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Drogen

Gras-Apotheker erzählen von ihren schlimmsten Kunden

"Es gibt viele, die hier reinkommen und sich benehmen wie im Süßwarenladen."
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung des Autors

Für Cannabis-Freunde sieht es in Kanada immer angenehmer aus. Premierminister Justin Trudeaus Plan, Marihuana zu legalisieren und den Verkauf in rechtlich geordnete Bahnen zu lenken, hat dazu geführt, dass allein im letzten Jahr in Toronto Dutzende Apotheken eröffnet haben. Eigentlich ist der nicht-medizinische Verkauf noch untersagt, doch diese neuen Firmen scheinen sich darauf zu verlassen, dass sich die Rechtslage ändern wird, bevor man ihnen den Prozess machen kann. Die Polizei von Toronto hat bereits Razzien in Dutzenden Gras-Apotheken durchgeführt, doch ein wirkliches System ist dabei nicht ersichtlich. Die meisten verkaufen einfach unbeirrt weiter.

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In der rechtlichen Grauzone, in der sich die Firmen bewegen, boomt das Geschäft. Die Läden unterscheiden sich untereinander stark, doch in den meisten ist es heutzutage sehr einfach, an ein Gramm Gras zu kommen. Angesichts des rapiden Wandels ist es für die Kunden allerdings eine ziemlich neue Erfahrung, in einem adretten kleinen Laden Gras zu holen statt im Keller eines Kumpels. Die Kiffer müssen also oft erst noch die richtige Etikette lernen. Wir haben in Toronto einige Verkäufer in Marihuana-Apotheken, "Budtender" genannt, nach ihren schlimmsten Kunden gefragt.

VICE: Was für nervige Dinge machen eure Kunden so?
Samson*: Manchmal kommen hier Leute rein, die in jedes Glas reinschnuppern wollen. Die Glas-Schnupperer sind witzig, bis es irgendwann nicht mehr witzig ist. Es gibt viele, die hier reinkommen und sich benehmen wie im Süßwarenladen. Jede Sorte einfach aus Spaß mal begutachten. Das kann man auch mal machen, aber vielleicht nicht unbedingt, wenn total viel los ist.

Brian*: Es gibt Seiten, auf denen man recherchieren kann. Wenn du so viel Leidenschaft für Gras hast, dass ich mich 45 Minuten lang mit dir unterhalten muss, dann geh mit dieser Leidenschaft bitte erstmal zu Hause ins Internet.

Sasha*: Die ganze Situation hat die Leute in Weed-Snobs verwandelt. Sie kommen rein und glauben, sie wüssten alles, nur weil sie schon gekifft haben, bevor die Legalisierungswelle kam. "Platinum? Das ist nicht dasselbe Platinum wie letzte Woche." Jetzt, wo es Apotheken und jede Menge Auswahl gibt, führen sich die Leute auf wie totale Kenner und lassen sich nichts von mir sagen. Das ist nervig, vor allem wenn diese Leute 23 sind. Ich kiffe ja nur seit 23 Jahren, aber sonst.

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Sean*: Es ist auch ziemlich nervig, wenn Kunden einen beschuldigen, man würde sie abziehen, als ob wir sie ernsthaft um 0,1 Gramm bescheißen, um das für uns zu behalten. Sie maulen uns an, wenn nur noch kleine Buds übrig sind. Sie wollen immer die großen Buds, auch wenn doch nach dem Grinden alles genau gleich ist.

Wie benehmen sich die Leute häufig daneben?
Samson: Wenn wir sie auffordern, sich bei uns anzumelden, wollen sie, dass wir die Regeln für sie brechen. "Hey, Mann, ich hab meinen Ausweis nicht dabei." Ich bin nicht der Typ, der ständig alles durchgehen lässt. Ich halte mich gern an die Regeln.

Brian: Sagt einer, der gerade im Weed-Geschäft steht.

Samson: Wenn die Cops hier reinkommen und sehen, dass du nicht einmal einen Ausweis vorgezeigt hast, dann haben sie nur noch einen weiteren Grund, den Laden dicht zu machen. Wir können nicht an den falschen Stellen versuchen, die Grenzen zu verschieben. Wir hören schon immer von Zivilbullen, die in den Laden kommen. Sie hören sich um, was die Leute so kaufen, was wir machen und was wir anbieten.

Andrea*: Bei uns kommen Leute in ihren 50ern an und sagen: "Findest du vielleicht, ich sehe aus wie 19? Warum zur Hölle soll ich meinen Ausweis vorzeigen?" Das ist buchstäblich die einzige Vorschrift, die wir haben. Niemand muss sich bei uns registrieren, wir wollen kein Rezept sehen, wir behalten noch nicht einmal deine Daten. Wir wollen einfach nur sehen, dass du einen Ausweis dabei hast, und die Leute reagieren so verdammt seltsam darauf.

