Anti-Kater- und Party-Tipps von dem Mann, der Kurt Cobain tätowierte

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Niederländisch bei MUNCHIES NL.

Das Universum hasst betrunkene Menschen, ein Kater ist der ultimative Beweis dafür. Egal wie viel Spaß du hattest, das Gefühl am Morgen nach einer alkoholgeschwängerten Nacht macht das alles jäh zunichte. Henk Schiffmacher, der partyerprobte Patriarch der holländischen Tattoo-Szene, der nach eigenen Angaben schon Stars wie Kurt Cobain, Pearl Jam und die Red Hot Chili Peppers tätowiert hat, kennt dieses Gefühl am Morgen danach nur zu gut.

MUNCHIES: Hey Henk. Wir sind in dem Restaurant, wo du am liebsten deinen Kater bekämpfst. Hast du gerade einen?
Henk Schiffmacher: Nein, bist du verrückt, ich bin ein alter Mann. Ich trinke einen Drink und sobald ich ein bisschen zu laut werde, packt mich meine Frau an den Ohren und schleift mich nach Hause. Außerdem muss ich übermorgen nach Sizilien, also gehe ich es ruhig an.

Und dort wirst du ordentlich trinken?
Ja, durchaus möglich. Ich trinke generell ziemlich regelmäßig. Jeden Tag trinke ich gut sechs große Bier, meist am späten Nachmittag, aber ich werde nicht betrunken. Das passiert meist, wenn ich im Ausland bin, oder wenn wir Gäste aus dem Ausland zu Besuch haben. Wenn sich Tätowierer treffen, kann es ziemlich heftig werden. Wir haben alle ein großes Maul und leben nicht gerade gesund. In Tokio bin ich mal mit 25 anderen Tätowierern in die Yen Bar gegangen. Die hatten eine gute Schnapssammlung da: Wodka, Tequila, Rum, Pfefferminzlikör, Whisky. Wir haben Flasche für Flasche ausgetrunken, so viele Kurze haben wir bestellt. An diesem Abend habe ich zum vierten Mal geheiratet. Danach hatte ich einen ziemlich heftigen Kater. [lacht]

Wann hattest du deinen schlimmsten Kater?
Ich kann mich an einen richtig schrecklichen erinnern. Ich war noch jung und bin durch Asien gereist. Ich war in Malaysia, in Pineng, und wartete noch auf Geld für einen Auftrag für die [holländische Zeitschrift] Nieuwe Revue. Unser Equipment, all unsere Kameras waren sicher in einem Schließfach eingeschlossen und ich ging in eine Bar: Ich brach mit allen islamischen Regeln und besoff mich regelrecht.Am Ende landete ich mit mit einer asiatischen Frau in einer Opiumhöhle.Am nächsten Morgen bin ich mit dem schlimmsten Kater, den ich je hatte, aufgewacht. Auch irgendwie psychisch: Ich hatte meine Papiere bei mir, mein letztes Geld und die Schlüssel zum Schließfach mit all unserem Equipment. So dumm. Die Prostituierte war schon weg, am Anfang dachte ich, sie hätte alles geklaut. Doch dann fand ich alles in meinem Schuh. Anscheinend hatte ich das Zeug da reingestopft, um es zu verstecken. Das sind die schlimmsten Katermomente: wenn du aufwachst und das Gefühl hast, etwas richtig Dummes getan zu haben oder etwas Schreckliches zu jemandem gesagt zu haben. Wie dem auch sei, der Kater war noch nicht vorbei: Ich hatte mir eine Geschlechtskrankheit eingefangen, ein angerissenes Vorhautbändchen, das sich entzündete, und habe zwei Tage lang Galle gekotzt.

Wenn du in den Niederlanden verkatert aufwachst, dann frühstückst du hier. Wo sind wir hier?
Im Ysbreeker, nicht weit von meinem Haus.

