Die „grüne" Seite der amerikanischen Gefängnisse
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Die „grüne" Seite der amerikanischen Gefängnisse

In vielen amerikanischen Gefängnissen wird Nahrung als Mittel verwendet, um die Insassen zu kontrollieren. Durch das Sustainability in Prisons Project können Häftlinge seit einigen Jahren ihr eigenes Essen anbauen und darüber hinaus einen größeren...

Henry Kissinger, der ehemalige nationale Sicherheitsberater der USA, sagte einmal: „Wer die Nahrung kontrolliert, kontrolliert die Menschen." Nirgendwo trifft das mehr zu, als in einem Gefängnis. In einer Umgebung, in der der Körper so streng reguliert ist, ist Nahrung ein mächtiges Instrument für Disziplin und Dominanz. Ob diese Art der „Disziplin" gerecht oder vertretbar ist, wird intensiv diskutiert. Horrorgeschichten über verrottetes, kaltes oder ungenießbares Gefängnisessen gibt es zahlreiche, und es nicht noch nicht lange her, dass Häftlinge aufgrund einer ungewöhnlichen Strafe, die sich „Nutraloaf" nennt, das Vermont Department of Corrections vor Gericht brachten. Nachdem die alte „Brot und Butter"-Methode in der modernen Gesellschaft nicht mehr ausreicht, wird Insassen tage- oder wochenlang dieser fade, aber nährstoffreiche Block statt der normalen Mahlzeiten serviert, um die Insassen davor abzuschrecken, Unruhe zu stiften.

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nutraloaf

Nutraloaf

Während manche Angestellte amerikanischer Gefängnisse Essen als ein notweniges, ja gar humanes Mittel zur „Verhaltensänderung" sehen, haben andere bemerkt, dass die Wirkung auf die Gesellschaft als Ganzes viel langanhaltender ist, wenn man den Inhaftierten die Verantwortung und Bemächtigung überlässt, ihr eigenes Essen zu produzieren. Das Sustainability in Prisons Project ist ein Rehabilitationsprogramm, das Insassen dabei helfen soll, „Gutes zu tun, während sie ihre Zeit absitzen", indem sie nachhaltige Praktiken und ökologische Forschungsprojekte umsetzen und zu „grünen" Themen unterrichtet werden. Aktivitäten des Projekts reichen von der Zucht gefährdeter Schmetterlingsarten, zu Imkerkursen und Schulungen über grüne Energie, in denen den Häftlingen gezeigt wird, wie man ein Solarpanel installiert. Für die Allgemeinheit ist es vielleicht recht schwierig, sich vorzustellen, dass der typische tätowierte Fiesling aus dem Gefängnis zarte Kokons pflegt oder sich einen Imkeranzug überwirft. Aber seit Beginn hat das Projekt mit mehreren tausend Freiwilligen pro Jahr phänomenale Erfolge gefeiert.

Photo by Benj Drummond

Das SPP fing als Partnerschaft zwischen dem State Department of Corrections und dem Evergreen College, das als „Hippie"-Institution mit einer Elefantenrüsselmuschel als Maskottchen bekannt ist, an. Mittlerweile wurde das Projekt aber von den ursprünglichen vier auf zwölf Gefängnissen in Washington ausgeweitet und in fünf weiteren Bundesstaaten umgesetzt. Was SPP von anderen landwirtschaftlichen Rehabilitationsprogrammen unterscheidet, ist sein holistischer Ansatz zu Nachhaltigkeit und die Rolle, die den Insassen bei der Gestaltung der Programme zukommt. Die Projektmanagerin Kelli Bush sagt, dass die Häftlinge „in unserer Arbeit als Partner" behandelt werden, als „aktive und geschätzte Teilnehmer in der anhaltenden Erforschung, wie man wichtige Umweltprobleme lösen könnte". Das gibt den Häftlingen ein Gefühl von Stolz und schafft ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das über die Gefängnisgrenzen hinaus geht, indem es die Reintegration nach der Entlassung unterstützt. Wie ein Insasse in einer kürzlichen Evaluation der Effektivität des Programms schrieb: „Man muss an etwas Größerem teilhaben, an etwas Größerem als Verbrechen."

Von Anfang an war das SPP darum bemüht, eine Gemeinschaft rund um das Thema Nachhaltigkeit zu bilden, von der alle Beteiligten profitieren können: Studenten und Professoren des Evergreen College haben ein einzigartige, stabile Umgebung für Nachhaltigkeitsforschung, Umweltschützer freuen sich über wiederhergestellte Lebensräume und Spezies, regionale Gemeinschaften profitieren von dem gespendeten überschüssigen Essen und einem allgemein gesünderem Nahrungsmittelsystem, Gefängnisangestellte sehen die Wirkung der Rehabilitationsprogramme und die Häftlinge spüren den psychologischen sowie körperlichen Nutzen, den sie daraus ziehen, draußen mit lebendigen Dingen zu arbeiten. Früher nannte man das „fresh air treatment" und die Idee dahinter war, dass die Insassen gezwungen wurden, im Garten zu arbeiten, damit sie ihre Taten ,,bereuen". Es war mehr Teil der Strafe, als absichtliche Rehabilitation, aber die Gefängniswärter beobachteten, dass die Insassen, die ihren Körper und ihren Geist mit einer Arbeit beschäftigten, viel ruhiger und kooperativer waren und früher entlassen wurden.

Photo by Shauna Bittle.

Mit der Privatisierung der Gefängnisse fiel auch die Nahrungsversorgung in die Hände der Unternehmen. Farmen und Felder der Gefängnisse wurden an Agrounternehmen verkauft und viel Geld, das vorher in die Rehabilitation floss, wurde jetzt in den Bau neuer Gefängnisse gesteckt, die sich hauptsächlich in ländlichen Gegenden befanden, wo die regionale Landwirtschaft kollabiert war. Aramark ist das größte Nahrungsdienstleistungsunternehmen für Gefängnisse, das über sechshundert Gefängniscafeterias in den ganzen USA versorgt. Profit aus Häftlingen zu schlagen, ist an sich schon sehr problematisch, aber ihre Nahrung und ihren Konsum zu kontrollieren, ist schlichtweg skrupellos, egal ob diese Kontrolle nun offen durch die Cafeteria oder implizit durch „Verhaltensanreiz"-Programme, bei denen Insassen für gutes Betragen belohnt werden, ausgeübt wird. Die Privatisierung des Nahrungsmittelsystems der Gefängnisse hat sich nicht nur auf den Profit ausgewirkt. Es hat Häftlinge von aktiven Teilnehmern der Rehabilitation zu Kapital verwandelt, zu einer finanziellen Belastung, die minimiert oder einer Einnahmequelle, die manipuliert werden muss. Projekte wie SPP wollen diese Trend umkehren und die Häftlinge bemächtigen, selbständige Communitys und nachhaltige Lebensmittelsysteme zu bilden, die sowohl der Region als auch den Häftlingen selbst zugute kommen.