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Apple will eine grüne Firma sein, ihre aktuelle Recycling-Politik bewirkt aber das Gegenteil

Der Umwelt zuliebe sollen Apple-Produkte „eines Tages“ nur noch aus recycelten Materialien erstellt werden – dabei könnte das Unternehmen schon heute so viel mehr tun, wie Motherboard vorliegende Dokumente zum iPhone-Schreddern zeigen.
Laptops
Bild: John Bumstead

Kurz vor dem Earth Day am 22. April hat Apple seinen Environmental Responsibility Report veröffentlicht, ein alljährlicher Versuch, sich selbst so gut wie möglich als fortschrittliches und umweltfreundliches Unternehmen darzustellen. Der Umweltbericht verspricht dieses Jahr Großes: Apple will langfristig den Abbau von seltenen Mineralien stoppen und in Zukunft iPhones und Computer herstellen, die zu 100 Prozent aus recycelte Materialien bestehen. Möglich soll dieses Vorhaben durch Innovationen in der Recyclingindustrie werden. Doch tatsächlich untergräbt Apple hinter den Kulissen jegliche Anstrengungen der Reparatur-Spezialisten, die Lebensdauer der Apple-Produkte zu verlängern.

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Dokumente, die Motherboard über den Freedom of Information Act erhalten hat, belegen, dass Apples aktuelle Methoden nicht zum grünen Versprechen passen. Momentan setzt der Technikriese alles daran, Recycler und Reparaturdienste von der umweltfreundlichsten Option überhaupt abzuhalten: Telefone und Computer vor dem Schrotthaufen zu retten.

Stattdessen zwingt Apple die Reparaturdienste, mit denen es zusammenarbeitet, iPhones und MacBooks zu verschrotten. Statt sie zu reparieren und ihr Leben zu verlängern, werden die ausrangierten Geräte zu kleinen Metallsplittern und Glasscherben geschreddert.

„Die Geräte werden manuell und mechanisch zerlegt und zu winzigen Stückchen Metall, Plastik und Glas geschreddert", hat Apples Recycling Program Manager John Yeider in einem Bericht aus dem Jahr 2013 für das Michigan Department of Environmental Quality mit dem Titel „Takeback Program Report" geschrieben. „Alle Festplatten werden zu konfettigroßen Stücken zerschreddert und dann sortiert. Danach wird das Material verkauft und für neue Produkte benutzt. Es gibt keine Wiederverwendung. Kein Sammeln von Ersatzteilen. Kein Weiterverkauf."

Auszug aus Apples Recycling Report im US-Bundesstaat Michigan von 2013

Natürlich ist Apple ein Hersteller und kein Recycling-Unternehmen. Die zwei Liam-„Recycling -Roboter" sehen in Werbespots zwar cool aus und sind PR-wirksam, doch tatsächlich können sie insgesamt nur 2,4 Millionen Telefone pro Jahr zerlegen. Allein im Jahre 2016 hatte Apple jedoch 215,3 Millionen iPhones verkauft. Auch wenn die meisten alten iPhones gar nicht zu Apple zurückgelangen, hätte Apple nicht die Kapazitäten, die Telefone zu recyceln.

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Doch in den USA werden Elektronikhersteller in die Verantwortung genommen und sind per Gesetz abhängig von ihrem Umsatz dazu verpflichtet, Tausende Tonnen von Elektronikschrott pro Jahr zu recyceln – dabei ist es egal, ob es sich um ihre eigenen oder fremde Produkte handelt. Um mehr über Apples Recycling-Praktiken herauszufinden, habe ich das ganze vergangene Jahr über Apples Recyclingberichte aus unterschiedlichen US-Bundesstaaten gesammelt.

Die Dokumente aus Missouri, North Carolina, Illinois, Maryland, Oklahoma, Washington, Michigan und Wisconsin, die wir dank der Anträge gemäß dem Gesetz über Informationsfreiheit erhalten haben, haben mehrere Vermutungen bestätigt:

A) Fast alle Recyclingprozesse von Apple werden an Dritte ausgelagert.
B) Apple-Produkte machen nur einen kleinen Teil der gesamten Recycling-Menge aus.
C) Apple hat tatsächlich sogenannte „Must-Shred"-Vereinbarungen mit Reparatur-Diensten, die es ihnen verbieten, Elektronikschrott wiederzuverwerten.

Laut diesen Dokumenten, die im Missouri Department of Natural Resources eingereicht worden sind, arbeitet Apple mit „drei landesweit unter Vertrag genommenen Recyclingunternehmen zusammen." Durch die angeforderten Informationen aus verschiedenen Bundesstaaten konnten wir die Unternehmen identifizieren: SIMS Recycling Solutions, ECS Refining und Metech Recycling. Einige Recycler, mit denen wir gesprochen haben, gehen jedoch davon aus, dass Apple mit weiteren Unternehmen zusammenarbeitet. Apple beauftragt außerdem Dynamic Recycling und Advanced Technology Recycling mit dem Sammeln von Geräten, die dann von anderen Unternehmen recycelt werden, und arbeitet mit einem Unternehmen namens call2recycle zusammen, das die Akkus recycelt, die in den Apple-Verkaufsstellen gesammelt werden.