Und hier gibt es das beste Katerfrühstück?
Ich bin einfach realistisch. Wenn ich verkatert bin, will ich nicht bis ans andere Ende der Stadt laufen. Hier kann ich auf dem Weg zur Arbeit zu Fuß oder mit meinem Roller vorbeischauen. Und sie haben wirklich ein großartiges Frühstück.

Was bestellst du normalerweise?
Einen uitsmijter [Strammer Max]. Das Brot ist ein Mehrkornbrot von Hartog, der besten Bäckerei Amsterdams. In Kombination mit einem leckeren Spiegelei und Schinken ist das ein richtig herzhaftes Sandwich. Und ein Spiegelei ist außerdem die beste Belohnung für einen Mann, wenn er sich in der Nacht zuvor richtig verausgabt hat. Wenn dir deine Frau ein Ei brät, weißt du, dass du gut warst. Natürlich ist es auch wichtig, sich nach einer Nacht mit viel Alkohol etwas Gutes zu essen zu gönnen.

[Die Kellnerin kommt.]

Ich nehme einen uitsmijter und kannst du eine gute Bloody Mary machen? Genau das will ich, mit einem doppelten Wodka. Und kannst du deine Kollegen in der Küche fragen, ob sie ein paar Scheiben gebratenen Speck in die Bloody Mary machen können?

Bloody Mary mit Speck?
Ja, gebratener Speck. Man muss Fleisch reintun, damit kann man den Geschmack wunderbar verbessern.

Verdammt ist das lecker. Es stimmt, was die Leute sagen: Man schlägt den Kater immer noch am besten mit seinen eigenen Mitteln. Man muss das trinken, was man am Abend zuvor getrunken hat. Ich trinke oft Wodka—früher, als ich jünger war, locker eine Flasche am Tag—, eine Bloody Mary ist also perfekt für mich. Ich bestelle den Speck dazu, weil ich das aus dem besten Anti-Kater-Drink kenne, den ich je getrunken habe. Das war in Texas nach einer wilden Party mit ein paar Tätowierern, die Oliver Peck organisiert hatte. Der Drink nannte sich „Fuck You Hangover". Irgendjemand sollte diesen Drink mal hier machen. Moment, ich mal es dir kurz auf.

Das war die ultimative Bloody Mary. Die war riesig, mit einem doppelten Wodka und allen möglichen Sachen auf Spießen: ein kleiner Hamburger, ein Stück Fleisch, Trauben, Sellerie und Speck. Das war Frühstück und Anti-Kater-Mittel in einem.

Hat das geholfen?
Ja, na klar. Das hilft und macht dich gleich wieder fertig, weil der Tag gerade erst angefangen hat.

Als du das letzte Mal etwas gegen deinen Kater tun musstest, was war das vorher für ein Abend?
Jesus, gar nicht mal ein so schlimmer. Mein Leben ist mittlerweile anders als früher. Als ich jünger war, war es wilder. Wir haben immer viel in Amsterdam getrunken. Ich hatte dieses riesige Stahlboot, circa acht Meter lang. Damit sind wir rausgefahren [durch die Kanäle] und haben unterwegs bei Clubs angehalten. Wir haben versucht, auf dem Vorderdeck Lines zu ziehen, während wir durch die großen Wellen fuhren, die die anderen Boote auf dem Fluss aufgeworfen hatten. Ein Wunder, dass wir nie mit einem anderen Schiff zusammengestoßen sind und nie verhaftet wurden.

[Das Essen kommt.]

Dieses Mehrkornbrot ist gut für die Verdauung. Aber vorsichtig, wenn du zu den Leuten gehörst, die gerne mal ordentlich furzen, musst du aufpassen, dass du nicht alles vollscheißt.

