Schiffsysteme unter Beobachtung. Alle Bilder: Projekt Exodus
200.000 Euro kostet ein Flug bei Virgin Galactic in die Erdatmosphäre. Einen Ausflug ins Weltall mit Projekt Exodus gibt es dagegen ab heute schon für einen Bruchteil: Auf dem ausrangierten Lenkwaffenzerstörer Mölders in Wilhelmshaven spielen an diesem Wochenende 80 Rollenspieler die „narrative Struktur" der US-Fernsehserie Battlestar Galactica in der 2003er-Version nach—staatlich gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung.Für die nächsten fünf Tage verwandelt sich das alte stählerne Kriegsschiff dafür in das Frachtraumschiff „Hesperios", das der Menschheit—so will es der Plot—nach den SciFi-üblichen kosmischen Kriegen und Katastrophen als Charterflieger dient.Als die Crew aus 80 Zivilisten, Marines und Wissenschaftlern die Hilferufe einer Rettungskapsel auffängt, nimmt das Unheil seinen Lauf: Die Besatzung wird in einen Krieg mit feindlichen Zylonen verwickelt, die menschlichen Weltraum-Kolonien überfallen—und die wenigen Überlebenden werden zu Geretteten und Gefangenen zugleich.Dabei ist die Weltraum-Illusion auf dem ausrangierten Schiff ziemlich gut: Auf den schimmernden Radaren werden feindliche Raumjäger erkannt, die dann von der Crew der Kommandobrücke identifiziert werden können, bevor sie an Bord kommen. Die Brücke im oberen Stock des Schiffs ist in rotes Licht getaucht, das den Anschein einer permanenten Alarmbereitschaft signalisiert. Der graue Stahl des alten Schiffes vermittelt eine technisierte, unterkühlte Atmosphäre, die durch liebevoll gesetzte Details wie Weltraumabzeichen, ausgefeilte Kostüme und Dekorationen perfekt gemacht wird.Nach einem Tag Improvisationstheater-Workshops, der helfen soll authentischer in seine Rolle zu schlüpfen, werden die 80 Teilnehmer aus ganz Deutschland pro Tag sieben Stunden spielen.Die Mölders wird als Museumsschifff regelmäßig von Touristengruppen besucht. Für das Live Action Role Play (LARP) wurden zahlreiche Plexiglaswände entfernt und Extra-Räume zugänglich gemacht. Das Vorbild bei Projekt Exodus findet sich dabei im schwedische „Monitor Celestra". Dieses Konzept verfolgt das „Win to Lose"-Prinzip, bei dem es nicht um's Gewinnen geht, sondern um das kooperative Spielen. Im Battlestar Galactica-Setting bedeutet das: Die Gefahr, zu scheitern oder zu sterben, ist sehr hoch.Um das zu vermeiden, müssen die menschlichen Spieler ein paar goldene Regeln und Hinweise zum erfolgreichen Kampf um die Hesperios befolgen, zum Beispiel:In einem ausführlichen FAQ auf der Website werden den Raumfahrern letzte bange Fragen beantwortet, wie: „Was ist, wenn das LARP mit meinen Arbeitszeiten im Konflikt steht?" (Antwort: Nimm dir halt rechtzeitig Urlaub, aber das Reizwort Bildungsveranstaltung sollte den Urlaubsantrag erleichtern) oder auch: „Ich will aber einen Marine spielen!" (Antwort: Will doch jeder!)Wer auf welcher Seite spielt, wird nach Beantwortung eines Fragebogens vom Organisationsteam im Vorhinein ausgearbeitet, aber der Spielverlauf soll dennoch nicht komplett vorgegeben sein. Sowohl die gesamte Handlung als auch das eigene Schicksal liegen in der Hand der Spieler. Nicht in der Hand der Teilnehmer liegt allerdings der obligatorische dröge-pädagogische Teil, der das Rollenspiel zum Bildungsprojekt macht:„Da wir ein Projekt der politischen Bildung sind, wird es am Sonntag verpflichtend eine Reflexion des Erlebten geben."Das klingt erstmal abgrundtief unsexy, aber besser als Seminare und Stuhlkreise in Tagungshotels ist das Space-Wochenende auf der Kommandobrücke allemal. Und letztlich ist der Hintergrund auch nicht uninteressant: Für das Bildungs-LARP im Battlestar Galactica-Universum entschieden sich die Macher, weil „das Setting von Ronald D. Moores Battlestar Galactica-Reboot in sich eine sehr clevere und mutige Perspektive auf die Politik und Gesellschaft der USA nach dem 11.September 2001 beherbergt." Auch um Problematiken der europäischen Flüchtlingspolitik soll es gehen.Die Veranstaltung ist verständlicherweise schon restlos ausverkauft, aber wer mag, kann sich am Sonntag (8.2.) nach Wilhelmshaven aufmachen und beim „Museumstag" von der liebevoll restaurierten Brücke der Besatzung zusehen, wie sie sich in galaktischer Diplomatie übt. Also frohes Morden. Und achtet auf euren Toast!
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- Bildet Dreiergruppen. Wenn einer von euch ein Zylon ist, habt ihr eine gute Chance, ihn zu überwältigen.
- Wenn jemand mit einer Eisenstange im Bauch in einer Ecke herumliegt: Es ist unwahrscheinlich, dass er nur ein kurzes Nickerchen macht.
- Wenn du schon töten musst: Ermorde deine Opfer in einem stillen Seitengang oder in einem abgeschlossenen Raum ohne Zeugen. Zeugen sind unpraktisch und müssen ebenfalls beseitigt werden. Das führt zwangsläufig zu logistischen Problemen.
- Offene Wunden sind ebenfalls unpraktisch. Sorge für einen Tod ohne Spuren zu hinterlassen. Gift und andere heimtückische Methoden sind perfekt. Auch wenn du kräftig sein solltest, ein Toter mit einer Eisenstange in der Brust fällt zwangsläufig auf.
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