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Gefängnis

Alleine im Knast essen zu müssen ist eine Schande

An einem Ort zu schlafen, zu scheißen und beschissenes Essen runterzuwürgen macht wenig Spaß. Wie Häftlinge es dennoch schaffen, michelinsternverdächtige Gerichte zu kredenzen, lest ihr hier.
Foto: Sean Hobson | Flickr | CC BY 2.0

Gefängnisfraß ist für alle, die in Freiheit leben, ein Buch mit sieben Siegeln. Die Tage des Anstehens für eine Portion klebriger Haferschleim sind gezählt. Aber wenn Hafergrütze nicht mehr das Grundnahrungsmittel der Knackis ist, was essen sie dann? Ein Freund von mir, „Josho", ist ein ehemaliger Insasse, der schon ordentlich Erfahrung mit Gefängniscuisine in Großbritannien sammeln durfte. Laut seiner Meinung sind bearbeitetes Fleisch und Fertignudeln der neue Haferschleim. Und die täglichen Gerichte, die man den Insassen kredenzt, sind ideenlos und monoton. Aber damit nicht genug: Die Wartezeiten zwischen den Mahlzeiten können genauso unerträglich wie das Essen selbst sein.

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Obwohl ein neuer Häftling nicht erwarten kann, dass ihn hinter den Gefängnismauern üppige und vor Kreativität nur so sprühende Gerichte erwarten, gibt es doch gute Gründe dafür zu plädieren, dass ein jeder Mensch, unabhängig von deinen Ansichten zum Strafvollzugssystem, das Recht auf ein Essen haben sollte, das zumindest das Prädikat „essbar" erfüllt. Trotz all seiner Missetaten.

Josho erklärt, dass das gemeinsame Essen mit Mithäftlingen in britischen Gefängnissen schon bald der Vergangenheit angehören werde. Denn viele Gefangene müssen schon heute an demselben Ort essen, schlafen und scheißen—in ihrer Zelle. Dies führt wiederum dazu, dass die Gefangenen nicht einmal während der Mahlzeiten unter Leute kommen. Gleichwohl zeigen sich die Insassen so einfallsreich wie eh und je, indem sie etwa mit aus der Küche geklautem Essen handeln oder Teekessel als Kochgeräte benutzen.

MUNCHIES: Hey Josho. Was gab es an einem gewöhnlichen Tag zum Frühstück, als du noch gesessen hast? Hast du Haferbrei bekommen? Die einzige Art Haferbrei, die du heutzutage noch bekommst, ist getrockneter Hafer samt Milchpulver, die Teil deines Frühstückspakets sind. Jeden Abend zur Essenszeit hast du dein Frühstück für den nächsten Tag bekommen. Das hat Müsli oder eben Haferbrei beinhaltet, dazu gab's noch einen Karton H-Milch, Marmelade, Teebeutel sowie Zucker. Die Päckchen waren jedes Mal anders gefüllt, da sie von Insassen aus anderen Gefängnissen gepackt werden—manchmal hast du also zwei Teebeutel als Tagesration bekommen, an anderen Tagen dann fünf.

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**Wie schneidet denn Müsli mit *Gefängnisemblem* gegenüber Markencornflakes so ab?** Na ja, es kommt in einer kleinen Tüte abgepackt und schmeckt ehrlich gesagt nach Pappe. Nicht mal der liebe Gott weiß, wo das hergestellt wird. Wahrscheinlich in einem Land mit noch billigeren Produktionskosten als in China.

Also kein englisches Frühstück? Am Sonntag gab es—wenn man so will—eine Art englisches Frühstück. Aber toll sieht anders aus, weil das ganze Essen im Ofen gemacht wird—sie dürfen ja die Eier, Würste und den Speck aus Gesundheits- und Sicherheitsgründen nicht in der Pfanne braten. Um es auf den Punkt zu bringen: Sie wollen den Insassen kein heißes Öl anvertrauen, darum muss alles in den Ofen.

