Unsere Gesellschaft ist streng in Schichten eingeteilt. Wichtige Menschen gelangen an exklusive Orte. Alle anderen müssen einen Haufen Geld ausgeben oder sich mit einem sehnsuchtsvollen Blick durch den Zaun begnügen. Aber es gibt da ein Schlupfloch, durch das du kostenlos an Orte gelangst. Du musst einfach nur so tun, als wärst du wichtig. Und Menschen, die Warnwesten tragen, sind wichtig. Zumindest in Australien. Sie kümmern sich um Dinge, um die sich sonst niemand kümmert. Wenn du jemanden in Warnweste durch eine Absperrung gehen oder an einem Türsteher vorbeimarschieren siehst, dann gehst du davon aus, dass diese Person etwas reparieren oder regeln wird. Das macht Warnwesten zum Schlüssel für die Welt.
Zumindest dachten mein Kumpel Sean und ich das immer. Und eines betrunkenen Abends haben wir uns dazu entschieden, unsere Theorie auf die Probe zu stellen. Machen Warnwesten die Welt wirklich zu deiner Auster? Zu unserer Auster? Am nächsten Tag sind wir sofort zum nächsten Laden für Arbeitskleidung gefahren und haben uns ein paar Signalwesten und Fake-Walkie-Talkies besorgt. Wir waren bereit für unser Abenteuer.
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Für den Anfang setzten wir die Messlatte denkbar niedrig an. Wo macht jeder 12-Jährige seine ersten Einschleicherfahrungen? Im Kino natürlich. Mit Warnweste liefen Sean und ich vorbei an Schalter und Kartenabreißer in den erstbesten Kinosaal. Ein Kinderspiel.
Abstriche gab es nur dafür, dass wir uns mit dem Film begnügen mussten, der dort gerade lief – in unserem Fall Office Christmas Party. Überraschenderweise war der aber ganz OK, was auch daran gelegen haben könnte, dass uns der Nervenkitzel besonders empfänglich für überdrehte Weihnachtskomödien gemacht hatte. Wie auch immer, es war an der Zeit, mehr zu wagen.
Der Zoo entpuppte sich da schon als größere Herausforderung, wenn auch nur psychisch. Es brauchte 15 Minuten Rumlungern vor dem Haupteingang und diverse schlechtgedrehte Zigaretten, um unsere Angst halbwegs zu verstecken. Wir dachten beide nicht im Traum daran, dass wir damit durchkommen würden.
Wie sich herausstellte, existierte die Gefahr nur in unseren Köpfen. Am Ende gingen wir ungehindert durch – Sean gab dem Kartenverkäufer sogar noch ein fröhliches “Tag!” mit auf den Weg. Wir konnten nicht fassen, wie leicht das gewesen war. Sobald wir drinnen waren, begannen wir, wie Schulmädchen zu kichern, und nickten den echten Zooangestellten kollegial zu. Aber auch die Familien nahmen uns unseren Aufzug ab. Immer wieder wurden wir gefragt, wann der Zoo schließt oder wo es zu den Affen geht.
Hier sitze ich deprimiert vor dem Lemuren-Gehege. Lemuren sind meine Lieblingstiere, aber aus irgendeinem Grund war das Gehege geschlossen. Ich war total enttäuscht. Eine Familie, die mich für einen Zooangestellten hielt, fragte mich, wann die Lemuren wieder zu sehen wären. Ich versicherte ihnen, dass ich mich alsbald darum kümmern würde, und nahm mein Walkie-Talkie-Attrappe, um “das zu regeln.”
Uniformen haben irgendetwas an sich, das ein fast schon naives Vertrauen erweckt. Menschen vertrauen Uniformen. Die meisten von uns gehorchen Uniformen in fast schon Stanford-Prison-Experiment’esquen Ausmaßen.
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Je weiter der Tag voranschritt, desto selbstbewusster und entspannter wurden Sean und ich in unseren Warnwesten. Ich vergaß ständig, das Teil überhaupt zu tragen. In den Zoo reinzukommen, war weitaus mehr, als ich mir jemals von unserem kleinen Experiment erhofft hatte. Ich bin aber niemand, der sich auf seinen Lorbeeren ausruht. Wir mussten herausfinden, weit wir damit wirklich kommen.
Wir versuchten, mit diesen Touristenbus in die Stadt zu kommen, aber der Fahrer ließ sich von unserem Aufzug nicht beeindrucken. Dieser Bus hatte offensichtlich das beste Sicherheitskonzept der ganzen Stadt.
Also nahmen wir uns ein Uber und während wir im nachmittäglichen Berufsverkehr festhingen, fiel Sean ein, dass am Abend Coldplay in der Stadt spielen. Perfekt! Beim Stadion angekommen tauschten wir unsere gelben Warnwesten gegen orangene, um nicht neben den anderen offiziell aussehenden Menschen hier aufzufallen. Mangelnde Anpassungsfähigkeit kann man uns jedenfalls nicht vorwerfen.
Um ehrlich zu sein, war es dann doch nicht ganz so leicht, dort reinzukommen. Es brauchte mehrere Eingänge und eine Menge Zurückweisungen. Wir waren aber nur halb so nervös, wie wir hätten sein müssen. Sean kannte nämlich jemanden von der Produktion – so halb irgendwie. Wir dachten uns also, dass wir, falls alle Stricke reißen, einfach den entsprechenden Namen fallen lassen und so doch noch reingelassen werden. Zu unserer Überraschung klappte es dann aber am Ende doch und wir waren drinnen.
Im Stadion schickte Sean seinem Bekannten eine SMS und machte einen Treffpunkt aus. Dieser fand die Warnwestengeschichte natürlich lächerlich und unsagbar peinlich, aber er versprach gleichzeitig, uns mit temporären Pässen auszustatten. An diesem Punkt nimmt unsere Geschichte eine Wendung und handelt wahrscheinlich mehr davon, was man alles erreichen kann, wenn man Leute aus der Produktion kennt. Aber hey, es waren immerhin die Westen, mit denen wir überhaupt erst reingekommen waren.
Nein, ich war kein großer Coldplay-Fan, bevor ich sie in Warnweste gesehen hatte, aber dieser Tag veränderte alles. Ich verließ das Stadion mit einem wohlig-warmen Gefühl im Bauch – berauscht von illegalen Aktivitäten und der Macht der Warnwesten.
Insgesamt hatte unser Experiment eine Sache bestätigt, von der ich schon immer überzeugt war: Du weißt etwas nie wirklich, bis du es nicht ausprobiert hast. Die Gesellschaft – das Leben – ist durchlässig auf Arten, die du nie für möglich gehalten hättest. Dank Warnwesten und mit etwas Glück waren wir an einem Tag in den Genuss von vielen wunderbaren Dingen gekommen.
Wenn ich dir einen guten Rat fürs Leben mit auf den Weg geben würde, dann wäre es wohl dieser: Besorg dir eine Warnweste. Das ist alles, was du wissen musst.
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