MUNCHIES Guide to: Münchener Bahnhofsviertel

Die Erwartungen an einen Guide der bayerischen Landeshauptstadt dürften in eine klare Richtung gehen: Wurst-Dominanz, rustikaler Braten- und Hendlwahnsinn, süffisante Brauereitipps, bayerische Absolut-Verweigerung von fleischfreier Ernährung. Etwas Fusion-Küche (bayerisch-mediterran, anyone?), die Geheimtipp-Imbissbude von nebenan, so was eben. Damit könnten wir auch dienen, aber das wäre ungefähr so spannend wie die Festrede des Münchener Oberbürgermeisters zum Oktoberfest-Anstich. Oder Seehofers Meinung zur Flüchtlingsproblematik.

Doch Münchener Kulinarik ist mehr als der Weißwurst-Äquator. Das Fleisch-Herz der Stadt schlägt nicht unbedingt rund um das Hofbräuhaus, sondern vielmehr im Bahnhofsviertel. Das wissen die bereits, die sich von einer möglichen Lebensmittelvergiftung in den oft schäbigen Buden nicht abschrecken ließen. Denn tatsächlich tummeln sich zwischen den öligen Lebensadern Schwanthaler- und Landwehrstraße alle Nationen des Nahen Ostens im friedlichen Zusammenleben mit den nicht ganz so schönen und nicht ganz so reichen Bürgern Münchens. Der Bericht fällt daher überwiegend helal aus. Also wie sagt man so schön: „Afiyet olsun!” oder „An guadn!” und auf ins Getümmel.

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Pizzeria Regina (Paul-Heyse-Straße 23)

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Das wichtigste Schlagwort des Hauptbahnhofviertels: Eventgastronomie. Wo andere Pizzaläden einfach papptrockene Teigfetzen in Elektroholzöfen schieben, macht die Pizzeria Regina genau das Gleiche—nur ist die Herstellung mit einer kleinen Nachhilfestunde verbunden. Am Ende weiß man, der „Ramadan ist gut für Körper und für Geist, wie für Deutschland der Zweite Weltkrieg. Alle hatten sehr viel gehungert und sind dadurch sehr gesund geworden und sehr glücklich.” Manche Leute behaupten ja, gut sei das Gegenteil von gut gemeint.

Ratchada Thai-Restaurant (Schwanthalerstraße 8)

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Erster ernst zu nehmender Tipp: Hier kostet jedes Gericht nahezu 20 Euro (Anmerkung der Redaktion: Das ist auch in München kein Spott-Preis.), dafür ist das Thai-Food hier aber auch wirklich, wirklich gut. Und Karaoke gibt es auch noch. Als Nachtisch empfehlen wir einen McSundae Geschmacksrichtung Karamell beim benachbarten McDonald’s. Dieses Zwei-Gänge-Luxus-Menü ist täglich (!) bis um 4.00 Uhr morgens zu haben, vorausgesetzt, die McDonald’s-Mitarbeiter haben die Eismaschine noch nicht ausgestellt.

Taklamakan (Bayerstraße 27)

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Ansonsten empfehlen wir als Hauptbahnhof-Survival-Tipp Nummer 1 immer gerne, sich auf sein Bauchgefühl zu verlassen. Taklamakan ist an manchen Tagen eine Ausnahme. Ein Restaurant in Reisebürooptik. Die uigurischen Spezialitäten sind so speziell wie ein Nachmittag im Tanzcafé Maratonga (Googeln, bitte.). Die Uiguren sind eine muslimische Minderheit in China, man kriegt hier also einen interessanten Mix aus arabischer und asiatischer Küche. Ein guter Einstieg sind dabei die hausgemachten Lagman-Nudeln mit Paprikagemüse und Lammfleisch. Wenn man nach abgefahrenem Zeug (in manchmal nicht ganz so annehmbarer Qualität) sucht und interkulturelle Kompetenz direkt am Bahnhofsgebäude demonstrieren will, kann man hier auf jeden Fall den Swag aufdrehen.

Bereket Sofrasi (Landwehrstraße 25)

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Der Hackfleisch-Dönerspieß macht nun wirklich nicht den besten Eindruck. Dafür wandern hier mit die besten Adana-Spieße der Landwehrstraße auf den Grill—wenn dieser mal funktioniert. Dazu gibt es frisch gegrilltes Gemüse und Fladenbrot. Dabei ist der Ansturm nie so groß wie bei unserem Lieblingsladen Altin Dilim (siehe unten), deswegen weichen wir manchmal hierhin aus.

