recht häufig von der Facebook-Seite Anonymous.Kollektiv angepriesen wurde. Screenshot: YouTube

Noch vor kurzem herrschte traute Einigkeit zwischen zwei Flaggschiffen der neurechten deutschen Medienszene: die Hetzseite Anonymous.Kollektiv teilte fleißig Beiträge des rechten Compact-Magazins, während der Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer die größte deutsche Anonymous-Seite zum Vorkämpfer der Meinungsfreiheit hochjazzte.

Doch die Zeiten der Harmonie sind vorbei. Gerade scheint sich ein Bruch zwischen Compact und Anonymousnews.ru, dem selbsternannten Nachfolger von Anonymous.Kollektiv, anzubahnen. Das zeigt zumindest ein Blogpost auf der Seite, in dem die Betreiber eine schier ungeheuerliche Information öffentlich machten: In dem Beitrag vom 12. August rückt der Autor die Compact-Redaktion in die Nähe deutscher Geheimdienste. Compact sei ein „Konglomerat aus Denunzianten", heißt es in dem Text, welches Oppositionelle „gezielt ans Messer liefert".

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Wem jetzt noch nicht der Aluhut von der Birne gerutscht ist, der lese erst einmal die Beweisführung. Denn laut „brisanten Informationen", die Anonymous zugespielt worden seien, sollen Hinweise „aus dem Dunstkreis" von Elsässer und dem Compact-Verleger Kai Homilius an Strafverfolgungsbehörden weitergegeben worden sein, mit dem Zweck, unliebsame Personen an die Staatsmacht zu verpfeifen. Erst die Kooperation zwischen Compact-Redaktion und Behörden soll dazu geführt haben, dass das LKA Berlin seine „Ermittlungen gegen Oppositionelle" aufnehmen konnte. Um welche Oppositionellen es sich genau handelt, verrät der Text nicht.

Anonymous-Aktivisten hatten sich in der Vergangenheit übrigens immer wieder von den rechtsgerichteten und verschwörungstheoretischen Inhalten von Anonymous.Kollektiv distanziert.

Compact ein Honeypot?

Gegenüber Motherboard bestätigte das LKA Berlin vor kurzem, dass der Staatsschutz gegen die Hetzseite Migrantenschreck.ru ermittelt—jene Seite, die auch auf Anonymousnews.ru Werbung schaltete und die auch Anonymous.Kollektiv bei ihrem Start im Mai dieses Jahres auffällig prominent beworben hatte. Ob zwischen den in beiden Fällen anonym agierenden Betreibern ein Zusammenhang besteht, ist allerdings nicht bekannt.

Der Blogpost könnte dabei aber in der Tat auch echte Neuigkeiten enthalten. Denn er bestätigt explizit, dass es zwischen Anonymous.Kollektiv und Compact eine „Kooperation" gab—so zumindest aus Sicht von Anonymous—, was Beobachter schon länger vermuten: Tatsächlich fand sich auf der Facebook-Seite von Anonymous.Kollektiv, die vor ihrer Abschaltung fast zwei Millionen Fans verzeichnete, häufig Werbung für das Compact-Magazin und ein Aufruf, das Blatt als Abonnement zu kaufen.

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Doch wie kam es zu dem Verrat unter aufrechten Patrioten? Der geheimnisvolle Anonymous-Informant fährt fort: „Aufgrund der politischen Verfolgung in der BRD lebe ich bereits seit geraumer Zeit im Ausland. Die Hinweise an das LKA Berlin seitens COMPACT, die insbesondere auch meinen Wohnsitz betrafen, zwangen mich, kurzfristig mit Frau und Kleinkind einen Umzug zu organisieren."

„Maulwurf des BRD-Regimes"

Was ist da los in Conspiracy County? In einer Szene, in der so oft die Einheit von allem und jeden beschworen wird, dass man nur davonlaufen will, riecht es gerade streng nach Spaltung. Und wie bei jeder ordentlichen Spaltung treten diejenigen auf den Plan, die es schon immer gewusst haben: dass es zuvor schon Anzeichen gab; dass man der anderen Partei sowieso nie getraut hat; dass es nur eine Frage der Zeit war etc.

Laut Anonymousnews.ru bestehe der Verdacht, dass Compact korrumpiert und Elsässer ein „Maulwurf des BRD-Regimes" sein könnte, schon länger. Beispielsweise zeige der Compact-Chef bis heute eine unerschütterliche Nähe zum Pegida-Boss Lutz Bachmann, der bereits von irgendwem auf irgendeinem Blog als V-Mann bezeichnet wurde. Auch habe er neulich einen Homosexuellen in seiner Zeitschrift schreiben lassen, schreibt der Autor weiter, und durfte außerdem schon mehrmals zu einem Militärputsch in Deutschland aufrufen, ohne dafür in Isolationshaft zu verschwinden—alles höchst verdächtige Zusammenhänge.

Auch die Kommentatoren des Posts auf Anonymousnews.ru scheinen die Vorwürfe gegen Elsässer ohne größere Zweifel anzunehmen. Dass die Beweisführung des Autors absolut hanebüchen ist, scheint hier die wenigsten zu jucken. Mit gewohnt lautstarken Argumenten wird nun—wie sonst gegen „linksgrünversiffte Systemlinge"—gegen Elässer und seine Clique Stimmung gemacht.

Ein User auf der VK-Seite von Anonymous.Kollektiv bringt die allgemeine Verwirrung auf den Punkt, die die Situation selbst bei eingefleischten Followern hervorruft: „Gibt es irgendjemanden, den man noch vertrauen kann? Morgen steh ich vorm Spiegel, sehe mich an und ruf die Polizei, um mich selbst anzuzeigen."