Die AfD geht bei Lesben, Schwulen und Kiffern per LKW auf Stimmenjagd

Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Zur Not und wenn es schnell gehen muss, dann macht man auch mit Lesben und Schwulen gemeinsame Sache. Und Drogenkonsumenten. Oder stachelt sie wenigstens auf. So die Marschrichtung der AfD in der Hauptstadt, wo sie mit plakatierten Werbelastwagen auf Stimmenfang geht. Es stehen die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus bevor, am 18. September. Jede Stimmen zählt.

Die Rechtspopulisten haben es dabei vor allem auf den Berliner Szenekiez rund um den Nollendorfplatz abgesehen. Dort fahren sie ihren Propagandawagen vor den Augen der neu anvisierten Zielgruppe spazieren. Auf den Plakaten ein homosexuelles Pärchen, denen folgendes Zitat in den Mund gelegt wird: “Mein Partner und ich legen keinen Wert auf die Bekanntschaft mit muslimischen Einwanderern, für die unsere Liebe eine Todsünde ist.”

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Doch den fehlenden Willen zur kulturellen Interaktion mal kurz außen vor gelassen könnte man auch meinen, dass an dieser Aktion nichts Verwerfliches sei; ja im Gegenteil, dass es lobenswert ist, wie die AfD sich für Homosexuelle einsetzt, indem sie auf Menschenrechtsverletzungen in fremden Ländern hinweist. Wie im Iran, Irak oder Saudi-Arabien etwa, wo gleichgeschlechtlich Liebende nach dem Schariarecht gesteinigt werden.

Aber deshalb drehen die AfD-Autokorsos in Berlin nicht ihre Runden. Nicht “pro-LGBT” ist die Message, sondern “anti-Islam”, “anti-Syrien”, “anti-Flüchtlinge”. Wenn man die Lesben und Schwulen auf seine Seite ziehen könnte—das wäre doch was!

Was hier passiert, ist der Versuch einer Instrumentalisierung von Personengruppen im Kampf gegen andere. Es werden Menschen auf Menschen gehetzt. Die Homosexuellen erfüllen die Funktion eines Werbeträges, um gegen Flüchtlinge mobil zu machen.

Wie sehr der AfD in Wahrheit das Wohl von gleichgeschlechtlich Liebenden am Arsch vorbei geht, zeigt nicht nur der Vorfall rund um Andreas Gehlmann im Landtag von Sachsen-Anhalt. Als dort vor wenigen Wochen darüber debattiert wurde, ob man die Maghreb-Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, positionierte sich die Linken-Abgeordnete Henriette Quade dagegen—ihrer Meinung nach reicht es, sich allein nur die massiven Repressionen gegenüber Homosexuellen vor Augen zu führen. “Wer Homosexualität auslebt, dem droht dafür eine Gefängnisstrafe”, so Quade, worauf dann der Moment von AfD-Mann Gehlmann gekommen war: “Das sollten wir in Deutschland auch machen!” Die Situation ist im Protokoll dokumentiert:

Also Korrektur: Der AfD gehen die Rechte von Homosexuellen nicht am Arsch vorbei—sie stehen im Widerspruch zur Ideologie der Rechtspopulisten. Dies zeigen auch die Wahlprüfsteine des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg (LSVD). Dieser hatte im Zuge der bevorstehenden Wahlen allen kandidierenden Parteien einen Fragebogen geschickt, worin sie nach ihren politischen Absichten befragt wurden. Die AfD sprach sich gegen die Ehe für alle aus, gegen LGBT-Aufklärung in Schulen und auch gegen ein Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen und geschlechtlichen Identität—unter anderem:

Vor diesem Hintergrund nun mit Werbelastwagen am Nollendorferplatz bei der LGBT-Community die Werbetrommel zu rühren, ist fast schon ein Witz. Doch vielleicht ist es genau das: Vielleicht sind wir auf einem Auge blind und sehen nicht die Ironie dahinter, vielleicht erlaubt sich die AfD einen Spaß und die gesamte Aktion ist ein Akt der Provokation. Einfach mal zwei Randgruppen gegeneinander ausspielen.

Für die Überlegung, dass die Rechtspopulisten bei ihrem Straßenwahlkampf nicht den nötigen Ernst an den Tag legen, spräche auch ihr zweites Plakat, mit dem sie ihre Lastwagen touren lassen:

Mein Dealer”? Wer ist hier denn die Zielgruppe? Will die AfD mit dieser Werbetafel jetzt auch noch die hippe, kiffende Jugend anvisieren? Schließlich trägt der junge Mann einen Beanie und Vollbart—so sehen sie ja aus, die crazy Drogenkids. Nur das Wort “oberfaul” macht der AfD einen Strich durch die Rechnung und lässt den hippen Wähler den Schluss ziehen, dass hinter dem Zitat kein Bruder im Geiste steckt, sondern ein 60-jähriger AfD-Werbetexter.

Und worüber beschwert sich eigentlich die Kreuzung aus einem Metaller und Lumberjack? Soll sein marokkanischer Dealer gefälligst nur Drogen verticken und nicht zusätzlich von der Stütze leben? Oder sind dies die ersten zaghaften Versuche der AfD, sich zur Legalisierung von Drogen zu bekennen? Drogenkonsumenten und Schwule gehen in Ordnungen, nur die marokkanischen Dealer (sofern sie Sozialbezüge beziehen) gehen überhaupt nicht klar—die sind oberfaul.

Ob das der AfD-Stammwählerschaft gefallen würde? Nee, das alles muss ein Witz sein. Echt jetzt.

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