Mit der Schere gegen Sexismus: zu Besuch in einem gender-neutralen Friseurladen

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In einem kleinen Laden im Osten Londons gibt es drei Frauen, die mit ihrer Arbeit das Friseurgewerbe revolutionieren.

Barberette ist ein gender-neutraler Friseurladen, bei dem die Kunden entsprechend der Dienstleistung und nicht nach ihrem Geschlecht bezahlen. (Lange Haare kosten umgerechnet rund 33 Euro, kurze Haare 26 Euro.) Die Besitzerin Klara Vanova hat ihren Laden 2012 eröffnet und möchte einen neuen inklusiven Ansatz in der Branche einführen.

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„Barberette entstand zunächst nur aus meiner eigenen Frustration heraus. Ich habe so viele negative Erfahrungen mit geschlechtsspezifischen Friseuren und dem Friseurgewerbe an sich gemacht”, sagt sie. „In Barber-Shops wurde ich oft weggeschickt—ich wollte für Haarschnitte nicht extra zahlen—und bei Friseuren hatte ich oft den Eindruck, vollkommen fehl am Platz zu sein.”

Genau wie bei Kleidung und Pflegeprodukten zahlen Frauen in der Regel auch für ihren Haarschnitt mehr als Männer. Der Grund dafür ist reine Preisdiskriminierung—die Annahme, dass Frauen bereit wären, mehr zu zahlen als Männer. Barberette arbeitet mit mehreren britischen Organisationen im Friseurgewerbe zusammen, um Geschlechtsneutralität in die Ausbildung und die Preispolitik zu integrieren. Sie werben für einen offeneren, geschlechtsneutralen Ansatz in Salons und bei Stylisten.

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„In den Augen des Friseurgewerbes handelt es sich dabei um unser Alleinstellungsmerkmal”, sagt Vanova. „Das ist es aber nicht. Es ist ein Anliegen, um das wir kümmern müssen.”

Ihr Konzept zieht nicht nur Kunden an (1.300 seit der Eröffnung im Jahr 2012), sondern inspiriert auch andere Friseure (zwei). Ich bin selbst seit einem Jahr Kunde bei Barberette und habe mir zuletzt einen kurzen asymmetrischen Haarschnitt mit einem Undercut auf der einen Seite machen lassen.

Mako Bartalou arbeitet seit 2015 bei Barberette. Sie ist von Frankreich nach London gezogen, um bei Barberette eine Ausbildung zu machen. „Klara hat mir alles beigebracht”, sagt sie.

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„In der Schule lernt man nicht viel übers Haareschneiden”, sagt Bartalou über die Ausbildung in Frankreich. „Sie bringen einem drei Haarschnitte bei: einen kurzen Damenhaarschnitt, einen langen Damenhaarschnitt und einen kurzen Männerhaarschnitt. Das ist ziemlich frustrierend.”

In den Pariser Friseursalons musste sie sich auch immer zwischen Damenschnitten und Färben oder Herrenschnitten entscheiden. „Barberette ist der erste Laden, wo ich ein bisschen von allem machen kann”, sagt sie.

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Der 14 Quadratmeter große Laden zeigt regelmäßig wechselnde Kunstausstellungen, an den Wänden hängen LGBTQ-Flyer und Fotos von den Kunden und zu lesen gibt es Magazine wie Modern Barber und Diva.

„Bei uns ist jeder willkommen”, sagt Vanova. Der Laden ist rollstuhlgerecht und das Online-Buchungssystem kann auch von schwerhörigen und tauben Menschen genutzt werden.

Maria Campbell-White kommt seit zwei Jahren zu Barberette. Sie findet die Stimmung sehr entspannt und sagt, dass sie sich die Haare dort so schneiden lassen kann, wie sie möchte. Dieses Mal bekommt sie einen Topfschnitt, der vorne zur Seite gekämmt wird.

„Ich war auch schon bei anderen bekannten Friseuren und habe nach besonders kurzen Haarschnitten gefragt, die ein bisschen unkonventioneller sein sollten. Am Ende hat mich das Ergebnis aber immer enttäuscht”, sagt sie. „Sie haben einfach nicht verstanden, was ich haben wollte.”

„Es ist schon witzig, dass das Friseurgewerbe eine Dienstleistungsbranche ist, Kunden aber nicht kriegen, was sie wollen”, sagt Vanova.

Bartalou meint auch: „Es wurde irgendwann gesellschaftlich akzeptiert, dass Friseure solche Sachen sagen wie: ‚Du kannst deine Haare nicht kurz tragen. Das lässt dein Gesicht zu rund aussehen’ oder ‚Kurze Haare sind zu jungenhaft. Dir würde ein mädchenhafterer Schnitt besser stehen.’”

„Es ist dein Job, die Haare so zu schneiden, dass es dem Kunden gefällt—ganz egal, wie er es haben möchte”, sagt Vanova. „Du solltest dem Kunden nicht sagen, was ihm steht und was nicht, nur weil du nicht in der Lage bist, es so zu schneiden, wie er es möchte—sei es, weil du nicht die Ausbildung dazu hast oder es aus persönlichen Gründen nicht so schneiden möchtest. An diesem Problem wollen wir arbeiten.”

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Cherene Hamilton kommt seit einem Jahr zu Barberette. Sie hat sich die Haare zum ersten Mal dort schneiden lassen, nachdem sie die Frisur ihrer Partnerin Campbell-White gesehen hat. „Ich habe oft 150 Öcken gezahlt und sah fast nie so aus, wie ich es wollte”, erzählt sie über ihre ehemaligen Friseurbesuche, während ihr Bartalou ein Dreieck-Muster in den Undercut rasiert.

Bei dem letzten Friseur, bei dem sie war, hat sie das Vierfache von dem bezahlt, was die Männer für einen vergleichbaren Haarschnitt gezahlt haben. „Das ist doch verrückt! Du kannst zum Friseur gehen und dir denselben Haarschnitt wie der Mann neben dir machen lassen und zahlst aber dreimal mehr”, sagt sie.

Bartalous Erfahrung nach fragen die Leute aber auch nicht nach. „Als ich in Paris gearbeitet habe, war das auch für mich überhaupt keine Frage. Ich habe nie erlebt, dass jemand zu mir kam und meinte: ‚Warum bezahle ich mehr als der Herr neben mir?’”

„Ich denke, das ist auch der Grund, warum Friseure nach wie vor damit durchkommen.”