Models erzählen, wie ihre Fotos missbraucht wurden
Silvia Bottini wurde ungewollt zum Gesicht der "First World Problems"-Memes

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zweckentfremdung

Models erzählen, wie ihre Fotos missbraucht wurden

Als hässliches T-Shirt-Motiv oder als ein weltweit verhasstes Meme – Models haben oft keinen Einfluss darauf, wo ihre Bilder landen. Sieben Leidtragende berichten.

Vergangenen Monat hat einer unserer Kollegen aus Spanien darüber geschrieben, wie seine Arbeit als Stockfoto-Model der größte Fehler seines Lebens war. Unter anderem wurde er nämlich zum Aushängeschild eines Penisleidens. Und er ist nicht allein: Models haben meistens keinen Einfluss darauf, wo und in welchen Zusammenhang ihre Gesichter und Körper gezeigt werden.

Aus diesem Grund haben wir Models aus ganz Europa nach ihren persönlichen Horrorgeschichten gefragt.

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Priscilla Rossi, 27, Frankreich

Priscilla (rechts) in einer Werbung für ein Hautaufhellungsprodukt

Wenn du mit der Google-Bildersuche nach "natural afro hair" oder "curly hair" suchst, dann werden dir Dutzende Bilder von mir angezeigt. Das liegt daran, dass ich einen erfolgreichen französischen Beauty-Blog betreibe und viel Arbeit in die Suchmaschinenoptimierung gesteckt habe. So stoßen zwar viele Leute auf meinen Blog, aber leider verwenden sie meine Bilder dann auch häufig wie Stockfotos, für man eigentlich bezahlen muss. Wenn ich dann nachhake, bekomme ich meistens eine Antwort wie: "Aber ich habe die Fotos im Internet gefunden!"

Häufig verwenden auch andere Websites oder gar Brands meine Bilder, ohne vorher zu fragen. 2015 nutzte ein Grafikdesigner einer großen französischen Einzelhandelskette eines meiner Fotos, um in einem Supermarkt Haarpflegemittel zu bewerben. Und sechs Monate später machte ein internationales Kosmetikunternehmen genau das Gleiche.

Die schlimmste Zweckentfremdung kommt jedoch von Glutathione Cosmetics, denn das Unternehmen verwendet mein Gesicht, um Hautaufhellungsprodukte zu promoten. Ich habe bereits zwei Anwälte engagiert, damit das endlich aufhört, aber bis jetzt ist noch keine Antwort zurückgekommen. Glutathione Cosmetics ist zwar in Atlanta ansässig, wird aber wohl vor allem in Afrika verkauft. Immer wenn ein Händler mein Bild nicht mehr hernimmt, taucht es irgendwo anders wieder auf. Es hört einfach nicht auf. Wenn sie mein Gesicht benutzen, suggeriert das, dass ich helle Haut schöner als dunkle finde. Und das ist schlicht und ergreifend falsch. Glutathione Cosmetics hat mich zum Aushängeschild für etwas gemacht, das eine völlig falsche Botschaft vermittelt.

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Auch bei VICE: Skirt Club - Der Nacktfoto-Leak


Silvia Bottini, Italien

Silvia als "First World Problems"-Meme

Das Foto hat mein damaliger Freund 2008 in einem Shanghaier Tempel geschossen. Heutzutage ist er ein großer Name im Stockfoto-Business. Aber auch schon damals habe ich oft neutrale Farben und Make-up getragen, falls er spontan inspiriert wurde und ein Bild schießen wollte. Und so war es auch hier: Wir machten zusammen Urlaub und er bat mich darum, weinend für ihr zu posieren. Kurz nachdem er das Bild bei einigen Stockfoto-Seiten hochgeladen hatte, schickten mir Freunde die ersten "First World Problems"-Memes mit meinem Gesicht. Ich war natürlich richtig sauer. Fotodatenbanken sollten ihre Inhalte besser schützen.

