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Aber gab es einen konkreten Grund, warum du dich hinsetzen musstest, um diesen Song zu schreiben?
Es gab tatsächlich Entwicklungen, die mich gestört haben. Anfang der Neunziger begannen die Leute, Waffen auf den Shows zu tragen. Es gab Messerstechereien, Leute wurden mit Hämmern verletzt. Es entwickelte sich in eine ganz andere Richtung. Es kamen diese HipHop- und Gang-Elemente in die Szene. Ich habe es nicht verstanden. Diese Leute haben damals versucht, ihren Platz in der Hardcore-Szene zu finden. Mittlerweile wissen die Leute sicher, dass es bescheuert ist, was sie damals gemacht haben. Ich meine, sie waren damals 15, 16 Jahre alt, voll mit Testosteron und drauf und dran, der Welt zu beweisen, was für harte Kerle sie sind. Darum ging es bei „This Is Not Your Soundtrack For Violence“. In der Show ging es darum, den Leuten zu erklären, dass ich nicht wütend werde, wenn mich mein Freund beim Stagediven ins Gesicht tritt.
Was war das Schlimmste, das du mal auf einer Show gesehen hast?
Ich habe gesehen, wie ein Freund von mir während einer Gorilla Biscuits Show mit einem Messer attackiert wurde. Er war draußen, es gab dort einen Kampf und er kam zurück durch die Tür und ich sah nur, wie er seinen Bauch hielt. Ich dachte intuitiv, dass auf ihn geschossen wurde. Aber er wurde mit einem dieser abgefahrenen, riesigen Rambo-Messer niedergestochen. Er lag auf dem Boden und ich versuchte, seinen Kopf oben zu halten und stopfte ihm drei oder vier Gorilla Biscuits Shirts in die Hose, um bis zum Eintreffen der Ambulanz das Blut aufzuhalten. Und sonst … Ich drehe nicht gleich durch, wenn es während Shows zu Kämpfen kommt. Ich versuche einzugreifen, wenn es denn in meiner Macht steht. Und ich denke nicht, dass es notwendig ist, sich zu schlagen. Aber ich weiß auch, dass viele Menschen anders denken als ich und aggressiv werden, wenn sie beim Tanzen geschlagen werden. Ich versuche, in der live-Situation nicht als Sittenwächter aufzutreten. Punk und Hardcore ist etwas, das nicht übermäßig kontrolliert werden sollte. Egal, ob es um Barrikaden, Security oder Gräben geht. Wir sollten in der Lage sein, uns Shows so einzurichten, wie wir sie haben wollen.
Nach Situationen wie der eben von dir beschriebenen, konntest du dich mit dieser Szene immer noch identifizieren?
Ja, das ist ja nur eine Situation von vielen. Diese Szene ist ja seit langer Zeit mein Leben. Ich gebe ja nicht das, was mir Spaß macht und das, was ich für richtig halte, wegen eines Ereignisses auf. Ich würde dann eher versuchen, etwas zu verändern. Du musst auch bedenken: Keine der Personen, die damals verletzt wurden, sind Unschuldsengel. Da wurde ja auch viel provoziert und sicher hatten da manche Einiges auf dem Kerbholz, das dann wieder auf sie zurück fiel. Davon abgesehen weiß jeder, was er macht. Wenn sich jemand beim Stagediven verletzt und dann den Club verklagt, dann kapiere ich das nicht. Wenn du Angst hast, dich zu verletzen, dann bleib zu Hause. Punkrock war immer auch ein bisschen gefährlich.
Wie hat sich Hardcore aus deiner Sicht verändert in den letzten zwei Jahrzehnten?
Als wir zum ersten Mal in Europa spielten, waren das vorwiegend Squats. Wir spielten vor Crusties, Punks und ein paar Hardcore-Kids. Wir haben versucht, ihnen unser Verständnis von Musik und von unserer Szene zu zeigen und es gab einen gewissen Austausch. In den 90ern passierte dann etwas Merkwürdiges. In New York entwickelte sich Hardcore in Richtung Metal und HipHop. Mir war immer schleierhaft, was das mit Hardcore und Punkrock zu tun hat. Ich mag Beides, aber fand es im Zusammenhang mit Hardcore einfach unnötig. Hardcore ist Hardcore. Aber die Neunziger waren eine furchtbare Zeit für Musik allgemein. Auch als das mit CIV los ging, fühlte sich die Musikszene generell merkwürdig an. Bands wie Green Day, Offspring oder Rancid wurden von Majorlabels gesignt und groß gemacht. Punkrock bewegte sich also in Richtung Pop und in den Mainstream. Ich hielt das grundsätzlich nicht für eine schlechte Sache, so lange die Dinge, die transportiert werden, immer noch gehaltvoll sind. Auch wenn unsere Musik zugänglicher wurde, ging es immer noch um die Themen, die uns wichtig waren. Die Tatsache, im Radio und auf MTV gespielt zu werden, war total in Ordnung.
Warum ging die Rechnung für euch nicht auf?
