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victim blaming

'ÖSTERREICH' findet, freizügige Frauen sind selbst schuld, wenn sie überfallen werden

Nach einem öffentlichen Auftritt kritisiert die Tageszeitung Kim Kardashian für ihr Äußeres – und bringt ihre Kleidung in Verbindung mit dem Überfall auf sie.

Foto: Century Blackflickr | by CC 1.0

Im Oktober 2016 wurde Unternehmerin und Reality-Star Kim Kardashian in einem Hotel in Paris überfallen, wo sie sich im Rahmen der Fashion Week aufhielt. Bewaffnete Männer waren in ihr Zimmer eingedrungen, bedrohten sie mit einer Waffe und fesselten sie. Sie selbst blieb letztendlich unversehrt, aber es wurde Schmuck im Wert mehrerer Millionen gestohlen.

Schnell kam damals die These auf, dass Kardashian selbst an dem Überfall schuld sei – immerhin postet sie auf Instagram und Snapchat gerne Selfies, auf denen sie natürlich auch teuren Schmuck trägt und ihren luxuriösen Lifestyle der Öffentlichkeit präsentiert. Schon war das Opfer zur (Mit-)Schuldigen geworden. Nach dem Überfall zog sich Kim Kardashian bis vor Kurzem größtenteils aus dem öffentlichen Leben zurück und postete im Gegensatz zu vorher nur wenig in den sozialen Medien.

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Spätestens mit dem Start der neuen Staffel von Keeping Up with the Kardashians ist sie jedoch wieder zurück in der Öffentlichkeit. Und wie gewohnt trägt sie dabei Kleidung, die ihre Figur betont. Alles ist wie immer. Man könnte auch sagen: Was nach einer kurzen Auszeit bleibt, ist die Gewissheit, dass sie sich nicht unterkriegen lassen hat.

Aber man kann natürlich immer auch eine weniger positive Message transportieren, die viel weniger mit Empowerment zu tun hat. Zumindest, wenn man es darauf anlegt und die verlängerte Mittäter-Rolle erneut thematisieren will.

So war am Montag ein Auftritt von Kim in einem tief ausgeschnittenen Shirt mit BH Grund genug für Österreich, die Frage aufzuwerfen, ob Kim denn nichts aus dem Überfall auf sie gelernt hätte. Schließlich würde sie sich ja immer noch freizügig und "halb nackt" in der Öffentlichkeit zeigen. Außerdem wird geschrieben, ihre "aufreizende Kleidung" sei unter anderem schuld an ihrem Überfall gewesen. Auf dem dazugehörigen Online-Portal oe24, das gerne ausführlich über den Weltuntergang oder Hitlers Flucht nach Argentinien berichtet, ist der Artikel übrigens nicht zu finden.

Die Frage, ob die Unternehmerin nicht überfallen worden wäre, wenn sie sich anders und zugeknöpfter kleiden würde, beantwortet Österreich nicht.

So bedient die Printausgabe von Österreich das altbewährte Muster des Victim-Blaming: Kardashian wird die Schuld an ihrem Überfall gegeben und zu allem Überfluss wird ihr Kleidungsstil damit in Verbindung gebracht. Die Frage, ob die Unternehmerin nicht überfallen worden wäre, wenn sie sich anders und zugeknöpfter kleiden würde, beantwortet Österreich dabei leider nicht.

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Was hätte Kardashian aus dem Überfall lernen sollen? Dass man sich als Frau gefälligst züchtig anzuziehen hat, wenn man nicht will, dass einem Gewalt widerfährt oder die Wertgegenstände abgenommen werden? Warum sollte sie nicht "trotz Horror-Überfall" tief blicken lassen? Zeugt nicht genau das von Standhaftigkeit? Und ging es womöglich nur darum, ein attraktives Bild von Kim Kardashian als Aufmacher zu bringen – und der Text ist ohnehin Nebensache?

Auf die Frage, was man sich bei Österreich bei diesem Artikel gedacht hat, haben wir bisher übrigens noch keine Antwort bekommen. Feststeht: Auch so mancher Twitter-User teilt diese Sicht der Dinge.

Derzeit steht im Raum, ob auch Gratiszeitungen wie Österreich künftig Presseförderung bekommen sollen. Österreich könnte in dem Fall mit bis zu 400.000 Euro gefördert werden. Der Grund dafür sei laut Medienminister Drozda, dass es bei allen Medien auch ordentliche Journalisten gebe. Das mag stimmen. Ob ein Medium mit der Ansicht, Frauen seien aufgrund ihres Erscheinungsbildes selbst für Gewalt gegen sie verantwortlich, in seiner Gesamtheit aber das Prädikat "ordentlich" verdient hat, bleibt zumindest fraglich.

Verena auf Twitter: @verenabgnr

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