Als ich meinem Ex-Freund davon erzählte, meinte er, dass ich vielleicht die Websites verklagen könne, die die Memes hosteten. Die Erfolgschancen seien jedoch gering. Ich habe die Verantwortlichen auch einige Male darum gebeten, diese zu löschen. Irgendwann haben die Leute meinen Namen herausgefunden und sich im Internet über mich informiert. Menschen machten Kommentare wie: "Bei Facebook beschwert sie sich die ganze Zeit, das Meme passt also perfekt zu ihr". Schon ziemlich frustrierend. Aber dann dachte ich: Warum nicht aus dem Schlechten etwas Gutes machen. Ich habe meinen Meme-Ruhm dann genutzt. Ich lebe in Los Angeles, und obwohl ich nun schon seit 15 Jahren als Schauspielerin arbeite, hat mir das Meme zu mehr Möglichkeiten verholfen: Ich habe zusammen mit ein paar Freunden einfach eine Webserie zu meiner "First World Problems"-Figur erschaffen.

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Rolien, 25, Niederlande

Mit 18 lebte und modelte ich in London. Dabei arbeitete ich oft mit einem befreundeten Fotografen zusammen. Damals war Lady Gaga gerade total angesagt und deswegen machten wie ein paar halbnackte Shootings mit der entsprechenden Ästhetik. Die Fotos wurden anschließend in irgendeinem Kunstmagazin veröffentlicht.

Gut ein Jahr später schrieb mir der Fotograf eine Mail. Er hatte in einem Luxuskaufhaus einen ganzen Kleiderständer voller T-Shirts mit meinem halbnackten Bild gesehen – nur ein bisschen Tape überdeckte meine Nippel. Wie sich herausstellte, hatte eine Modemarke ungefragt das Foto auf Shirts gedruckt und noch ein paar beschissene "Accessoires" hinzugefügt. Die haben mir Flügel verpasst, verdammt noch mal. Mein Körper wurde auf einem hässlichen und überteuerten Oberteil verkauft – und das in verschiedenen Läden und im Internet.

Nachdem wir mit rechtlichen Schritten gedroht hatten, stellten die Verantwortlichen die Produktion des Shirts sofort ein. Mehr war aber nicht drin. Anders gesagt: Weder ich noch der Fotograf haben jemals eine Entschädigung erhalten. Die ganze Situation hat lediglich einen Keil zwischen uns getrieben. Ein bitterer Nachgeschmack ist also bis heute geblieben.


Bei i-D: Sabina Karlsson über die Menschen hinter den Models


Kimberley Jackson, 29, Großbritannien

Kimberley, keine 'Bachelor UK'-Kandidatin | Foto: bereitgestellt von Matrix Pictures

2012 war ich bei einem Fashion-Event und als ich mich umziehen wollte, forderten mich einige Fotografen auf, auf einer Treppe zu posieren. Freizügige Fotos sind normalerweise nicht mein Ding. In diesem Moment hatte ich aber irgendwie Lust drauf.

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Am darauffolgenden Tag hieß es dann in der Zeitung Daily Mail, dass sich eine Bachelor-Kandidatin für ein freizügiges Foto bis auf die Unterwäsche ausgezogen hätte – inklusive dem Bild von mir auf der Treppe. Anscheinend dachten die Redakteure, ich wäre mal Kandidatin bei der Fernsehshow gewesen und wollte das Herz von Gavin Henson erobern. Mein erster Gedanke: "Wer ist Gavin Henson?" Inzwischen weiß ich, dass es sich dabei um einen walisischen Rugbyspieler handelt. Ich würde natürlich niemals im Fernsehen um einen solchen Mann buhlen. Bei dem Fashion-Event waren aber wohl viele Kandidatinnen aus der besagten Bachelor-Staffel anwesend und eine hatte es auch auf den Catwalk geschafft. Das war allerdings nicht ich. Ich wusste nicht mal, dass es die Sendung in Großbritannien überhaupt gibt.