Wann waren die Essenszeiten? Mittag- und Abendessen sind die einzigen warmen Mahlzeiten am Tag. Das Mittagessen war immer zur Mittagszeit und das Abendessen um halb sechs. Für das Frühstück gibt es keine feste Zeit—du kannst selbst wählen, wann du vor deinem Hunger kapitulierst und dein Müslipaket aufreißt. Nicht dass es dich auch nur ansatzweise satt machen würde.

Was steht deiner Erfahrung nach typischerweise auf der Gefängnisspeisekarte? Du hast jeden Tag einen Zettel bekommen, den du ausgefüllt den Wärtern zurückgeben musstest. Es standen fünf Sachen zur Auswahl: halal, vegan, koscher, vegetarisch sowie Gerichte mit Fleisch. Und diese fünf Optionen standen für unterschiedliche Gerichte. An einem Tag konntest du beispielsweise zwischen Lasagne, einem Currygericht, Spaghetti Bolognese und Shepherd's Pie wählen. Wenn du mal aus Versehen vergessen hast, deinen Essenszettel auszufüllen, wurde auf deine Essensgewohnheiten keine Rücksicht genommen und du hast dann das bekommen, was noch übrig war.

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Glaubst du, dass die Gefängnisse in Großbritannien ihr Essensbudget klug verwalten? Sagen wir mal so, das Essen reißt dich nun wirklich nicht von den Socken. Fast alle Zutaten waren Tiefkühlkost oder kamen aus der Dose und das Essen war zudem schlecht gewürzt. Wahrscheinlich ist es aber gar nicht so leicht, für bis zu 5.000 Leute Essen zu kochen. Ich erinnere mich noch an den Anblick eines riesigen Topfes, in den das ganze Essen reingeschüttet wurde. Das hatte echt etwas von einem Hexenkessel! Es schmeckte wie das Essen in der Schulmensa einer beschissenen Schule. Die Gerichte wurden auch schnell monoton—was du am Montag bekommen hast, wurde dir eine Woche später vielleicht schon wieder am Mittwoch vorgesetzt. Obwohl wir am Freitag wenigstens immer Fish and Chips bekommen haben.

Das ist doch wenigstens etwas. Wie sahen die Wartezeiten und Portionen so aus? Nun ja, das Essen musste ja pünktlich ausgeteilt werden, weil ansonsten die Tage da drinnen total unstrukturiert sind. Meine Portionen waren immer OK. Ich kann aber nicht für die anderen sprechen. Dir stehen zwei Kellen von dem Essen deiner Wahl zu, was dich normalerweise satt macht. Aber wenn sie dich mal auf dem Kieker haben, bekommst du nur eine Kelle. Im Großen und Ganzen war alles in Ordnung, bis auf die langen Wartezeiten zwischen den Mahlzeiten und die Schlägereien, die in den Essensschlangen ausgebrochen sind.

Wo hast du deine Mahlzeiten eingenommen? In meiner Zelle. Zu den Essenszeiten haben die Wärter uns Zellenabschnitt für Zellenabschnitt rausgelassen und dann haben wir uns für die Essensausgabe angestellt. Danach wurdest du zurück in deine Zelle gebracht, wo dir eine halbe Stunde für dein Essen blieb. Im Grunde genommen isst, schläfst und scheißt du am selben Ort.

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Gemeinsame Mahlzeiten wären sicherlich eine gute Möglichkeit, sich mal auszutauschen? Das stimmt, aber andererseits können jederzeit Schlägereien ausbrechen, sei es in der Kapelle, im Fitnessstudio oder während der Zeiten, in denen du dich mit anderen Insassen treffen konntest. Es bedeutet also eine Gelegenheit weniger, bei der es zu Stress kommen kann.

Was für Sachen konntest du im knasteigenen Kiosk kaufen? Sie hatten die meisten Sachen, die du auch in einem normalen, kleinen Supermarkt kaufen kannst, bis auf Alkohol natürlich. Das heißt unter anderem Schokoladentafeln, Süßigkeiten, Chips, Fertignudeln, H-Milch, Saft, Thunfischdosen, Tabak und Papers.

