Daliah goes China

Alle Fotos: Daliah Spiegel

Als ich neulich enthusiastisch von meinem neuesten Projekt berichtet habe, hat mein gegenüber in seiner typischen Wiener Façon bemerkt: „Wer nichts wird-wird Wirt.” Und vielleicht hatte er gar nicht so unrecht. Denn nachdem ich mein Medizinstudium absolviert habe, eine Weile wissenschaftlich im AKH gearbeitet habe, langsam die Luft aus meinem Langzeit-Kunststudium raus war und ich mäßig erfolgreich alles ausprobiert habe, was geil und spaßig scheint (Bloggen, Fotografie, Mode, DJen, …) wurde mir recht schnell klar, dass ich genauso planlos wie eh und je war, wie ich jemals meine Brötchen verdienen sollte, ohne dabei depressiv zu werden. Vielleicht habe ich deshalb beschlossen, einen Sandwichladen in Shanghai zu eröffnen, obwohl ich nie wirklich ein Foodie war. Nach ein paar Wochen langweilte mich jedoch auch die Idee, die nächsten Jahre Trzesniewski-artige Brötchen zu verkaufen, und so wurde aus der Sandwich-Bude langsam ein Bistro. Kurze Zeit später setzte sich eine zweite Etage auf unser Projekt und schon hatten wir zusätzlich ein Fine-Dining Lokal in Planung. Ihr fragt euch sicher, warum China? Das fragen wir uns auch. Vielleicht waren es die Menschen, die so keck im Pyjama durch die Straßen schlendern, die uns verzaubert haben oder der Geruch der vielen fake Chanel-Taschen, der uns zu Kopf gestiegen ist … jedenfalls hat diese Stadt etwas Faszinierendes an sich.

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Und ihr fragt euch sicher auch, warum redet die ständig von „wir”? Natürlich gibt es in diesem Unterfangen nicht nur mich, sondern auch meinen bezaubernden Freund Daniel, der im Moment wohl an seinem Schreibtisch in Shanghai sitzt und austüftelt, wie wir unser Design umsetzen können-zumindest stelle ich mir das so vor. Ursprünglich aus dem Burgenland, ein angetestetes BOKU & Wirtschaftsstudium, eine mittel erfolgreiche Model-Karriere und ein bravourös gemeistertes Architektur Studium später, ist er der Zweite im Bunde. Architekten verstehen was von Räumen, vom Essen und vor allem vom Trinken, so schien es quasi der logische nächste Schritt in seiner Karriere. Und nachdem Geld auch nicht auf Bäumen wächst und Businesspläne sich nicht von selbst schreiben, ist Nik, mein Vater, der Dritte, der mit seiner wirtschaftlichen Expertise und seiner halb so jungen chinesischen Frau dem ganzen Projekt das kulturelle Verständnis plus Hand und Fuß gibt. Wenn ihr nun entflammt schnurstracks eure sieben Sachen packen wolltet, um uns in unserem neuen Bistro/Restaurant zu besuchen, muss ich euch leider vorerst vertrösten. Wir sind schon einmal stolz darauf, dass ein Abrisstrupp das Lokal entkernt (und zu unserer großen Verwunderung den Schutt per Rad abtransportiert) hat. Die Dinge laufen in China überhaupt anders ab.

Ich kann euch aber versichern, dass die ein oder andere Überraschung wohl noch auf uns lauern wird. Soviel sei jedenfalls verraten, wenn alles nach Plan läuft, sollten wir Anfang nächsten Jahres Tür und Tor für euch öffnen, aber natürlich könnt ihr schon jetzt in weiser Voraussicht einen pin in die Shanxi Road Ecke Beijing Road setzen, denn das ist der Ort an dem Zauber zu Wirklichkeit werden wird.

Zu behaupten, es ginge uns bei diesem Projekt nur ums Essen, wäre gelogen. Es geht viel mehr darum, eine ganze Welt aufzubauen-nicht nur einmal, sondern immer wieder neu. Daniel pflegt zu sagen, sobald ein Projekt fertig ist, wird es langweilig. Deshalb werden wir  unseres in Bewegung halten und stets neu gestalten wie ein weißes Blatt, das immer wieder neu beschrieben wird. Im Zentrum sollen unterschiedliche Themen stehen, deren Niederschlag sich nicht nur im Kulinarischen, sondern auch im Design, in der Raumgestaltung oder in der Musik finden wird. Mit Freunden zusammenzuarbeiten, unterschiedliche Dinge ausprobieren, kurz gesagt eine interdisziplinäre Plattform aufbauen, wäre das bescheidene Ziel, das wir uns gesteckt haben.

Aber noch einmal zurück zum Essen-in Österreich aufzuwachsen geht lu­kul­lisch nicht spurlos an einem vorbei und als Jüdin bekommt man schon mit der Muttermilch eine Affinität für Israelisches Essen. Dementsprechend würden wir diese Essgewohnheiten gerne in unser Restaurant einfließen lassen. Ich sehe mich jedoch auch als Europäerin, als Kosmopolitin, so möchte ich nicht eine Küche, basierend auf nationalistischen Vorstellungen, huldigen, sondern unterschiedliches ausprobieren, beschnuppern und mischen, wobei immer die Qualität der verwendeten Produkte im Vordergrund stehen sollte. Natürlich haben wir auch ein Gewissen, daher wird es sehr viele vegetarische und vegane Speisen geben und unsere Zutaten sollen so natürlich und chemiefrei wie möglich sein (am liebsten wollen wir Obst & Gemüse selbst anbauen). An dieser Stelle an alle ChefköchInnen und KonditorInnen da draußen, die so verrückt sind wie wir-meldet euch! Wir brauchen noch Verstärkung!

PS: … und vom oberen in das untere Restaurant-Stockwerk wird es natürlich eine Rutsche geben! 

Falls ihr nicht mehr länger warten wollt und schon jetzt Fan von Daliah seid, geht zu ihrer Ausstellung „Shot every five minutes”, die von 31. Oktober bis 14. November im Rahmen des Monats der Fotografie in Wien gezeigt wird. Daliah hat ein Jahr lang alle fünf Minuten ihren Screen fotografiert und daraus 1000 Screenshots ausgewählt, die sie unter Anderem im Rahmen der Ausstellung zeigen wird.

Daliah Spiegel: Shot every five minutes
O.T.
31. Oktober bis 14. November