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Auszug aus Apples Bericht an das North Carolina Department of Environmental Quality

Allein im Jahre 2012 hat SIMS beispielsweise in Michigan im Auftrag von Apple 412,25 Tonnen Material gesammelt. Davon waren jedoch nur 0,25 Tonnen über die Recyclingprogramme von Apple gesammelt worden. Der Anteil, der in Apple Stores gesammelt wurde, war so geringfügig, dass er in dem Bericht nicht mal aufgeführt wurde.

Apple hat entschieden, dass der gesamte Elektroschrott zerstört werden soll, selbst wenn einige Geräte oder Teile davon repariert, wiederverwertet und weiterverkauft werden könnten.

Auch wenn es nicht ungewöhnlich ist, dass ein Hersteller Dritte mit dem Recycling beauftragt, ist es aber wichtig, zu verstehen, wie das System funktioniert. Da diese Unternehmen für Apple arbeiten, hat Apple die volle Kontrolle darüber, was im Endeffekt mit dem gesammelten Elektroschrott passiert. Und Apple hat entschieden, dass der gesamte Elektroschrott zerstört werden soll, selbst wenn einige Geräte oder Teile davon repariert, wiederverwertet und weiterverkauft werden könnten. Apple sorgt also nicht nur dafür, dass Apple-Produkte nicht verwertet werden können, sondern ebenfalls dafür, dass alle gesammelten Geräte verschrottet wird.

Ein Report an Illinois von 2013

Die Dokumente aus Illinois zeigen, dass der Großteil der Produkte, die von Apple recycelt werden, aus Fernsehern, Druckern, DVD-Spielern, Videorekordern, Computern und Bildschirmen besteht. Das liegt daran, dass alte Geräte meistens schwerer sind und öfters recycelt werden und die Recycling-Rate vom Gewicht und nicht von der Gesamtzahl an Geräten abhängt. Dennoch gibt es auch viele MacBooks und iPhones, die wiederverwertet werden könnten, und im Endeffekt auch bei Reparatur-Spezialisten landen.

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„Die Elektronik-Behälter sind voll mit kaputten iMac und MacBooks, die aus wirtschaftlichen Gründen und wegen der Zertifizierungsanforderungen meistens weggeworfen statt repariert werden", erklärt John Bumstead. Er ist Refurbished-Händler und verkauft MacBooks, die er aus kaputten Geräten zusammenbastelt. Die bekommt er von Recyclern, die nicht mit Apple zusammenarbeiten.

Ein Dokument, das im September 2016 im North Carolina Department of Environment Quality eingereicht wurde, legt nahe, dass sich Apples Must-Shred-Politik in den vergangenen Jahren nicht verändert hat, selbst jetzt, wo sich das Unternehmen immer wieder gerne betont umweltfreundlich präsentiert. Denn auch hier heißt es: „Alle Geräte, die zum Recycling gesammelt werden, werden manuell und mechanisch zerlegt und zu winzigen Stückchen Metall, Plastik und Glas geschreddert. Die kleinen Teile werden nach Plastik, Metall und Glas sortiert und dann im Herstellungsprozess als Rohmaterial verkauft."

Oberflächlich betrachtet scheint das alles nicht so schlimm zu sein: Immerhin werden die Produkte recycelt. Und es ergibt Sinn, dass Festplatten zerschreddert werden, es geht ja auch um den Datenschutz.

Aber in der Praxis ist das voreilige Shreddern eines iPhones oder MacBooks einfach nicht die beste Lösung. MacBook-Festplatten können ausgebaut und erneuert werden. Und die Recycler, mit denen Apple zusammenarbeitet, werben allesamt für Tools zur Datenvernichtung, mit denen man Verbraucherdaten schützen kann, ohne direkt die restlichen Komponenten des Computers oder Smartphones zerstören zu müssen. Bumstead verkauft die Geräte von 2009 und 2010 immer noch für Hunderte von US-Dollar an Leute, die nach günstigen Laptops suchen.

„Apple beteuert, seine eigenen Produkte verantwortungsbewusst zu recyceln, und vielleicht tut es das auch mit den Geräten, die zur Firma zurückgelangen. Aber das trifft eben nur auf einen extrem geringen Prozentsatz der verkauften Geräte zu", erklärte er.

Sortierte Elektrogeräte kurz vor der Verschrottung bei ECS | Bild: Jason Koebler