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Umwelt

Der Umweltschutz heizt italienischen Pizzabäckern ordentlich ein

In Italien führt man derzeit einen erbitterten Kampf gegen jegliche Emissionsquellen und erklärt—sehr zum Unmut der Einwohner—auch auf den ersten Blick völlig harmlose Einrichtungen zum erbitterten Feind: Pizzerien.
Hilary Pollack
Los Angeles, US
Foto von Garrett Ziegler via Flickr

Stell dir vor, du bist Bürgermeister einer kleinen Stadt und willst die Luftqualität verbessern und Emissionen reduzieren. Wo fängst du an? Bei den Lkw, die sich Tag für Tag durch deine Stadt walzen und mit ihren Abgasen die Luft verpesten? Oder bei den kleinen Fabriken, die alles in einen ständigen Kohle- und Rauchnebel hüllen?

In Italien führt man derzeit einen erbitterten Kampf gegen jegliche Emissionsquellen und erklärt—sehr zum Unmut der Einwohner—auch auf den ersten Blick völlig harmlose Einrichtungen zum erbitterten Feind: Pizzerien.

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Zum Glück trifft das nicht jede Pizzeria. Aber in San Vitaliano, einem Städtchen mit 5.000 Einwohnern in der Nähe von Neapel, dem (umstrittenen) Geburtsort der Pizza, hat der Bürgermeister verfügt, dass Restaurants und Bäckereien ihre Öfen in den nächsten drei Monaten nicht mehr mit Holz befeuern dürfen, es sei denn, sie haben spezielle emissionsreduzierende Filter installiert. Da ist den Einwohnern der letzte Bissen Pizza glatt aus dem Mund gefallen. Natürlich: Auch größere italienische Städte wie Florenz und Mailand tun alles gegen Umweltverschmutzung, indem zum Beispiel Verkehrbeschränkungen eingeführt wurden. An die wohl glorreichste kulinarische Tradition Italiens hat bisher aber noch keiner Hand angelegt.

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Was die ganze Sache noch verkompliziert: Italienische Pizzabäcker verstehen einfach keinen Spaß, wenn es um ihr Handwerk geht. Für sie gibt es nichts anderes als Holzbefeuerung: Nur so können die hohe Temperatur und die beste Backumgebung für eine perfekte Pizza erreicht werden. Im letzten Sommer hat der Verband der italienischen Pizzabäcker (Associazione Maestri d'Arte Ristoratori e Pizzaioli) der italienischen Regierung sogar ordentlich Druck gemacht, damit Pizzabäcker, bevor sie überhaupt die glorreichen Tomaten-Käse-Scheiben verkaufen können, zahlreiche Ausbildungen durchlaufen und eine offizielle Lizenz erwerben müssen. Die Regierung hat das übrigens ignoriert.

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Photo via Flickr user andredoreto

Foto von andredoreto via Flickr

Die Verordnung bleibt in San Vitaliano bis zum 31. März in Kraft; sie könnte aber verlängert werden, wenn sich die Luftqualität nicht verbessert. Restaurants und Bistros werden von der Polizei kontrolliert, bei Verstößen drohen bis zu 1.032 Euro Strafe.

Zugegeben, die kleine Stadt hat sicherlich ernsthafte Probleme mit ihrer Luft. Die Lokalzeitung Il Mattino berichtet, dass die Verschmutzung dort schlimmer ist als in Peking, das ja gerade erst wegen seiner Smog-Probleme in den Schlagzeilen war: Wer Atemwegsprobleme hat, wurde sogar angewiesen, das Haus nicht zu verlassen.

Holzrauch ist sicherlich gesundheitsschädigend, denn er wird—wie auch Zigaretten—mit Asthma, Bronchitis, Krebs, Lungen- und Herzkrankheiten in Verbindung gebracht. Aber nicht jeder ist überzeugt, dass die Pizzerien Schuld an der schlechten Luft in San Vitaliano sind. Einwohner und Pizzabäcker haben vor dem städtischen Rathaus gegen die Verordnung demonstriert. Ihre Argumente: Der Erlass schadet den Unternehmen der Stadt und in Neapel, wo weitaus mehr Pizzerien ansässig sind, ist die Verschmutzung trotzdem wesentlich geringer.

„Ich bin einfach nur schockiert. Das ist doch lächerlich. Die wollen nicht, dass wir Pizza backen?", beschwert sich Massimiliano Arrichiello im Il Mattino. Ihm gehört die Pizzeria Taverna 191 in San Vitaliano: „Jeden Tag machen wir hier 34 Pizzas. Und wir sollen für die Umweltverschmutzung verantwortlich sein?".

ARTIKEL: Das Jahr in Pizza

Italiens Umweltprobleme haben sich in den letzten Jahren durch die heißen Sommer und die geringen Regenmengen beunruhigend verschlimmert. Berichten der Europäischen Umweltagentur EEA zufolge hat die Luftverschmutzung allein im Jahr 2012 zu 84.000 Todesfällen in Italien geführt.

Aber wenigstens sind sie mit einem Stück Pizza in der Hand gestorben.