Altin Dilim (Goethestraße 17)

Hands down und Schluss mit lustig: Altin Dilim ist der mit Abstand beste türkische Take-Away-Laden Münchens. Leider weiß man das wohl auch, weshalb der Döner auch mal etwas kleiner und teurer ausfällt als anderswo, und dennoch ist der Laden eigentlich immer gut besucht. Natürlich sind Döner, Köfte und sämtliche Grillspieße mehr als zu empfehlen, denn zu beidem gibt es frischen Salat und Kräuter. Aber auch bei der großen Nachspeisenauswahl kann man zuschlagen: etwa Baklava in vielen Variationen oder Künefe, in Sirup gebadete und anschließend gebackene, feine Fadennudeln mit einer dicken Käsefüllung, sorgen für einen ordentlichen Blutzuckerspiegel. Do it!

Sarajevo Imbiss (Paul-Heyse-Str. 23; Eingang Landwehrstraße)

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Landwehrstraßen-Institution. Hier speisen auf jeden Fall nur echte Männer, Mimosen „schauen bloß kurz” und nehmen als Verlegenheitsgeste die Visitenkarten mit. Leider ist der Umsatz des Saravejo Imbiss seit einigen Jahren eingebrochen: Bis damals waren nebenan noch sportliche Kurzhaarschnitte für sechs Euro zu haben, die Sofortkundschaft ist jetzt weg.

Tarboosh „Flagship Store” (Paul-Heyse-Straße 23)

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Der Besitzer ist Palästinenser, der lange in Los Angeles gelebt hat. Legit. Die mit Abstand beste Falafel des Viertels, sowie 1-a-gemischte Beilagenteller. Das Shawarma landet hier frisch auf dem Grill und dreht nicht seit Tagen seine Runden am Spieß. Die Tatsache, dass Tarboosh eine ähnliche Expansion wie der Friseur Paradiso (siehe unten) hingelegt hat, spricht für sich, auch wenn der übernommene Gyrosladen in der Schillerstraße nie einen leichten Stand hatte. Jetzt hat er dann geschlossen. Wie dem auch sei: Bei Tarboosh am besten die Mittags-Primetime vermeiden, Take-Away bestellen. Vor der Tür hat man einen Blick auf den würdelosen Arbeiter-Strich des Viertels.

Döner Ali Baba (Schillerstraße 6)

Historischer Boden. In diesen heiligen Hallen lies sich anno dazumal der damals aufstrebende Sprechgesangs-Künstler Haftbefehl zu einem berechtigen Statement hinreißen: „Stefan, euer Döner in München ist echt beschissen.” Urban Myths.

Royal-Kebabhaus (Arnulfstraße 5)

„Vegan” ist ein schwieriges Konzept in dieser Hood. Und doch wird hier ein veganer Döner angeboten. Auch der reguläre Döner hier ist mehr als stabil. Außerdem gibt es die „Wunderlimo” Papa Türk, die selbst den miesesten Mundgulli nach einigen Minuten neutralisiert, auch wenn das Petersilien-Aroma mehr als gewöhnungsbedürftig ist. Hier kann man also nach kulinarisch getaner Arbeit und anschließend im Military Shop nebenan eine neue Acryl-Bong erwerben.

Verdi Süpermarket (Landwehrstraße 46)

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Der Verdi Supermarkt ist eine echte Instanz. Seit 20 Jahren findet man hier eine Riesenauswahl an Lebensmitteln, Gemüse und Kräuter straight outta Bosporus und eine Fleisch- und Fischtheke, die ihresgleichen sucht. Preis, Qualität und Verarbeitung sind hier top, das werden auch echte Koch-Profis gerne bestätigen. Samstags ist die Landwehrstraße deshalb auch mit dem Auto nicht mehr befahrbar. Nur den Dönerstand am Eingang hätte man sich sparen können.

Cabaret Imperial (Schillerstraße 16)

Der Laden gehört hier streng genommen nicht rein, gehört aber doch dazu. Unter den Strip-Lokalen der Schillerstraße ist das Cabaret Imperial sicher einer der empfehlenswerteren Läden, ihm fehlt natürlich der Hardcore-Charme des Bad Angels gegenüber („Nein, das ist kein Hell’s Angels Laden.”). Für einen kleinen Absacker gen Feier-Feierabend bestens geeignet.

„Bolanow” Rubenbauer (Bahnhofsgebäude)

Für den billigen Suff ist selbst an Münchens wichtigen Verkehrsknotenpunkten gesorgt. Von der Bayerstraße einfach rein in die Schalterhalle und rechts in den Rubenbauer, dort greift man zur Flasche Wodka Bolanow für schlanke 9,99 Euro. Mit Beigetränk werden so vier Leute stramm-besoffen, denn der Wodka Bolanow wird der Legende nach bei Vollmond in den Trommeln russischer Feldartillerie gebrannt. Hörensagen. Tipp: Der nahegelegene Telekom-Hotspot beim Burger King im ersten Stock lässt sich mit einigen Flaschen Bolanow umso besser belagern.

