Mode für Menschen, die Marken hassen

Dr. Noki—der Name ist markengeschützt—hat seine Karriere damit begonnen, VJs bei MTV zu stylen und Shootings, für das jetzt nicht mehr existierende Blah Blah Blah Magazine zu machen. Zurzeit ist er eher für seine Anti-Marken-Einzelstücke bekannt, die er  seit 1996 mit dem Label Noki aus alten Sportklamotten herstellt. Lange bevor alle diese beschissenen Ökomarken aus dem Boden geschossen sind, hat er sich mit nachhaltiger Kleidung befasst und heutzutage ist er der Typ, den große Marken wie New Era anrufen, wenn sie mal was in diese Richtung machen wollen—wie die limitierte Edition von Oink NotPis adidas Sneakers. Seit Noki sich dadurch einen Namen gemacht hat, Projekte wie diese in Angriff zu nehmen, die sich auf eigenartige Weise selbst widersprechen, habe ich versucht rauszufinden, ob er ein paar Antworten auf dieses Rätsel geben kann.

VICE: Hallo Doktor. Du hast gesagt, dass Noki deshalb entstanden ist, weil du das Buch Culture Jam gelesen hast. Kalle Lasns Buch darüber, dass Amerika mehr Marke als Land ist. Warum hast du ein Label gegründet, nachdem du ein Buch gegen Marken und Konsum gelesen hast?
Dr. Noki:
 Nun ja, Anfang 1996 habe ich für ein latent staatsfeindliches Modemagazin gearbeitet. Es wurde Noki-Pod genannt und hat es nie in den Druck geschafft. Aber ich habe die Grundidee genommen und angefangen diese mit Sportlogos aufzubrechen, um ein Anti-Marken-Statement zu setzen und habe die Mode physisch verwirrt, indem ich Basicteile von Marken zusammengenäht und aus ihnen wundervolle Kleider gemacht habe. Ich habe das als modischen Kulturschock gesehen, wie ihn Kalle Lasn in seinem Buch beschreibt.

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Du zerstörst also Mode eher, anstatt ein Teil von ihr zu werden? Ich fand es verrückt, dass dich das Lesen von einem Buch, das Marken anschwärzt, dazu bringt, dass du eine eigene Marke machen willst. Das ist wie ein “Fick dich” an Kalle Lasn persönlich.
Haha. Ich denke allerdings nicht, dass er Marken bloßstellt. Er ist mehr daran interessiert, etwas zu veröffentlichen, das zeigen soll, dass der unterbewusste Einfluss, den Marken auf unsere Psyche haben, komplett von Manipulatoren aus der Vorstandsetage gemacht werden. Sie tarnen die Nachrichten als Entertainment, was es noch schwerer macht, sie zu hinterfragen. Ich habe mich dazu entschieden, diesen markenorientierten Blickwinkel der Mode in Frage zu stellen und habe das Noki-One-Off kreiert. Meine Einzelstücke sind ein direktes Statement zu dem dreckigen Geheimnis, dem peinlichen Reiz von Exzess. Ich habe mich der Macht von Markennamen bedient, um meine eigene Anti-Marken-Message zu verbreiten, oft sind sie in der selben Schriftart, wie die Marke selbst gehalten und auf derselben Stelle der Kleidungsstücke angebracht.

Wieso hast du dich dafür entschieden Sportkleidung und nicht Haute Couture zu benutzen, wenn du den schlimmsten Auswuchs der Mode in Angriff nimmst?
Zum Großteil, weil ich wirklich immer an Sportklamotten interessiert war. Für eine Vielzahl von Menschen sind Sportklamotten das Höchste, was sie sich leisten können. Zum Beispiel die von Y-3, Stella McCartney, Ralph Lauren und Dior. Oder all die anderen, verlogenen Sportmarken, die alle dieselben langweiligen Sportschuhe und Klamotten und Accessoires zu völlig überzogenen Preisen verkaufen. Als ich ein Kleid für mein Magazin gemacht hatte, wollten die Leute sofort wissen, warum adidas und Nike nicht Kleider wie dieses machen. Ich habe eine alte Marke in etwas Neues verwandelt und ein Kunstlabel gegründet, das den Stücken, die ich gemacht habe, einen neuen Wert als begehrenswertes Einzelstück verleiht.

