Regie: Mike Adriano
Rating: 8
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Manche Leute sind gestraft mit unheilbaren Leiden, fehlenden Gliedmaßen, einem kleinen Penis … Aber mein Mitgefühl für diese Menschen hält sich in Grenzen, denn ich leide unter etwas, das schlimmer ist als alles, was sich in medizinischen Nachschlagewerken findet. Ich leide unter dem Fluch, im Flugzeug nie neben schönen Frauen zu sitzen.
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Ich bin schon mein ganzes Leben lang Vielflieger und in den letzten Jahren etwa vier- bis sechsmal pro Monat geflogen. Nur einmal, in den 90ern, habe ich neben einer hübschen Lady gesessen, doch war ich damals zu unsicher und zu schüchtern, um die Situation auszunutzen.
Ich bin Gangsitzer. Und was befindet sich neben mir? Der Mittelsitz. Wer bucht Mittelsitze, die billigsten im ganzen Flieger? Bauern. Schöne Menschen wählen keinen Mittelsitz. Sie wählen den Gang, um schnell vor denen in der Mitte fliehen zu können, oder das Fenster, um den großartigen Anblick unter sich zu genießen. Meine Mittelnachbarn waren die Fetten, Alten, Hässlichen, die unermüdlichen Redner, die verzogenen, heulenden, kotzenden kleinen Monster bemitleidenswerter Eltern. Einmal saß ich neben einem akkurat gekleideten japanischen Geschäftsmann aus Tokio, der kein Englisch sprach. Ich habe ihn zu einem zehnstündigen Wetttrinken aufgefordert; das war recht unterhaltsam.
Von diesem Mal abgesehen hatte ich aber einfach kein Glück mit meinen Sitznachbarn. Bisher jedenfalls. Bei meinem letzten Flug von Newark nach L. A. saß ich neben der MILF im Foto oben. Sie mag unscheinbar wirken, aber wie sagte schon Springsteen: „You ain’t a beauty, but hey, you’re all right / Oh, and that’s all right with me”.
Obwohl ich so viel reise, habe ich immer noch Angst vorm Fliegen. Ich möchte hier nicht auf die Details der Notlandung eingehen, die ich 1999 in Cincinnati erlebt habe, oder darauf, wie wir letzte Woche in Connecticut notlanden mussten, weil mein Flieger von Berlin keinen Sprit mehr hatte. Sagen wir einfach, dass ich meine Gründe habe, kein großer Fan vom Fliegen zu sein und ungeduldig auf die Erfindung der Teleportation warte.
Meist beginne ich bei den ersten Vorboten einer Turbulenz, meine Hände um die Armlehnen zu krallen. Meine MILF-Nachbarin auf dem Mittelsitz bemerkte das und legte ihre Hand auf meine, mich beruhigend, alles sei in Ordnung, ganz so, wie meine Frau es sonst tun würde. Ihre Freundlichkeit konnte mich von meinen Todesängsten ablenken, bis der Getränketrolley eintraf. Ich orderte vier Whiskeys für mich und fragte sie, ob sie mir Gesellschaft leisten wolle. Sie lehnte ab, aber ich bestellte trotzdem vier für sie; notfalls würde ich sie trinken.
Sie erzählte mir, sie sei seit drei Jahren abstinent.
Ich erzählte ihr, dass AA und NA vor zehn Jahren meine Lieblingsadressen gewesen seien, um Frauen aufzureißen und sie mit Alkohol und Drogen in meine Wohnung zu locken.
Sie lachte.
Eine halbe Stunde später hatte sie ihren ersten Whiskey auf.
Dann bot ich ihr von meinen Flugpillen an. Auch diese lehnte sie ab. Nach nicht mal einer Stunde rief sie nach dem Steward, um eine weitere Runde zu bestellen, und fragte mich, ob sie doch eine Tablette haben könne. Plötzlich plauderte sie ganz freimütig Geheimnisse aus. Sie erzählte mir, dass sie in den 1990ern in Australien als hochbezahlte Hostess bei einem Escortservice gearbeitet hätte und an Stelldicheins aller Art beteiligt gewesen sei, von Dreiern mit Paaren bis zu richtigen Orgien. Ich unterbrach sie mitten im Satz und schlug vor, irgendwohin zu gehen, wo es ein wenig intimer sei, auf die Toilette vielleicht. Dreimal lehnte sie ab und meinte, sie sei jetzt eine wiedergeborene Christin—eine reformierte Sexsüchtige, die schon seit sechs Jahren zölibatär lebe.
Ich zog die Tablettenflasche hervor, schwenkte sie vor ihrem Gesicht und bestellte noch mehr Drinks, um sie von ihrem Zölibat zu heilen. Meine Frau würde das verstehen, redete ich mir ein. Kurze Zeit später schilderte sie mir betrunken und in einer Lautstärke, die sicher selbst für den Piloten zu hören war, auf anschauliche Weise ihre unanständigsten Fantasien. „Weißt du, was mir wirklich gefällt?”, fragte sie.
Noch bevor ich antworten konnte, streckte die kleine Person auf dem Fenstersitz (die ich in den letzten drei Stunden gar nicht bemerkt hatte) ihren Kopf hinter dem Arm meiner neuen Freundin hervor und fragte: „Mami? Wovon redest du da?”
Gerade als sich der Schock auf meinem Gesicht breitmachte, wandten sich die beiden älteren Herrschaften vor uns mit bösen Blicken zu uns um, und fragten: „Ja, Liebes, wovon redest du da?”
Wir waren umgeben von ihrer gesamten Familie wiedergeborener Christen, und sie hatten alles mitangehört.
Ein Fluch!
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