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Mit diesem Exoskelett können vollständig gelähmte Ratten wieder laufen

Die ersten menschlichen Testläufe mit dem Robo-Anzug sind für den kommenden Sommer in Lausanne geplant.
Bild: Screenshot; EPFL

Das europäische Gemeinschaftsprojekt NEUWalk hat eine Technik entwickelt, mit der das defekte Rückenmark von gelähmten Ratten erfolgreich reanimiert werden kann. Mit Hilfe ferngesteuerter Impulse konnten die Ratten wieder normal laufen und sogar Treppen steigen.

Laut den Wissenschaftlern der Eidgenössischen Technischen Hochschule (EPFL) in Lausanne ist das System nahezu einsatzbereit für menschliche Testläufe. In den vergangen Jahren gab es einige beeindruckende therapeutische Erfolge für partiell gelähmte Patienten, während die Fortschritte bei Heilmethoden für vollständig Gelähmte leider immer noch ziemlich bescheiden sind.

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Mit Hilfe der elektrischen Impulse einer epiduralen Rückenmarkstimulation (EES) konnten Forscher in der Vergangenheit zwar einige Anfangserfolge bei Nagetieren und auch Menschen mit Rückenmarksverletzungen verzeichnen, aber mit Hilfe von Stromschlägen natürliche Bewegungsabläufe zu ermöglichen, ist selbstverständlich eine komplizierte Angelegenheit.

Die Forscher weisen auch in ihrer aktuellen Studie erneut darauf hin, dass extrem präzise und schnelle Stimulationen erreicht werden müssen: Bis jetzt waren „manuelle Anpassungen der Pulsbreite, Amplitude und Frequenz in der EES-Behandlung nötig." Wenn du jedoch versuchst wieder zu laufen, dann sind kontinuierliche manuelle Justierungen keine besonders praktische Sache.

Wir haben die vollständige Kontrolle über die Hinterbeine der Ratte.

Das europäische Forscherteam hat Algorithmen entwickelt, die Feedback für Beinbewegungen in Echtzeit generieren und integrieren können, so dass sich die Bewegungsabläufe zumindest natürlich anfühlen. Zumindest so weit man in diesem Forschungsprojekt von normalen Umständen sprechen mag. Es geht schließlich immer noch um Ratten mit durchtrenntem Rückenmark, die mit Elektroden verbunden sind und von fortschrittlichen Algorithmen gesteuert werden.

Bild: Screenshot; EPFL

„Wir haben die vollständige Kontrolle über die Hinterbeine der Ratte", sagt der Neuowissenschaftler Grégoire Courtine in einem Statement:

„Die Ratte selbst hat keinen unmittelbaren Einfluss auf ihre Gliedmaßen, aber das durchtrennte Rückenmark kann reaktiviert und stimuliert werden, so dass natürliche Gehbewegungen möglich sind. Wir können in Echtzeit steuern, wie sich die Ratte vorwärts bewegt, und wie hoch sie ihr Bein hebt."

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Der erste Schritt lag in der Feinabstimmung des EES-Pulses, so dass eine Steuerung der Feinmotorik des Gangs möglich ist. Dafür haben die Forscher gelähmte Ratten in eine Tretmühle gestellt und sie mit einem Robo-Geschirr unterstützt. Nach einigen Wochen hatten die Forscher ermittelt, wie sie das Nervensystem der Ratten präzise stimulieren können, so dass die Tiere eine Tatze vor die nächste setzen.

Laut den Forschern ist ihr Ergebnis nicht weniger als ein geschlossenes System, dass Gelähmten wieder das Laufen ermöglichen wird. Gleichzeitig betont Grégoire Courtine in dem EPFL-Video, dass sein Team zwar kein Mittel gegen Verletzungen des Rückenmarks gefunden habe, aber ein System entwickelt habe, dass schon bald auf menschliche Ausmaße hochskaliert werden könne.

Wenn alles nach Plan läuft, werden die menschlichen Testläufe im Sommer 2015 in dem Institut in Lausanne beginnen: Mit einer speziell entwickelten Gangvorrichtung, einem Stützsystem für die Testpersonen und unzähligen Kameras und Sensoren, die Bewegung und Leistung überwachen.

Die Entwicklung eines Anzuges für Robo-Ratten klingt vielversprechend und könnte definitiv zu wichtigen medizinischen Durchbrüchen führen. Dennoch liegen noch Monate, wenn nicht gar Jahre, an experimenteller Entwicklungsarbeit vor den Forschern, bevor sie einem Menschen das Laufen ermöglichen werden. Es wird sich zeigen, wann die Technik wirklich tragbar und effektiv genug sein wird, um das erste Mal praktisch eingesetzt zu werden.

George Church, der wahnsinnige Genetiker aus Harvard, hat mir gegenüber einmal erklärt, dass jede neue, bahnbrechende Technologie einem Baby ähnelt: Vor den ersten Schritten, gelte es, das Krabbeln zu erlernen. Man dürfe es nie überstürzen. Seine Metapher könnte in dem aktuellen Fall der bahnbrechenden Exoskelett-Entwicklung kaum passender sein.