Die neue Foto-App Prisma adelt Banalität zu Kunst

Foto vom Autor bearbeitet mit Prisma

Foto-Apps, die versprechen, der neue heiße Scheiß für alle digitalen Selbstoptimierer zu sein, gibt es zuhauf. Einer der neusten Anwärter auf diesen Titel hört auf den Namen Prisma und hat sich mittlerweile zur erfolgreichsten Foto-Anwendung im App-Store gemausert. Wie kommt’s?

Prisma bietet mehr als nur die Möglichkeit, über die eigenen abfotografierten Füße einen Sepia-Filter zu legen oder bei der Frühstücks-Berry-Smoothie-Bowl die Rot-Kontraste hochzudrehen. Es zeichnet deine Handy-Bilder gewissermaßen nach—und das auch im Stile eines Kandinsky oder mit der Pinselführung eines van Gogh. Was früher nur dem Adel oder reichen Persönlichkeiten vorbehalten war—nämlich Gemälde oder sogar Porträts—, ermöglichte die Fotografie mit ihren Mitteln auch dem gemeinen Menschen.

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Hochauflösende Smartphone-Kameras ersetzen mittlerweile ganze Fotolabore, nur eins konnte das Selfie noch nicht: Kunst sein, Gemälde sein. Mit Prisma ist nun auch dieser heilige Gral erschlossen. Banalität wird per Knopfdruck zur Kunst geadelt—oder einer Illusion davon. Der Pöbel hat es endlich geschafft, zum Adel aufzuschließen. So wird aus einem leblosen Foto von einer Socke mit Kleingeld und Buch ein Sujet für Edvard Munch.

Das ist natürlich eine großartige Spielerei und die Leistungsfähigkeit der App gegenüber ähnlichen Anbietern ist beachtlich. Sie hängt damit zusammen, dass die Fotos nicht wie üblich auf dem Smartphone verarbeitet werden, sondern in einer Cloud von Algorithmen auf Hochleistungsservern des App-Anbieters. Das wiederum kritisieren einige der Nutzer, weil nicht wirklich klar wird, was mit den Bildern nach dem Hochladen eigentlich passiert. Hinter Prisma steckt der russische Mailprovider mail.ru und wer auf sich auf der Privacy-Seite von Prisma nach genaueren Inhalten auf die Suche macht, stößt unter Punkt 3 auf die Erklärung, dass “Informationen der Nutzer gespeichert und weiterverarbeitet werden können”. Zudem findet sich noch folgende Formulierung: “Eventuell nutzen wir Nutzer-Informationen, wie Geodaten, Logfiles und weitere Informationen und teilen diese mit Drittanbietern.”

Dem Erfolg der App scheint dieser Umstand keinen Abbruch zu tun: Bei iOS-Geräten rangiert Prisma mittlerweile auf Platz 15 der am meisten nachgefragten Apps, und auch eine Android-Version soll bald folgen. Der Hang zur Distinktion des eigenen Ichs kennt offenbar kaum Grenzen.