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Mit den Staatsgeldern für die Hypo-Alpe-Adria könnte man eine ganze Stadt bauen

Wenn ihr schon mal eure letzten 190 Euro beim Feiern ausgegeben habt, anstatt damit eure Rechnungen zu bezahlen, ist euch das Prinzip des sinnlosen Geldverschwendens vermutlich schon ein Begriff. Wenn ihr jetzt noch acht Nullen an die 190 Euro dranhängt, dann bekommt ihr die unglaublich absurde Summe von 19 Milliarden Euro, die gleichzeitig den Staatskosten im Rahmen des  Hypo-Alpe-Adria-Finanzsskandals entspricht. Weil wir aber generell kein Gefühl dafür haben, wie viel 19 Milliarden Euro sind, hat ein Studententeam der TU Wien eine fiktive Modellstadt geplant, die veranschaulicht, was mit einem solchen Mega-Budget alles möglich ist.

Seit Anfang Mai hat das mittlerweile 38-köpfige Team seine Zeit damit verbracht, eine wirtschaflich, infrastrukturell und sozial funktionsfähige Stadt zu planen. Das fiktive „Hypotopia” befindet sich dabei nahe am Zentrum des Übels, nämlich direkt beim Firmensitz der Hypo-Alpe-Adria in Kärnten—dem Ausgangspunkt gigantische Finanzskandal wofür man sich auch an Grundstückspreise von Klagenfurt zur Planung orientiert hat.

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Das utopische Stadtmodell soll dabei nicht nur die verrückten, verschwendeten Geldsummen greifbar machen, sondern auch ein zukunftsorientiertes und lebenswertes Stadtmodell schaffen. Ich habe mit der Raumplanerin des Projekts Aglaja Bitzinger gesprochen, und mir erklären lassen, wie sie mit Hilfe jeder Menge Unterstützern, Energie, Zigaretten und Kaffee eine urbane Utopie entwickelt hat, die zeigt, dass Menschen ein Teil einer Stadt sein können, die sich individuellen Wünschen und Bedürfnissen anpasst.

Graphik von  Milliardenstadt.at. Verwendet mit freundlicher Genehmigung

VICE: Wie leicht wäre es, eine Stadt wie diese zu bauen?

Aglaja Bitzinger: Das Problem ist hier einfach der Grund und Boden. Vieles ist ja bereits verbaut—man kann ja auch nicht einfach die Gebäude abreissen und was Neues hinbauen, wie man das zum Beispiel in China macht. Was man aber schon machen kann, ist einige der Prinzipien unserer Modellstadt zu übernehmen. Energieselbstversorgung, kurze Wege, alternative Verkehrsmittel und eine Förderung des Radverkehrs, die den Autoverkehr drastisch reduzieren würden, Nahversorgung, gut erreichbare Einkaufsmöglichkeiten—das sind alles Dinge, die schon heute wichtig sind und auch schon teilweise gefördert werden.

Wo könnte euer Modell errichtet werden?

Naja, im Prinzip benötigt man 12.7 Kilometer Stadtfläche. Überall wo diese Fläche ist und die erdlichen Begebenheiten stimmen, also nicht auf einem Gipfel oder einem Sandstrand. Unser Modell ist auf die österreichischen Begebenheiten angepasst, in südlicheren Ländern hätte man dann zum Beispiel mehr auf Sonnenenergie und Kollektoren gesetzt.

Kannst du die wesentlichen Merkmale der Milliardenstadt zusammenfassen, und würdest du sagen, dass „Hypotopia” mittlerweile ein Zukunftsprojekt ist?

Es ist definitiv ein Zukunftsprojekt geworden. Unser erster Gedanke war, die 19 Milliarden in einen Maßstab zu setzten. Wir haben in unserer Stadt ein riesiges Mietshaus mit 20 Wohnungen, einem Dachgarten und vielen anderen Dingen, und das ist nur ein winziger Anteil der 19 Milliarden! Als wir mit der Planung begonnen haben, haben wir gemerkt, dass wir in einem Team aus Stadtplanern, Architekten, Bauingeneuren und Raumplanern die einzigartige Gelegenheit haben, all unser Wissen, unsere Ideale und Träume zu einem großen Ganzen zu vereinen. Wir haben eine Traumstadt geschaffen, die funktioniert und zu hundert Prozent unseren Vorstellungen entspricht—was auch für uns persönlich eine Utopie darstellt, da politische Begebenheiten und Einschränkungen solche Vorhaben in der Realität oft sehr schwer oder überhaupt nicht umsetzbar machen.

Was erwartet uns noch von der Milliardenstadt, und was bedeutet dir dieses Projekt persönlich?

Ab 13. Oktober wird es einige Events rund um „Hypotopia” geben. Geplant sind Ausstellungen, Diskussionen, Workshops, Musik, und auch einfach Gespräche zwischen Interessierten und Beteiligten. Wir wollen den Leuten zeigen, dass sie sich auch in die Stadtgestaltung selbst einbauen können, und darüber reden können, was sie sich in einer Stadt allgemein wünschen würden. Diese Form der Interaktivität zeigt den Leuten, dass die Stadt nichts Gegebenes ist, und man sich selbst einbringen und so Räume bestimmen kann.

Das größte Problem ist irgendwie, all unsere Gedanken, Ideen und Vorstellungen wirklich darzustellen und zu vermitteln, was wichtig ist. In dieses Projekt ist viel Arbeit und Herzblut eingeflossen, immerhin hat es ja mit einer sehr winzigen Idee begonnen, und ist dann schnell gewachsen. Für mich persönlich ist es besonders faszinierend, dass ich als Raumplanungsstudent mit Architekten, Bauplanern etc. eng zusammenarbeiten konnte. 

An der Uni hat man kaum Kontakt mit Leuten anderer Disziplinen, gerade deshalb ist die Zusammenarbeit so großartig, und ich habe definitiv viel daraus gelernt. Abgesehen davon, dass man auch mit organisatorischen Dingen, wie dem Koordinieren einer 35köpfigen Gruppe, konfrontiert wird, und bei Diskussionen auf einen gemeinsamen Nenner kommen muss. Wir alle haben dadurch viel gelernt, und ich denke, dass sich das Projekt sehr gut entwickelt.

Mehr über das Projekt und einen 3D-Stadtplan zum Rumklicken  findet ihr hier. Zwischen 13. Oktober und 1. November könnt ihr das aus Beton gegossene Modell (im Maßstab 1:100) im Brunnen vor der Karlskirche genauer inspizieren und bei diversen Aktivitäten rund um die Modellstadt teilnehmen.

Dieser Artikel ist zuerst bei Vice Alps erschienen. Mehr von solchen Themen könnt ihr ab Oktober sehen, wenn die Motherboard-Redaktion für Österreich und die Schweiz mit ihrer eigenen Webseite online geht.