Jérôme Rupf, 22, Deutschland

Jérôme, kein Spielzeug | Foto: Kyle Springate

Ich modelte vor zwei Jahren in London, als mir ein Fotograf über Instagram schrieb, dass er mich shooten wollte. Das ist in der Modelbranche nichts Ungewöhnliches, also habe ich zugestimmt. Ich dachte: So kann ich meine Mappe aufbauen und der Fotograf sein Portfolio. Ich bekam kein Geld dafür und es lief auch nicht über meine Agentur.

Die Leute am Set waren sehr nett und das Shooting hat Spaß gemacht, aber die Posen, die ich einnehmen sollte und die Outfits waren schon eher speziell: knappe rote Shorts, goldene Lederjacke, perlmuttfarbene Regenumhänge, sowas. Ich sollte sehr starr und puppenartig posen, und wurde meistens oberkörperfrei fotografiert.

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Ein halbes Jahr später fand ich die Bilder auf einem Online-Gay-Magazin wieder – mit pastellfarbenen Illustrationen im Hintergrund. Aus mir wurde ein schwuler Ken! Eine lebensgroße Puppe. Das hat mich schockiert. Ich habe den Fotografen sofort angeschrieben, aber er hat nicht reagiert.

Rechtliche Schritte habe ich nicht eingeleitet – es wäre ein zu großer Aufwand für mich, und das war es mir dann doch nicht wert. Aber in Zukunft will ich vorsichtiger sein.

Jadranka Joksimović, 20, Serbien

Das Shooting-Resultat – Jadranka ist der kopflose Körper unten rechts

Ich stand einmal für ein serbisches Magazin Model. In der Fotostrecke sollte es eigentlich um Schwimmkleidung gehen. Die Verantwortlichen hatten mich und einige Kolleginnen gebucht und sie wussten genau, welche Größen wir benötigten. Beim Styling hieß es dann aber: "Wir hätten niemals gedacht, dass die Bikinis an euch so knapp aussehen würden." Das Shooting dauerte mehrere Stunden und es wurden unzählige Fotos in verschiedenen Bikinis und Posen gemacht.

Als die Ausgabe mit den Bildern schließlich erschien, war die "Fotostrecke" auf einen Einseiter zusammengeschrumpft, bei dem unsere Köpfe abgeschnitten waren. Und die Überschrift war ebenfalls ernüchternd, irgendetwas nach dem Motto "Zeig endlich deinen Körper, für den du den ganzen Winter geschuftet hast". Man hat uns die ganze Zeit nur verarscht.

Patricia Sluka, 26, Schweiz

Patricia, aber nicht auf einer Weihnachtskarte | Foto: Ellin Anderegg | Scout Model Agency Zurich

Einmal wurde ich von einem Amateur-Fußball-Club engagiert, der sich dazu entschieden hatte, "außergewöhnliche" Weihnachtskarten an die Gönner zu versenden. Ich wusste nicht genau, was ich erwarten sollte. Das fotografische Resultat erinnerte dann mehr an eine SM-Studio-Werbung als an eine originelle Fußball-Club-Karte: Mindestens einer der Fußballer war mit mehreren Models zu sehen, die ihn angekettet hatten, ihn an der Leine führten oder auspeitschten.

Das war einer meiner ersten Jobs. Ein befreundeter Fotograf hatte mich angefragt. Er hat gesagt, dass die Auftraggeber etwas Provokatives machen wollen, und gefragt, ob ich offen dafür wäre. Die Bilder würden nicht öffentlich gezeigt und es würden keine Nacktaufnahmen gemacht. Ich dachte mir: "OK, ich probier es mal." Das Thema an sich stört mich nicht, jedoch wurde es meiner Meinung nach etwas schmuddelig umgesetzt – was schade war.

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