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Dürfen wir vorstellen: Alex Neil, das größte Trainertalent der Insel

Neil führte Norwich souverän in die Premier League. Dass er Schotte ist wie Sir Alex Ferguson, ist bestimmt kein Zufall.
Foto: PA Images

Alex Neil ist in Großbritannien aktuell in aller Munde. Alex wer? Alex Neil, die vielleicht größte Trainerhoffnung der Insel seit Sir Alex!

Neil begann die letzte Saison noch als Spielertrainer in der ersten schottischen Liga (Scottish Premiership) bei Hamilton Academical. Am Ende des Jahres, mittlerweile beim englischen Zweitligisten Norwich City angekommen, hatte er dann den besten Punkte-pro-Partie-Wert von allen Trainern im englischen Profifußball. Ach so, und er ist nebenbei mit Norwich in die Premier League aufgestiegen und hat seinem Verein damit einen Deal in Höhe von rund 170 Mio. Euro an Land gezogen. Und das alles mit gerade mal 34 Jahren.

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Diese Leistung ist übrigens umso höher einzuschätzen, wenn man bedenkt, dass sein Engagement bei Hamilton seine allererste Trainerstation war. Er war außerdem der drittjüngste Trainer der letztjährigen Football-League-Saison (die Football League umfasst die zweite, dritte und vierte englische Liga) und gewann 74 Prozent seiner Spiele bei Norwich (sein Vorgänger kam zum Vergleich auf nur 42 Prozent).

Der junge Kerl hat also schon eine Menge Meriten auf seiner Seite. Wir sollten aber nicht vergessen, dass auch schon in der Vergangenheit viel Hype um junge Premier-League-Trainer gemacht wurde, von denen aber mittlerweile kaum einer mehr spricht. 1997 führte etwa ein gewisser Danny Wilson im Alter von gerade mal 37 Jahren Barnsley in die Premier League. Nachdem er später dann bei Sheffield Wednesday weitesgehend erfolglos blieb, ward er nicht mehr im englischen Fußballoberhaus gesehen. Aktuell hat er gar keinen Verein.

Ähnliches lässt sich über Aidy Boothroyd sagen, der mit Watford in der Saison 2007/08 aufstieg. Da war er gerade einmal 35 Jahre alt. Mittlerweile muss er sich mit dem Posten als Trainer der englischen U20-Nationalmannschaft begnügen, nachdem er zuvor erfolglos versucht hat, mit der League-2-Mannschaft Northampton in die dritte Liga aufzusteigen.

Auch wenn er damals nicht mehr wirklich jung war, taugt auch Phil Browns Karriereknick als gutes Beispiel. Nachdem er 2008 mit Hull City den Aufstieg schaffte, muss er mittlerweile deutlich kleinere Brötchen backen. Zwar hat er in diesem Jahr mit Southend den Aufstieg in die League 1 geschafft, ist damit aber weiterhin Lichtjahre von den Ehren eines EPL-Trainers entfernt.

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Eines der Probleme von Trainern, die den Aufstieg in die Premier League geschafft haben, besteht darin, dass viele im Vereinsumfeld davon ausgehen, dass man auch noch eine Spielklasse höher denselben Zauber wie im Aufstiegsjahr versprühen kann. Wie wird sich Alex Neil schlagen? Seine Championship-Statistik ist auf jeden Fall ziemlich beeindruckend. Von 25 Spielen konnte Neil 17 gewinnen, wodurch der Verein aus Ostengland den direkten Wiederaufstieg geschafft hat.

Unter Alex Neil sah man seine Mannen vor allem das tun. Foto: PA Images

Doch Norwich hat das alles schon einmal erlebt. Sie wurden 2011 von einem vielversprechenden schottischen Trainer von der League 1 bis in die Premier League geführt, wo dieser dann mit Norwich auch den Klassenerhalt schaffte: Die Rede ist von Paul Lambert. Kaum war Lambert aber bei Aston Villa, konnte er an seine früheren Erfolge nicht mehr anknüpfen. Er sollte den Midlands-Klub aus dem grauen Tabellenmittelfeld herausführen, musste aber gehen, als man darin noch tiefer als vorher feststeckte.