Ist dir das mal passiert?
Ja, das passiert jedem, der am Abend zuvor zu viel getrunken hat. Dein Stuhlgang leidet am meisten unter dem Kater. Das passiert mir, wenn ich verschiedene Biersorten mische—insbesondere amerikanische Biere wie Budweiser, die viele Chemikalien enthalten. Das ist mir schon öfters passiert: Ich musste furzen—mitten in der Stadt, in einer Bar, nachts oder sogar tagsüber—und hab mir in die Hose geschissen. Wenn das passiert, kannst du nur deine Unterwäsche entsorgen, dir den Arsch waschen und nach Hause gehen. In den 80ern ist das, glaube ich, häufiger vorgekommen, als Kokain mit Abführmitteln vermischt wurde.

Du hast da etwas Ei im Bart. Ist das nicht störend, mit einem Bart zu essen?
Ich vergleiche meinen Bart immer mit Büschen, die um ein altes Haus herum wachsen. Die Vögel bauen sich dort ihr Nest. Mein Bart fängt kleine Teile meines Tages ein. Ein paar Dinge kann ich nicht gut essen, Bouillabaisse zum Beispiel. Ich esse sie, aber sehr vorsichtig. Wenn etwas richtig lecker ist, dann werde ich richtig leidenschaftlich, ich verliere regelrecht die Kontrolle. Alles muss rein, selbst wenn ich dafür meine Hände und Füße benutzen muss. Mit den Händen zu essen mag ich übrigens am liebsten. In Singapur habe ich Reis mit Curry gegessen, es war so lecker. Mein ganzes Gesicht war bis zu den Ohren damit voll. Mein Bart war tagelang gelb!

Moment… hast du da ein Tattoo von deinem Frühstück auf dem Arm?
Ja, ein Spiegelei. Ich habe es mir in den USA machen lassen, als es plötzlich verboten war, Eier mit flüssigem Eigelb zu essen, weil es einen Salmonellen-Ausbruch gab. Ich meinte nur: „Echt jetzt? Ein Land, in dem man halbautomatische Waffen kaufen kann, will man mir vorschreiben, wie ich mein Frühstück zu essen habe?" Tätowierer befolgen nicht gern Regeln. Ich dachte, es wäre ganz lustig, diesen Moment auf meinem Arm festzuhalten.

Hast du nach einem alkoholgeschwängerten Abend jemals ein Tattoo auf deinem Körper gefunden, ohne zu wissen, wie es dort hingekommen ist?
Wenn wir die ganze Nacht durchfeiern, dann lassen wir uns ein Tattoo stechen. Hier, das hier. Ein paar andere Tätowierer und ich haben ordentlich getrunken und wir haben den „Eat My Pussy Club" gegründet, also haben wir uns alle eine Vagina mit dem Schriftzug „eat more pussy" tätowieren lassen. Menschen machen oft solche Sachen. Vor Kurzem kamen ein paar Jungs in den Laden und hatten ein paar komische tanzende Penisse auf dem Arm tätowiert. Die hatten sie sich auf einer Party stechen lassen. Heutzutage denken die Leute lange und intensiv darüber nach, was sie sich auf die Haut stechen lassen wollen. Aber früher, da sind die Jungs im Schipperkwartier [einem Viertel] in Antwerpen ausgegangen und kamen mit einem Tattoo zurück, ohne dass sie wussten, wie oder warum sie dazu kamen.

Kannst du dich oft nicht mehr an die letzte Nacht erinnern?
Es gab Zeiten, da bin ich drei Tage lang weg gewesen. Ich habe keine Ahnung, wo ich war. Und als ich aufwachte, stand da einen halbleere Pfanne mit Hundefutter in der Küche. Ich war ziemlich dicht und hatte mich anscheinend dazu entschieden, etwas zu kochen, nachdem ich nach Hause gekommen war. Wahrscheinlich dachte ich, ich mache mir gerade ein leckeres Kotelett oder sowas.

Also hast du Hundefutter gegessen?
Anscheinend. Aber ich kann gut was ab.

