Stell dir folgendes Szenario vor: Du befindest dich auf der griechischen Insel Mykonos, für den Flug dorthin und auch den Aufenthalt im Fünf-Sterne-Hotel musst du nichts bezahlen. Vor einem Monat bist du noch vor der Küste Cancuns herumgeschnorchelt und hast auf einer privaten Jacht übernachtet. All das hat dich keinen Cent gekostet. Das Leben ist schön.
Genau das scheinen sich viele Menschen von Miss Travel zu erhoffen, einer Dating-Seite, die vor allem reiselustige Singles ansprechen soll. Die Realität sieht natürlich etwas anders aus, der Service wird häufig dafür genutzt, um bezahlte Trips und Sex abzugreifen. Oder um Sex für eben jene Gratis-Trips einzutauschen.
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Ähnlich wie bei Sugar-Dating-Websites gibt es auch bei Miss Travel viele reiche, hauptsächlich ältere Männer, die vor allem junge Frauen umgarnen wollen. Das überrascht kaum, hat der Gründer von Miss Travel doch auch den weltweit größten Sugar-Dating-Service ins Leben gerufen. Anstelle von Taschengeld bieten die Männer auf Miss Travel allerdings exotische Orte für das erste Date an – etwa Bali, Dubai oder Las Vegas. Die Kosten dafür kann man sich auch teilen, muss man aber nicht.
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Laut Richard*, einem 43-jährigen Geschäftsmann aus Kroatien, sehen die Erwartungen der weiblichen User von Miss Travel ganz unterschiedlich aus – von Sex über Geschenke bis hin zu einem schönen, kostenlosen Urlaub sei da alles dabei. Richard selbst hält sich nie länger als ein paar Wochen an einem Ort auf. Während seiner drei Jahre als Miss-Travel-Mitglied hat er deswegen schon erste Dates in Mexiko, Australien, den USA, Italien, Kanada und auf den Bahamas erlebt.
“Ich habe nur eine Erwartung, nämlich Respekt”, sagt Richard. “Gute Stimmung, Freundschaft, Vertrauen – all das kann sich entwickeln.” Für seine Reise-Dates gibt der Geschäftsmann nie mehr als 3.000 Dollar aus. Und während er vor allem auf ein Abenteuer aus sei (wenn es zu Sex komme, dann komme es eben zu Sex, merkt er an), liege das langfristige Ziel in einer richtigen Beziehung.
“Meine ideale Partnerin ist in der Lage, genauso häufig zu reisen wie ich”, erklärt Richard. Einen bestimmten Typ habe er aber nicht: “Zum Glück komme ich mit allen Frauen zurecht, ganz egal, woher sie stammen. Die ganze Welt steht mir offen.”
“Zudem legen wir nahe, ein eigenes Hotelzimmer zu buchen und genügend Geld für die Heimreise auf dem Konto zu haben – falls doch etwas schiefgeht.”
Zum Zeitpunkt des Gesprächs steht Richard bei Miss Travel mit zehn potenziellen Reisepartnerinnen in Kontakt. Jetzt muss er nur noch herausfinden, welchen dieser Frauen er vertrauen kann. Bei Miss Travel auf ein Fake-Profil hereinzufallen, kann nämlich ganz schnell ernsthafte Konsequenzen haben.
Paige Berger ist die PR-Managerin von Miss Travel. Wie sie erzählt, gebe es bei dem Service keine expliziten Vorschriften, dafür aber eine Reihe an Sicherheitsrichtlinien. Den Usern wird zum Beispiel empfohlen, sich alle wichtigen Kontaktinformationen der Matches einzuholen, mit denen man reisen will. “Außerdem sollten Freunde und Bekannte wissen, wohin und mit wem man unterwegs ist”, sagt Berger. “Zudem legen wir nahe, ein eigenes Hotelzimmer zu buchen und genügend Geld für die Heimreise auf dem Konto zu haben – falls doch etwas schiefgeht.”
Der Schlüssel: keine Angst vor dem Ungewissen haben
Nichts schiefgegangen ist bei Jody Whalen und Daniel Bult. Die beiden Miss-Travel-User befinden sich heute in einer Beziehung und hatten damals kein Problem damit, sich mit einer fremden Person zu treffen, die 4.000 Kilometer weit weg lebt.
2016 wohnte die 51-Jährige noch im US-Bundesstaat Indiana, der 48-Jährige auf der Karibikinsel Grenada. Als zwei Geschiedene, die sowieso schon immer am Reisen waren, schrieben sie drei Monate lang online, bis Whalen in den Flieger Richtung Grenada und Bult stieg. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie noch nicht einmal die Stimme des jeweils anderen gehört.
“Ich hatte keine wirkliche Angst oder Bedenken”, erzählt Whalen. “Vielleicht wäre das vernünftig gewesen, aber ich hatte ihn ja gegoogelt und mich umfassend über ihn informiert.” Die beiden verstanden sich auf Anhieb und innerhalb eines Jahres kündigte Whalen ihren Job als Krankenschwester, verkaufte ihr Hab und Gut und verbrachte ihr Leben von da an mit Bult.
Am Ende können die Mitglieder von Miss Travel mit Sicherheit eine spannendere Geschichte erzählen als die meisten User normaler Online-Dating-Apps.
“Miss Travel hat sofort mein Interesse geweckt, weil ich gerne reise und es mag, eine Frau an meiner Seite zu haben”, erklärt Bult. “Warum also nicht diese beiden Dinge miteinander kombinieren?” Inzwischen lebt das Paar auf den US-Jungferninseln und plant einen Motorradtrip durch ganz Amerika.
Natürlich endet nicht jede gemeinsame Reise im Glück. Für viele Pärchen ist dieses Unterfangen sogar die erste richtige Zerreißprobe. Es heißt nicht umsonst, dass man unterwegs am meisten über einen anderen Menschen erfährt – und manchmal ist das eben zu viel. Aber egal, ob man sich nun auf einer Privatjacht verliebt oder seinen Frust in einer griechischen Kneipe ertränken muss, am Ende können die Mitglieder von Miss Travel mit Sicherheit eine spannendere Geschichte erzählen als die meisten User normaler Online-Dating-Apps.
*Name geändert
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