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Klimwandel

Der größte Gefrierschrank der Welt schmilzt

Über Generationen haben einheimische Gemeinschaften unterirdische Eiskeller verwendet, um ihr gejagtes Fleisch über längere Zeiträume aufzubewahren. Doch der Klimawandel macht ihnen einen Strich durch die Rechnung.
Photo via Flickr user Procsilas Moscas

Wenn man in Norden Alaskas lebt, braucht man keinen Gefrierschrank. Mit Außentemperaturen, die regelmäßig unter der -15°C Grenze fallen, kann man sein Fleisch einfach vor der Tür einkühlen.

Über Generationen verwendeten einheimische Gemeinschaften in Alaska, Nordkanada und Russland Keller, um ihr Fleisch zu lagern, das sie beim Walfisch-, Walross-, Rentier- und Fischfang erbeutet hatten. Der größte Teil der alaskischen Wildnis ist mit Permafrost bedeckt und deshalb ist der einfachste und effektivste Art und Weise, Fleisch von Bakterien fernzuhalten, ein Loch zu graben und es in unterirdischen Fleischkellern zu lagern.

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Wieso sind die Fleischkeller der einheimischen alaskischen Gemeinschaft mitten im Winter voller Schneematsch? Der Übeltäter ist—surprise, surprise—der Klimawandel.

Laut eines aktuellen Berichts des National Geographic steigt die Temperatur in nördlichen Klimas nicht nur in unserer Atmosphäre, sondern auch 20 Meter unter der Erdoberfläche. Während die Lufttemperatur seit den 1950er-Jahren um 2,8 Grad gestiegen ist, waren es bei der Temperatur unter dem Erdboden in der gleichen Zeit 1,1 bis 1,7 Grad. In anderen Worten: Permafrost, der größte Gefrierschrank der Welt—wird in vielen Teilen der Arktis langsam zu Permamatsch.

Dieser Anstieg von 1,1 bis 1,7 Grad klingt zwar minimal, aber der einheimischen Bevölkerung von Alaska, die bereits in einem harschen Klima lebt und für die Frost eine wichtige Rolle für das Konservieren von Lebensmitteln spielt, bereitet er große Sorgen.

„Eiskeller instand zu halten, ist schon bei idealen Bedingungen extrem viel Arbeit. Ein Grund, weshalb Gefrierschränke heute häufiger verwendet werden, ist, dass es Tiefkühlräume gibt. Und die Leute haben mehr Geld und weniger Freizeit als vor 40 Jahren", sagte der Biologe des North Slope Borough, Craig George, zum National Geographic.

Praktische Überlegungen mal beiseite, das langsame Schmelzen wirkt sich auf jahrhundertealte Traditionen der einheimischen Völker Alaskas wie der Iñupiat aus. „Für die Iñupiat ist der Verlust ihrer Eiskeller nicht belanglos, da die Eiskeller ein wichtiges Element der Art, wie sie ihre Existenz bestreiten, darstellen", steht in einem anderen Bericht. Die gleiche Studie wies außerdem auf eine spirituelle Bedeutung der Eiskeller für viele einheimische alaskische Volksgruppen hin. Ein junges Iñupiat-Mädchen wird zitiert: „Man muss seinen Eiskeller sauber halten, weil der Wal sich nicht fangen lässt, wenn er keinen sauberen Ort zum Ruhen hat."

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Heimische Fischer, die stark von der Fischerei abhängig sind, fangen regelmäßig Wale, die bis zu 50 Tonnen schwer sein können. Es versteht sich wohl von selbst, dass ein Standard-Gefrierschrank, wie wir ihn kennen, als Lager nicht ausreicht. Deshalb bieten Fleischkeller so eine einfache und ökologische Aufbewahrungsmethode.

Mit dieser neuen Realität konfrontiert, müssen sich viele Walfänger in Gemeinschaften wie Barrow in Alaska mit anderen Kühlmethoden anfreunden. Manche der Walfänger teilen sich Tiefkühlräume mit Wissenschaftlern vom Naval Arctic Research Laboratory, andere haben Tiefkühltruhen, die mit Frachtschiffen in die Stadt gebracht wurden. Aber diese moderne Methoden haben sowohl kulturelle als auch kulinarische Auswirkungen, sagt der heimische Jäger David Brower zum National Geographic: „Im Keller wird das Fleisch langsam gereift, in einem Gefrierschrank nicht. Der Geschmack ist anders und es bricht aus unserer Tradition aus."

Mal wieder wird uns bewusst, dass der Klimawandel vor nichts Halt macht.