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Der Giftcocktail bei der jüngsten Hinrichtung in Ohio war ein elendes Experiment

Es gab Experten, die schon vorher prognostiziert hatten, dass die Injektion des neuen Giftcocktails qualvolle Probleme bereiten würde.
Bild: Zaldylmg, Flickr / Lizenz: CC BY 2.0.

Auf den ersten Blick liest sich das „Minuten-Protokoll" der Giftspritzen-Hinrichtung des verurteilten Vergewaltigers und Mörders Dennis McGuire, wie man sich den Ablauf in einer Todeskammer vorstellt:

16. 1.2014 10:12:13AM Das Todesurteil wurde verlesen

16. 1.2014 10:13:25AM Vollstreckungsbeamte haben mit den Fixierungsmaßnahmen begonnen

16. 1.2014 10:25:20AM Zwei Kanülen im rechten Arm, eine Kanüle im linken Arm; der linke Arm ist primär

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16. 1.2014 10:27:24AM Letzte Aussagen abgegeben

16. 1.2014 10:28:24AM Spritze #1 ist abgeschlossen 10:28:09

16. 1.2014 10:52:29AM Kein Herzschlag und keine Lungengeräusche zu hören

16. 1.2014 10:54:18AM Aufseher gibt den Zeitpunkt des Todes mit 10:53AM an

Wenn man sich das Protokoll näher anschaut wird vor allem eines klar: Es dauerte ungewöhnlich lang—über 20 Minuten—bis McGuire starb. Die Expertin für die Giftspritze, Debrah Denno, erklärte der New York Times vor kurzen, dass die Wirkung einer typischen Giftspritze „etwa 4 bis 5 Minuten braucht, wenn es richtig gemacht wird." ABC berichtet, dass die Hinrichtung McGuires die längste war, seit in Ohio die Todesstrafe vor 15 Jahren wieder eingeführt wurde.

Was in den offiziellen Papieren der Hinrichtung ebenfalls fehlt, ist die Qual, die der 53-jährige nach der tödlichen Injektion, die aus einem kontroversen Cocktail von zwei Mitteln bestand, erlitten haben muss. Ein Augenzeuge beschrieb, dass McGuire im Todeskampf keuchte und schnaubte, als die Kombination von Midzolam (ein Beruhigungsmittel) und Hydromorphone (Morphin-Derivat) in seinen Körper flossen. Es gab einen Zeitpunkt, da kämpfte McGuire damit, aufrecht zu sitzen.

Es war das erste Mal, dass die Midzolam-Hydromorphone Kombination in den USA verwendet wurde. Da keines der traditionellen Medikamente der Giftspritze zur Verfügung stand—Ohio hat seit 2009 kein Pentobarbitol mehr (welches in Dänemark hergestellt wird)—nutzte der Staat einen noch nie zuvor erprobten Cocktail. Verteidiger der Maßnahme und Anästhesisten geben gleichermaßen an, dass das kompromisslose Cocktail-Experiment dafür sorgen würde, dass McGuire sich „vor Schmerz und Luftnot krümmen" würde.

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„Es gab Experten in Ohio, die schon vorher gesagt hatten, dass das passieren würde," sagte Richard Dieter, der Direktor vom Todesstrafen Informationscenter, gegenüber Motherboard. „Diese Medikamentenkombination kann Sauerstoffmangel und Atemnot verursachen und der Insasse ringt nach der Zufuhr des Stoffes nach Luft. Und genau das ist jetzt passiert ist, soweit man das dem physischen Erscheinungsbild nach beurteilen kann."

Ohio wollte eigentlich Pentobarbital verwenden, fügte Richard hinzu, weil die Midzolam-Hydromorphone Kombination nicht die erste oder zweite Wahl für die Durchführung der Giftspritze in Ohio darstellt. Die Kombination wird eigentlich nur als ein Backup eingesetzt, wenn die Henker keine Vene bei ihrer Injektion finden können. Ohio wollte das Pentobarbital von einer Apotheke, die Rezepturarzneimittel herstellt, bekommen, aber ungefähr einen Monat vor der Hinrichtung wurde das gesetzlich unmöglich gemacht, sagte Richard. Das hat dem Staat keine andere Wahl gelassen, als auf das Backup-Verfahren zurückzugreifen. Das Büro des Staatsanwaltes gab an, dass kein Häftling in der Todeszelle das „Recht auf eine schmerzfreie Hinrichtung hat".

Richard gibt zu, dass es „von Anfang an Fragen gab". Ob die aktuelle Entwicklung nun ein einmaliger Unfall trotz der herrschenden Sorgfaltspflicht war, oder ob auch eine Fahrlässigkeit seitens des Staates festgestellt werden kann, bleibt zu untersuchen. Wenn es Letzteres festgestellt wird, dann hat Ohio gegen McGuires verfassungsmäßig verbriefte Rechte auf einen Schutz „vor grausamer und ungewöhnlicher Bestrafung" verstoßen. Richard bestreitet, dass Ohio „nicht wusste, was passieren würde, und dass es einfach nur nicht nach Plan verlief". Dennoch hat der Oberste Gerichtshof zuvor schon beschlossen, das ganze als „Experiment" zu bewerten. McGuire ist also kein Präzedenzfall.

Die amerikanische Bürgerrechtsunion ACLU fordert jetzt den Gouverneur auf, Hinrichtungen in Ohio zu stoppen und McGuires Familie strengt eine Zivilklage gegen den Staat an, der Richard aber nur geringe Erfolgschancen zugesteht.

In jedem Falle ist es unwahrscheinlich, dass in Ohio, oder einem der 32 anderen Staaten Amerikas, in denen die Todesstrafe legal ist, diese Medikamentenkombination jemals wieder benutzt werden wird.

(zusätzliche Recherche von Ben Richmond)