Was Neil-Anhänger vorsichtig machen sollte: Als Lambert in die Premier League aufstieg, gab es fast denselben Hype um seine Person. Doch der ist mittlerweile längst verflogen.

Doch der Vergleich zwischen Lambert und Neil hinkt natürlich eh, auch wenn nicht unbedingt zu Neils Vorteil. Denn Lambert kann auf eine glänzende Karriere als Spieler zurückblicken, gekrönt durch den Gewinn der Champions League mit Borussia Dortmund im Jahr 1997. Und bevor er bei Norwich anheuerte, hatte er bereits vier Jahr im Trainergeschäft auf der Habenseite. Im Gegensatz dazu liest sich Neils Lebenslauf deutlich überschaubarer. Als Spieler stand er nur bei Barnsley, Mansfield und Hamilton Academical unter Vertrag. Auch seine Trainererfahrung ist wie gesagt dünn. Im Alter von 31 Jahren wurde er bei Hamilton Spielertrainer und stieg mit dem Verein in die Scottish Premiership auf, wo er auf Platz drei stehend von Norwich abgeworben wurde. Doch bisher hat ihm der Mangel an Erfahrung keineswegs geschadet. Doch er hat auch „richtige" Stärken.

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Die bestehen vor allem im Teambuilding. Ihm wird nämlich ein ausgezeichneter Zugang zu den Spielern nachgesagt. Besonders deutlich wurde das bei Sebastian Bassong, der Anfang der letzten Saison schon als aussortiert galt. Er wurde an Watford ausgeliehen, was die meisten Experten glauben ließ, dass seine Tage bei Norwich gezählt wären. Doch Neil holte ihn zurück, wusch ihm ordentlich den Kopf und machte den Kameruner zu einem wichtigen Bestandteil der Aufstiegsmannschaft.

Auch bei der Vereinsführung erfreut sich Neil großer Beliebtheit. So traut ihm Klubpräsidentin Delia Smith durchaus zu, eines Tages ein neuer „Sir Alex'' zu werden. Bei solchen Vorschusslorbeeren ist auch klar, warum sie ihm erst kürzlich einen langfristigen Vertrag angeboten haben.

Von den drei Aufsteigern werden Norwich die besten Chancen ausgerechnet, die Klasse zu halten: So bringen sie deutlich mehr Erstligaerfahrung als Bournemouth mit und sind dabei deutlich eingespielter als Watford.

Der Norwich-Kader ist nämlich gespickt mit Spielern, die bereits in der Premier League gespielt haben—viele von ihnen sogar schon für Norwich in deren Abstiegssaison 2013/14. Auch bei den Sommertransfers wurde darauf geachtet, dass die Spieler möglichst viele EPL-Spiele auf dem Buckel haben. Die bisherigen Neuzugänge Robbie Brady, Youssef Mulumbu, Andre Wisdom und Graham Dorrans haben zusammen schon über 350 Premier-League-Spiele bestritten.

Wer ist also Neil Adams? Ein junger Kerl, der einfach nur eine Menge Glück hatte? Wohl kaum. Es gibt einen Grund dafür, warum Norwich so viel Vertrauen in einen 34-Jährigen mit so dünnem Lebenslauf gesteckt hat.

Fragt man seine Spieler, dann hört man stets, dass Neil ruhig und unaufgeregt arbeitet und sein Team mit viel Optimismus führt. Diesen Optimismus strahlt er auch auf die Fans von Norwich aus, die dieses Jahr wirklich mal vom Klassenerhalt überzeugt sind. Und wenn ihm das gelingt, was käme dann? Wer weiß, vielleicht wird er wirklich der nächste „Sir Alex".