Als erfahrener Trinker, hast du irgendwelche Tipps und Tricks für sicheres Trinken?
Nicht aufgeben, wenn du den Schlüssel in die Tür steckst. Einmal habe ich zu tief in eine Flasche Mezcal geschaut, ich wollte den Wurm finden. Dann wachte ich bei grellem Tageslicht auf, als mir jemand auf die Schulter tippte. Er fragte mich, ob ich meine Beine mal woanders hinlegen könnte, damit er sein Auto parken kann. Ich lag vor meinem Haus auf dem Fußweg. Ich hatte wohl keinen Bock mehr, es weiter mit dem Schlüssel zu probieren, also habe ich einfach dort geschlafen. Im Sommer ist das kein großes Ding, aber im Winter ist so etwas gefährlich, man spürt die Kälte nicht. Und: Niemals Besteck mit den Spitzen nach oben in den Geschirrspüler stellen. Meine Frau ist einmal reingefallen, als wir betrunken waren, und als sie aufwachte, steckte ihr eine Gabel im Arsch. Niemals betrunken putzen, Glühbirnen auswechseln oder auf eine Leiter steigen. Das Gleiche gilt für Hammer, Sägen oder Storm. Und nirgendwo hochklettern. Ich habe das nie selbst gemacht, aber schon gesehen, wie so viele Unfälle passiert sind.

Mein letzter Tipp ist auch wichtig! Du kannst alles schnupfen und trinken wie du willst, so lange du immer noch Folgendes machen kannst: Erstens, Essen kaufen. Zweitens, deine Rechnungen bezahlen. Und drittens, pünktlich zur Arbeit gehen und einigermaßen funktionieren. Sobald eines davon nicht klappt, bist du süchtig.

Wie bist du, wenn du betrunken bist?
Ich bin echt witzig, andere sehen das aber vielleicht anders. Ich schnappe mir locker meinen Roller und drehe eine Runde um die Bar, wenn ich betrunken bin. Und ich habe den Eindruck, dass ich anders betrunken werde, als die Leute um mich herum. Viele Holländer sitzen am Anfang des Abends in einer Ecke der Bar, schauen sich um und wenn sie ein bisschen was intus haben, zeigen sie ihren, ich nenne das so, „holländischen Mut". Ganz plötzlich kommen sie an, klopfen dir auf die Schulter und nennen dich beim Vornamen. Das macht mir nichts aus, so lange man sich auch nüchtern schon so verhalten hat. Wenn du einen Drink brauchst, um den Mut zu haben, mich anzusprechen, dann mag ich dich nicht.

Ich bin ein bisschen neugierig: Wird der Kater schlimmer, wenn man älter wird?
Ja und nein. Heutzutage habe ich selten einen Kater, weil ich anders trinke. Wenn man älter wird, kommt man mit Exzessen nicht mehr so klar, das ist zu anstrengend. Würde ich heute noch so trinken wie damals mit 25, bräuchte ich den Rest der Woche, um mich zu erholen. Es ist also nicht unbedingt so, dass der Kater schlimmer ist, der Exzess ist weniger geworden. Heute trinke ich vor allem belgisches Bier, Jenever und, wenn ich richtig betrunken werden will, Wodka. Das sind alles ziemlich „saubere" Drinks, also bekommt man keinen Kater, nicht so wie bei Cocktails, Sangria oder Pastis, das Zeug hat tonnenweise Zucker. Jesus, wenn ich früher Pastis getrunken hatte, fühlte ich mich am nächsten Tag, als hätte mir jemand mitten in der Nacht eine Axt in den Kopf gerammt und die Axt steckte auch am Morgen noch drin. Das Zeug in Asien konnte auf eine Untertasse geben, anzünden und dann als Nachtlampe nutzen, so stark war das.

Ich bin jetzt 65, also kann ich viel besser mit Alkohol umgehen. Ich habe nur noch ab und zu einen leichten Kater, nichts all zu Schlimmes, nur ein kleines komisches Gefühl im Magen und das Verlangen nach einer Tasse Kaffe oder einem Glas Wasser. Und das hilft mir auch künstlerisch, gerade auch wenn ich Sachen mache, die eine gewisse Konzentration abverlangen, zum Beispiel Zeichnen oder Malen.

Danke Henk!