Drogen

Fotos: Wie eine bipolare Frau mit Magic Mushrooms nach Seelenheil sucht

Two photographs of a dark haired woman. On the left she is sat draped in a tartan shawl, on the right she is show looking at the camera straight on.

Es war ein stiller Dezemberabend im Jahr 2012, als die Mutter des französischen Fotografen Mathias de Lattre in der Notaufnahme landete. Sie war alleine ins Krankenhaus gegangen – in der Hoffnung, das loszuwerden, was sie selbst als “krankhafte Impulse” empfand. Die Krankenhausangestellten überwiesen sie in die psychiatrische Abteilung eines anderen Krankenhauses in Paris.

Kurze Zeit später wurde bei de Lattres Mutter eine bipolare Störung diagnostiziert. Man verschrieb ihr einen Medikamentencocktail, den sie viermal täglich einnehmen sollte. Die Arzneimittel schienen ihr allerdings kaum zu helfen. Weil die Behandlung seiner Mutter nicht anschlug, stellte de Lattre auf eigene Faust Nachforschungen an, um einen Weg zu finden, ihr Leid zu lindern.

Videos by VICE


Auch bei VICE: Psychedelische Drogen sind die neue Psychotherapie


Je mehr seine Mutter in Depressionen und Einsamkeit abrutschte, desto skeptischer sei er gegenüber den Behandlungsansätzen der westlichen Medizin geworden, sagt der Fotograf. Also habe er sich nach Alternativen umgesehen und blieb vor allem beim Einsatz von psychotropischen Drogen hängen. Er habe Artikel und Texte von Experten gesammelt, archäologische Aufzeichnungen und schamanische Rituale analysiert und sei sogar nach Peru gereist, um dort die therapeutische Wirkung von Ayahuasca zu untersuchen.

Als Fotograf hielt de Lattre seine Entdeckungen und Erkenntnisse bildlich fest. Diese Fotos bilden nun die Grundlage von Mother’s Therapy, einem Buch mit zwei Zielen: Zum einen zeigt de Lattre darin auf, wie lange die Menschheit Magic Mushrooms schon für therapeutische Zwecke einsetzt. Zum anderen erzählt er die Geschichte einer Mutter auf der Suche nach seelischer Erleichterung.

Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt ein zweistöckiges Gebäude vor Bäumen, im Vordergrund ist eine Wiese zu sehen
Ein Teilgebäude einer psychiatrischen Klinik

Das Buch geht dabei bis in die Urgeschichte, also die frühesten Tage der Menschheit, zurück. Denn schon damals sollen schamanische Rituale abgehalten worden sein. Steine, die in Pilzform gehauen wurden, sowie Höhlenmalereien von vermenschlichten Kreaturen und Schamanen sind wahrscheinlich die bis dato ältesten Spuren unseres Wissens über veränderte Bewusstseinszustände.

Während konkrete Beweise für das altertümliche Interesse an Halluzinogenen weiter vage bleiben, ist sich de Lattre sicher, dass die frühe menschliche Vision von der Welt offener und spiritueller als jetzt gewesen sei.

In einem aufgeschlagenen Buch zeigt eine Seite mehrere illustrierte Pilze
Eine Auswahl an mexikanischen Magic Mushrooms

Im Laufe der Jahre wurde viel zum Einsatz von Psilocybin geforscht – der psychoaktiven Substanz, die in rund 200 Pilzsorten aus der ganzen Welt gefunden werden kann. De Lattre konnte jedoch keinen Hinweis darauf finden, dass man Psilocybin im Zuge einer klinischen Studie jemals bei Menschen mit einer bipolaren Störung ausprobierte.

Während seiner Nachforschungen stieß der Fotograf jedoch auf ein Experiment des US-amerikanischen Autors und Ethnomykologen Robert Gordon Wasson. 1955 reiste Wasson ins mexikanische Oaxaca, um sich mit der mazatekischen Heilerin Maria Sabina zu treffen. Diese Begegnung war der Ausgangspunkt des vielgelesenen Life-Artikels “Seeking the Magic Mushroom”, der 1957 erschien. Mehrere Jahrzehnte später sprach auch de Lattre mit einem Psychotherapeuten, der in Mexiko zusammen mit Nachkommen von Sabina studiert hatte.

Auf dem linken Foto ist eine Höhlenmalerei von einem Vogel und einer menschlichen Figur zu sehen, das rechte Bild zeigt einen Pilz, der aus einem Stein gehauen wurde
Links: eine Höhlenmalerei; recht: ein aus Stein gefertigter Pilz

Überzeugt vom therapeutischen Potenzial von Magic Mushrooms, wenn sie unter der Aufsicht von Expertinnen eingenommen werden, schlug de Lattre seiner Mutter vor, Psilocybin entsprechend der schamanischen Vorgaben und im Beisein eines Spezialisten einzunehmen.

De Lattres Mutter brach vor Kurzem die Therapie bei ihrem Psychiater ab, um es selbst mit dem Microdosing von Psilocybin zu probieren. Sie konsultiert aber auch heute noch regelmäßig einen Psychotherapeuten, um ihren Zustand checken zu lassen. Und tatsächlich: Magic Mushrooms machten ihr Leben wieder erträglich. In Mother’s Therapy schreibt de Lattre, dass seine Mutter jetzt die Energie und die Motivation habe, um ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen.

Das Buch stellt die Erfahrung von de Lattres Mutter aber nicht als Vorlage zum Nachmachen dar. Laut dem Fotografen solle man das Ganze eher als einen visuellen Bericht darüber sehen, wie Menschen mit Verzweiflung umgehen – und als Beleg dafür, wie sehr seine Mutter ihr normales Leben zurückhaben wollte. 

Eine Frau mit dunklen Haaren sitzt in einer Decke eingewickelt auf dem Boden und hält eine Schale mit Magic Mushrooms in der Hand
Nach ihrem Bruch mit der psychiatrischen Community entschied sich de Lattres Mutter, es mit Halluzinogenen zu probieren
Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt eine dunkelhaarige Frau in weißem Longsleeve, die vor einer vollgeschmierten Wand sitzt
De Lattres Mutter in einer psychiatrischen Klinik
Eine dunkelhaarige Frau mit Perlenohrringen sitzt oben ohne vor einer Wand und blickt mit bedrücktem Gesichtsausdruck Richtung Boden
Zwischen hellen Felsen befindet sich der Eingang zu einer Höhle
Der Eingang zur Fone-De-Gaume, einer Höhle in Frankreich, in der es rund 200 prähistorische Malereien gibt
Auf einem Holztisch ist ein getrockneter Pilz angerichtet
Die getrockneten Überreste eines mexikanischen Pilzes, der in den 1950er Jahren gesammelt wurde
Eine dunkelhaarige Frau mit Haarband und Silberkette blickt in die Kamera
Auf einer bunten Decke sind ein Foto, Kraut und mehrere Schalen Magic Mushrooms angerichtet
Bei einem Ritual
Eine dunkelhaarige Frau in schwarzer Hose und heller Jacke steht in einem See und blickt in die idyllische Ferne
De Lattres Mutter in einem Schweizer See

Folge VICE auf Facebook, Instagram, YouTube und Snapchat.