Im Kiosk zu stöbern muss ja ein echtes Highlight im Knast gewesen sein. Leider gab's da nichts zu stöbern. Wenn sie uns da alle so reingelassen hätten, wäre es extrem chaotisch zugegangen. Jeder hätte jeden ausgeraubt. Nein, du erhältst stattdessen einen Zettel, auf dem du ankreuzt, was du haben willst. Das wird dir dann in die Zelle gebracht. Natürlich hing die Summe, die du ausgeben durftest, auch davon ab, welchen Status und wie viele Privilegien du dir im Gefängnis schon verdient hast. Abhängig davon konntest du rund 3, 20 oder 30 Euro pro Woche ausgeben.

Hast du jemals einen Fuß in die Küche gesetzt? Gefangene haben in der Küche nichts zu suchen, außer sie arbeiten da. Ich habe als Laufbursche gearbeitet, weswegen ich jeden Tag in der Küche war, um das Essen zu holen. Ich habe die Portionen abgezählt und auf die Essenswagen geladen, die ich dann zur Essensausgabe gefahren habe.

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Ist Küchenarbeit der beliebteste Job im Gefängnis? Absolut. Du darfst nicht vergessen, dass die Häftlinge im Gefängnis bis auf das Wegsperren der Mitinsassen so ziemlich alles alleine machen. Mal abgesehen von ein paar Küchenchefs, die das Zepter führten, haben die Gefangenen das Essen selber zubereitet. Die Personen mit einer Vorliebe für Essen haben natürlich versucht, in der Küche Arbeit zu finden, so wie ältere Personen lieber im Garten arbeiten wollten oder jüngere Insassen am liebsten im Fitnessstudio gejobbt haben. Die Arbeit in der Küche war unter den Häftlingen sehr beliebt, weil du so jeden Morgen an ein üppigeres Frühstück kamst und schon während des Kochens essen konntest. Aber vor allen Dingen konntest du so ziemlich alles Essbare aus der Küche mitgehen lassen.

Was hast du dann mit dem gestohlenen Essen angestellt? Manchmal hast du es gegen andere Sachen eingetauscht, aber in den meisten Fällen hast du es einfach in deinem Teekessel zum Kochen verwendet. Denn dafür dienten die Teekessel in unseren Zellen.

Wie genau? Du leerst das Wasser aus und benutzt den Metallboden des Kessels als Bratpfanne. Mit ein paar Ölresten aus einer Thunfischdose kannst du so beispielsweise Zwiebeln anbraten oder eben all das, was du in die Finger kriegen konntest. Wir haben dafür geklautes Essen aus der Küche, unser Mittag- und Abendessen oder Sachen aus dem Gefängniskiosk verwendet.

Ziemlich einfallsreich. Was für Sachen hast du damit gekocht und was passiert, wenn du mal erwischt wirst? Die Wärter wissen, dass wir in unseren Zellen kochen. Wenn sie dich dabei erwischen, kriegst du einen Rüffel, aber im Grunde ist die Sache ziemlich sicher. Ich habe nur die ersten sechs Monate das fertige Gefängnisessen gegessen. Danach habe ich nur noch Sachen gegessen, die ich vorher selber nochmal gekocht und verfeinert hatte. In einer Gruppe von fünf Personen haben wir das ganze Gefängnisessen zusammengetan und einer von uns hat es dann im Teekessel in seiner Zelle gekocht.

Hat es geschmeckt? Ja, sehr sogar. Wir konnten Gewürze aus der Küche auftreiben. Manchmal, wenn wir Glück hatten, konnte einer rohes Fleisch aus der Küche stehlen. Nachdem die halbe Stunde, die wir zum Essen hatten, um war, durften wir aus unseren Zellen raus und dann haben wir alle gemeinsam gegessen.

Oberstes Foto: Sean Hobson _| Flickr | CC BY 2.0_