Yormas (Bahnhofsgebäude)

Hier ist ein Händedruck so warm und fettig, wie die um 5.00 Uhr morgens zur Schau gestellten Bratwürste. Dafür holt man sich für 2,20 Euro zwei Salamibaguettes, wenn’s bei kleinem Geldbeutel auch mal haram sein darf.

Burger King (Bahnhofsgebäude)

Ja, das ist einer der Burger Kings aus dieser schrecklichen Enthüllungsreportage. Wallraff, Yi-Ko Holding und so. Und ja, wir haben alle dort gegessen und werden es weiterhin tun, schließlich lässt unter Alkoholeinfluss der moralische Kompass schnell nach. Übrigens: Um die keifernde, sogenannte Rabenfrau vor der Bahnhofsapotheke sollte man einen Bogen machen.

Wombats Hostel (Senefelderstraße 1)

Wer dachte, der Wodka Bolanow sei schon die Lösung aller weltlichen Probleme, liegt falsch, schließlich fehlt einem ja noch die passende weibliche Begleitung. Im Wombats Hostel sammeln sich vor allem Touristen aus Australien, um die „Weltstadt mit Herz” und ihre Bewohner kennenzulernen. Außerdem gibt es Cuba Libres für 5 Euro. Eine wirklich infernalische Kombination, denn nach einigen dieser Kaltgetränken fliegen gerne auch mal die internationalen Fäuste.

Sofitel Munich Bayerpost (Bayerstraße 12)

Einmal im Jahr haben wir Angst, es ist Oktoberfest. Hier kann man sich Ende September vor Seppelhüten und Erbrochenem an die Pianobar retten, wenn man bereit ist, für drei Bier und einen Longdrink 35 Euro zu zahlen. Wer das Oktoberfest kennt, findet das gar nicht so abwegig.

Konditorei Herrmann (Paul-Heyse-Straße 14)

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In der Paul-Heyse-Straße sorgt der preisgekrönte Konditor Herrmann für das fehlende Kleinstadt-Flair. Hier wird alles selbst gebacken, wenn man also an einem Katersamstag auf der Suche nach Gebäck großmütterlicher Qualität ist, gibt es keine Alternative. Kleindeutsche Lobhudelei in den Google-Rezensionen: „Ein sehr freundlicher Mann steht hinter der Theke.” „Sehr geile Brezn.”

Friseur Paradiso (Schillerstraße 18)

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Der Friseur Paradiso war ein Geheimtipp, mittlerweile sind die Besucherzahlen explodiert und der Besitzer hat insgesamt drei Filialen im Hauptbahnhof-Viertel eröffnet, allesamt in Gehdistanz zur Schillerstraße. Hier spricht man arabisch und türkisch, pumpt an schlechten Tagen den billigsten Ibiza-House und an guten Tagen eine feine Selektion zwischen Pusha T und Haftbefehl. Auch wenn der Herrenhaarschnitt mittlerweile 9 Euro kostet: Paradiso, wir lieben dich. Umso mehr, weil wir nun auch freitagabends dank der Wartemarken zeitnah zum Boxerschnitt kommen.

Sara Restaurant (Landwehrstraße 42)

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Ein weiterer nicht mehr ganz so geheimer Tipp, wenn es ums „Spieße genießen” (*Celo 385 Voice*) geht. Die Zeiten, in denen ein Besuch im Sara Restaurant sich dank Razzien durch Zollbeamte noch spannender gestaltete, sind vorbei. Trotzdem wird der hauseigene Fladenbrot-Ofen ordentlich unter Feuer gehalten. Alles, was bei der Zubereitung nicht um einen Spieß herumkommt ist, unbedingt zu empfehlen und dazu gibt es das eben genannte Fladenbrot frisch aus dem Ofen. Ballert bös.

Nawa Süßigkeiten (Landwehrstraße 31)

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Syrien ist bekannt, durch Barrel Bombs in einem beschissenen Bürgerkrieg. Es war auch mal bekannt für seine Pistazien und Zuckergebäck. Als Laie ist man bei der Auswahl absolut überfordert und bestellt deshalb am besten eine gemischte Box im Geldwert zwischen 5 und 500 Euro. Diabetiker kollabieren hier bereits auf der Türschwelle, alle anderen können sich hart gönnen.