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Hm, von paranoiden Kiffern hat man ja auch schon gehört … Kann es in eurem Job auch mal zwielichtiger werden?
Samson: Wir sind ja in der Branche "medizinisches Marihuana", und weil Marihuana gleichzeitig noch als Droge gilt, glauben viele, wir hätten Zugang zu allen Drogen. Man hat uns schon gefragt, ob wir Koks besorgen können. Man hat uns gefragt, ob wir Meth besorgen können. "Habt ihr auch Heroin?" Das wollten schon viele wissen.

Brian: Der Meth-Konsument war ziemlich überrascht, dass wir ihm nicht helfen konnten.

Samson: Das hier ist keine "Einstiegsbranche" für härtere Sachen oder so.

Sasha: Ich bin keine Expertin und kann auch keine Diagnosen stellen, aber ich würde sagen, hier kommen schon viele mit Borderline-Persönlichkeitsstörung rein. Wenn du irgendwelche Angststörungen hast und mit den Leuten in der Welt nicht so gut klarkommst, aber mit ein bisschen Sativa kannst du den ganzen Nachmittag vor dem Fernseher chillen und mich nicht nerven, dann solltest du auch an Sativa rankommen dürfen. Geh und nimm zu Hause deine Medizin, mach die Sachen, von denen es dir besser geht, und lass mich dafür in Frieden.

Habt ihr schon das Gefühl gehabt, in Gefahr zu sein?
Andrea: Da war dieser eine Typ. Ich weiß nicht mehr, worum es in der Auseinandersetzung ging, aber als wir ihn höflich baten zu gehen, wurde er richtig ekelhaft. Er ging raus und spuckte an unser Fenster und drohte damit, nach Feierabend auf unsere Chefin zu warten. Es kommen schon ein paar unheimliche Leute zu uns.

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Tim*: Erzähl' ihm von dem Kerl mit dem Messer.

Andrea: Dieser Typ kommt rein und steht in der Ecke, wo ihn die Kameras nicht erfassen. Er wartet, bis Tim irgendwo hinten zu tun hat und nur noch wir beide im Verkaufsraum sind. Er hat seine Hände in der Hose und zieht dieses Messer raus, vielleicht 15 Zentimeter lang, und hält es hinter seinem Rücken. Ich sehe Tim und mache eine Geste. Tim geht direkt auf ihn zu, schüchtert ihn ein, und schubst ihn einfach rückwärts zur Tür raus. Als er draußen war, konnte man sehen, wie er sich umdreht und überlegt, es doch nochmal zu probieren. Es war so beängstigend.

Das klingt, als sei euer Job wirklich kein Zuckerschlecken. Warum macht ihr das hier?
Samson: Wir versuchen, die öffentliche Wahrnehmung zu ändern. Es wird immer Leute geben, die die Nase rümpfen, aber wir versuchen das hier wirklich wie eine Apotheke zu behandeln. Für uns ist es ein Geschäft und so wollen wir es auch betreiben und uns dabei die Mentalität erhalten, dass es um eine Arznei geht.

Sasha: Wir helfen gern Leuten. Manche Menschen, die zu uns kommen, sind wirklich krank. Sie kaufen Rick-Simpson-Öl [dem basierend auf Rick Simpsons eigener Erfolgsgeschichte starke Heilwirkung zugeschrieben wird]. Diese Leute zittern teilweise so sehr, dass ich die Formulare für sie ausfülle. Und deswegen bin ich sehr froh, dass wir hier sein können.

Sean: Ich liebe es, Cannabis-Anfängern helfen zu können, den richtigen Weg zu finden und die richtigen Produkte und Konsummethoden zu wählen. Dann kommen sie wieder und bedanken sich, weil es ihnen wirklich etwas gebracht hat.

Ganz sicher habt ihr auch sehr viele sympathische Menschen hier.
Matthew: Einmal kam diese 65-jährige englische Dame mit, als ihr Sohn sich bei uns anmeldete. Sie stand am Tresen; ich schätze, sie hatte sich schon irgendwann vorher angemeldet, denn sie lehnte sich vor und flüsterte in ihrem englischen Akzent: "Haben Sie etwas, das richtig gut für Sex ist?" Wir hatten damals Love Potion, also habe ich ihr das verkauft.

*Namen geändert, um die Anonymität der Budtender zu bewahren. 

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