Mundartrap-Insider sagen dir, wieso du den Physical Shock-Sampler nicht verpassen darfst

Eigentlich sollte der Sampler des Physical Shock Kollektivs bereits vor einem Jahr erscheinen. Aber wie es halt so ist mit guten Dingen: Sie wollen Weile haben. Doch im März 2017 ist die Zeit nun endlich Reif für das Album Physical Shock Vol. 1 des angesagten Trios aus der Zürcher Agglo. Physical Shock fahren dabei einen Film, der in dieser Art in der Schweiz noch nie gesehen wurde. Der Cast dieses Films lautet wie folgt: Xen, unbestrittener Anführer und das Aushängeschild des Labels, EAZ, Lieblingsrapper deines Lieblingsrappers und der noch unbeschriebene, aber nicht mindertalentiere Liba. Die Filmmusik stammt aus dem Computer des hauseigenen Produzenten Lii, der einen wichtigen Teil zum Erfolg der Jungs beiträgt.

Diese vier Akteure sind die Protagonisten eines Albums, das jetzt schon als Mundartrap-Classic betitelt werden kann. Die Szene befindet sich seit einigen Jahren in einer Neuorientierungs- und Umbruchphase und das Kollektiv um Xen spielt in dieser eine nicht zu unterschätzende Rolle. Der Sampler ist seit vergangenem Freitag erhältlich und wird von verschiedenen Schweizer MCs auf den sozialen Medien gefeiert. Die Fans goutieren die Truppe schon seit längerer Zeit und so verzeichnen die Solo-Videos der Jungs massiv viele Klickzahlen auf YouTube. Im Allgemeinen herrscht allerspätestens nach dem Auftritt von Physical Shock am diesjährigen Bounce Cypher die Meinung vor, dass es sich bei diesen Jungs um eine der freshesten Combos der Szene handelt.

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Um dem Hype auf den Grund zu gehen, haben wir verschiedene Akteure aus der Schweizer Rapszene gefragt, was sie von Physical Shock halten, ob sie sich den Sampler angehört haben und wie ihre Meinung dazu ist.

Pablo Vögtli, Moderator SRF Virus / Rapper

“Ich beobachte die Jungs seit einiger Zeit und habe immer mal wieder mit ihnen zu tun. Sie waren erst gerade bei uns in der Sendung und auch ihr Cypher-Part wird nicht so schnell in Vergessenheit geraten: Es ist der mit Abstand meistgeklickte Cypher-Part aus dem Bounce Cypher 2017. Die Jungs haben eine unglaublich starke Fanbase, die sie immer wieder aktivieren können. Was ich an der Zusammenstellung mag, ist die Verschiedenheit der drei: Xen zählt zu den etablierten Acts und ist ein Flowmonster. EAZ ist die albanisch-schweizerische Reinkarnation von Tupac und Liba ist ein straighter Techniker, mit unglaublich komplexen und geilen Reimstrukutren. Diese Kombination drückt stark durch auf dem Sampler – mitsamt der Tatsache, dass es bei den Jungs wohl auch freundschaftlich stimmt – seit Jahren. Das hört man.”

Bossnak, Rapper

“Mir gefällt der Sampler als Ganzes sehr gut. Vorallem der Fakt, dass es nicht ein klassischer Sampler ist, auf dem irgendwelche Songs aneinander gereiht sind, sondern dass es quasi ein Crewalbum ist. Das Album hat nämlich einen ganz spezifischen Vibe und eine einzigartige Atmosphäre und funktioniert als Gesamtwerk. Es trifft in Sachen Rapskills und Technik, aber auch in Bezug auf Producing und Soundästhetik absolut den Nerv der Zeit und kann locker mit internationalen Produktionen mithalten. Probs an dieser Stelle auch an den Hausproduzenten von Physical Shock Lii, aber auch an Ikara & HSA aka The Rookies, die als Additional Producers fungieren und das Album gemischt haben.”

Leduc, Rapper

“Ich habe den Sampler mit Freude durchgehört und bin begeistert. Die Jungs überzeugen mit einer eigenen Soundästhetik und viel Liebe zum Detail. Physical Shock bringen frischen Wind in die Szene, machen wirklich was Neues und haben eine eigene, unverkennbare Handschrift. Mir fällt auf, dass alle drei MCs sehr variabel sind, wenn es darum geht, ihre Stimme einzusetzen. Schlussendlich stimmt es für mich einfach im Gesamtpaket. Meistens gibt es ja keine allgemeingültige Formel, aber man spürt, dass da alles zusammenpasst und miteinander harmoniert. Oder wie es Piment sagen würde: ‘Es gaht um dä Feeling’. Und noch was: Was bei 1:20 auf dem Song ‘Alé’ passiert, ist ganz grosses Kino, Big up!”

Emm, Rapper

“Ich lese überall, wie geil dieser Sampler sein soll. Leider konnte ich mir ihn noch nicht anhören, denn aktuell habe ich für Schweizer Rap circa so viel Zeit wie für alles andere, was keine Rechnungen bezahlt. Es ist schwierig, eine Erwartungshaltung an so eine Platte in Worte zu fassen. Ich habe Labelsampler immer gehasst. Mich nervten all die Rapper, die mich nicht interessierten, neben dem Rapper, der mich interessierte. Dynasty: Roc La Familia von Jay Z und solche Spässe. Immerhin ist aber bei Phyical Shock das Talent nicht nur gleichmässig verteilt, sondern bei allen mehr als üppig vorhanden. Rappen können die Jungs, mehr als gut sogar. Ob es mich interessiert, was die erzählen? Das muss ich wohl noch herausfinden und werde es tun. Weil ich liebe Rap noch genug dafür, dass ich mir einen Release aus Neugier anhöre, obwohl ich keinen von denen persönlich kenne oder da tiefere Verbindungen habe.”

Adrian Schräder, freischaffender Musikjournalist

“Es gibt wohl niemanden, der auf den ersten Blick weniger mit Mundartrap zu tun hat als Denise Biellmann. Die Eiskunstläuferin und Erfinderin der Biellmann-Pirouette – endloses Schrauben um die eigene Achse auf einem Schlittschuh, der zweite Schlittschuh über den Schultern mit den Händen umfasst – hat mit ziemlich grosser Wahrscheinlichkeit keine Tracks von S.O.S., Didi oder Tommy Vercetti in ihren Spotify-Playlists. Von Xen, Liba und Eaz hat sie wohl noch nie gehört. Und dennoch offenbaren sich nach ein paar Hördurchläufen von Physical Shock Vol. 1 zwei Parallelen: die Kunstfertigkeit und die eisige Kälte. Als die Zürcherin 1980 im kanadischen Wintersportort Lake Placid zum ersten Mal ihre Pirouette zeigte, muss das dortige Publikum Ähnliches empfunden haben wie dasjenige dieser Mundartrapper beim Hören des neuen Labelsamplers. Der Höhepunkt der Kür trägt den Namen ‘Immer scho da gsi’. Ein Stück, das in Sachen Flow den State-of-the-Art verkörpert. Dass von der thematischen und atmosphärischen Varianz noch mehr drinliegen würde, als was auf diesem Sampler gezeigt wird – manchmal ist es halt praktisch nur Kunsthandwerk – hat Xen auf seinem letzten Soloalbum bewiesen.”


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