Ist Noki dann überhaupt Mode, oder siehst du es eher als Kunst?
Noki ist Kunst! Es ist ein Zusammenschluss von einem Pop Label, dessen Ausdruck die Form einer High Fashion Silhouette gegeben wird–das ist der Kulturschock. Dann gibt es noch das NHS, beziehungsweise das Noki House of Sustainibility, was der futuristischen Street Couture zugeordnet ist. Hergestellt aus den Bergen an inspirierenden Vintage-Teilen und nachhaltigen Kleidungsstücken, die mir jeden Tag gegeben werden. Ich habe geholfen Londons 123 store aufzubauen und auch, wenn ich nichts mit dem Tagesgeschäft zu tun habe, verkaufen sie meine Sachen und versorgen mich mit den nachhaltigen Materialien, die ich brauche.

Cool. Wie heben sich also die Sachen von NHS gegenüber deinen Anderen ab?
Nun ja, im Gegensatz zu NHS sind bei Nioki-Stücken alle Mittel erlaubt, Markendifamierung, Anti-Mode und Anti-Marken Statements. Und aufgrund der Reaktionen auf meine Arbeit, wollte ich mit der Aussage von Noki nicht so eindeutig bleiben. Alles war immer so böse, destruktiv und schwer. Die Modewelt hat nur einen kleinen Platz für klare Ansichten. Und die Künstlerszene hasst Mode, deshalb unterstützt NHS die subversive, Anti-Marken-Aussage und markendeformierenden Slogans nicht.

Coco Chanel hat gesagt: „Mode ist dafür gemacht, unmodisch zu werden“, was in den meisten Fällen komplett der Wahrheit entspricht. Sind deine ökologischen Kleidungsstücke von NHS dafür gedacht, auch nachhaltig modisch zu sein? Wenn dem so ist, versuchst du, etwas Zeitloses zu erschaffen?
Ja, ich mag die Idee, dass jedes dieser Unikate ein einzigartiges Statement ist, das es Wert ist, für immer behütet zu werden. Noki ist Spaß, es ist auf den starken Drang, nach Veränderung ausgelegt und darauf, Kunst zu sein. 

OK. In Anbetracht dessen bist du also gegen die Kultur der Massenproduktion. Wie würdest du die Modeindustrie verändern, wenn du könntest?
Wenn ich darüber nachdenke, würde ich nichts daran verändern. Die Modeindustrie ist so verloren in ihren eigenen Fehlern. Man hat eine so große, von sich selbt überzeugte Armee von Modesoldaten geschaffen, dass es schon langsam zu internen Problemen kommt. Jetzt, 15 Jahre später, stellen die großen Marken ihre eigene Arbeit in Frage. Unbefriedigt von den Ketten und den Modeboutiquen werden die Menschen dazu veranlasst, ihre Aufmerksamkeit auf authentisches Design zu richten, sodass die Menschen dem Angebot von Massenprodukten entkommen können. Die Handelsketten haben auch etwas Gutes getan, sie haben den ahnungslosen Käufer etwas über Design und Trends beigebracht. Ein geringer Prozentsatz von diesen Leuten möchte nun dem mittelmäßigen Angebot entfliehen. Genau an denen bin ich interessiert.

Zu guter Letzt, was hat es mit den Masken auf sich?
Die Noki-SOB-Maske—Suffocating Of Branding (das Ersticken von Marken)—ist sehr wichtig für das visuelle Image von Noki. Die Maske ist meine Art, ehrlich zu sein und mit den Unsicherheiten und Ängsten, die wir alle haben, selbst wenn man noch so selbstbewusst ist, umzugehen. Ich glaube daran, dass es ein Bedürfnis der menschlichen Seele ist, die Masken abzunehmen, die den Menschen aufgesetzt werden. Die Marke von sich zu weisen und das zu entdecken, was darunter ist. Ein menschliches Wesen.