Zunächst mal ist es ja so: Eine Million Platten und mehr zu verkaufen ist so wahrscheinlich wie vom Blitz getroffen zu werden. Green Day und Offspring hatten einfach den richtigen Song zur richtigen Zeit. Wir trafen wahrscheinlich einfach nicht den Nerv, wir kamen nicht aus der Punkrock-Ecke, wir waren eher so Post-Hardcore, gingen in die poppige Richtung, hatten viele upbeat Songs. Wahrscheinlich waren wir für den Punk-Hype zu der Zeit einfach zu schnell, keine Ahnung. Wir haben aber auch nicht versucht, uns an den Zeitgeist anzupassen, wir haben einfach die Musik gemacht, die uns gefiel. Es ist nicht so, dass wir enttäuscht sind oder irgendwas bereuen würden. Unser einziges Ziel damals war, eine 7inch zu veröffentlichen und im CB’s zu spielen. Alles darüber hinaus war für uns das extra Sahnehäubchen. Wir sind um die ganze Welt getourt, wir haben im Madison Square Garden gespielt, wir waren in Stadien, wir waren in Squats, wir haben echt alles gemacht. Und das wissen wir absolut zu schätzen.
Wie fühlt es sich heute an, mit CIV zu spielen?
Es ist cool. Früher waren wir auf einem großen Label, hatten Verantwortung und es fühlte sich wie ein Job an. Es war nicht immer leicht. Ein paar Shows und Touren haben Spaß gemacht, aber wenn du das Gefühl hast, die Musik ist dein Job, dann ist es einfach nicht mehr dasselbe. Du machst es nicht mehr, weil du willst, sondern weil du musst. Ich ging durch genau diesen Prozess und es ist einfach Scheiße. Ab einem bestimmten Punkt willst du dann einfach nicht mehr. Es dauert ein paar Jahre, das alles sacken zu lassen, zu erkennen, warum du dich in bestimmten Situationen auf diese oder jene Weise gefühlt oder verhalten hast. Wir hatten den ganzen Zirkus mit Nightlinern, einer Crew, Soundleuten usw. und trotzdem war der Spaß weg. Darum habe ich aufgehört. Heute dagegen heißt es: Wollt ihr mal in einer Woche vier Shows spielen und wir packen unsere Gitarren und ein bisschen Merch ein und los geht’s. Ich habe einen regulären Job, ein Haus und eine Tochter. Es gibt also genug Verantwortung in meinem Leben und ich kann das hier einfach genießen und nur für mich machen. Es ist total entspannt.
Schreibt ihr auch neues Material?
Nein, wir proben nur für die Shows. Jeder schreibt für sich an Songs, aber wir haben nicht vor, ein neues Album rauszubringen. Wir haben auch keine Lust, uns mit der heutigen Musikindustrie auseinanderzusetzen. Die Leute kaufen keine Platten mehr, Labels versuchen, Geld aus den live- und Merchgeschäften zu ziehen und beanspruchen daran Anteile. Das hat einfach mit meiner Vorstellung, wie Musikgeschäfte betrieben werden sollten, nichts mehr zu tun. Wir machen gerade einfach nur unser Ding und fertig.
Du hast dich vorhin als Genre-Purist erklärt. Jemand wie Freddy Madball ist mittlerweile auch als MC unterwegs. Könntest du dir vorstellen, Musik in einem komplett anderen Genre zu machen?
Das wäre nicht so einfach. Aber ich stehe schon sehr auf Musik aus den 50ern und 60ern, auf Oldies und auch auf Rock’n’Roll der alten Schule. Aber ich würde deswegen nicht gleich eine 50ies DooWop-Band gründen. Es müsste schon der richtige Zeitpunkt sein, man bräuchte die richtigen Leute dafür. Ich habe fertige Songs, die nichts mit Hardcore zu tun haben und die ich schon ein paar Mal mit Walter zusammen gespielt habe. Aber ich bin da einfach nicht hinterher. Ich habe meine Rolle in den letzten Jahren in anderen Bereichen gefunden und das ist ok so.
Wo hast du eigentlich deine unverkennbaren Dancemoves gelernt?
Ich bin einfach ein guter Tänzer.
Du hast es in den Genen?
So sieht’s aus. Ich kann nichts dagegen machen.
Als es mit den Gorilla Biscuits losging, wie lange hättest du gedacht, könnte dieses Bandleben gehen?
Darüber habe ich nie nachgedacht. Klar gibt es Leute, die in Bands sein und eine Musikkarriere anstreben und Rockstars werden wollen. Das hat uns nie interessiert, deswegen haben wir darüber nie nachgedacht. Es ging nur darum, Shows zu spielen, Freunde zu sehen, zu tanzen, ein paar Mädels zu beeindrucken und Spaß zu haben.
Aber der Gedanke, im Jahr 2011 immer noch auf einer Bühne zu stehen und dieselben Songs zu spielen …?
Mein 16-jähriges Ich hätte vermutlich gesagt: Nie im Leben. Aber mit 16 glaubst du, du wirst mit 40 ein komplett anderer Mensch sein. Und bei den meisten Leuten ist das auch zutreffend. Aber ich bin irgendwie immer noch so drauf wie damals mit 16. Ich mache denselben Scheiß, ich mag dieselben Sachen, da hat sich nicht viel verändert. Ich bin immer noch Straight Edge, ich bin immer noch Vegetarier, ich lebe immer noch in New York, ich tätowiere immer noch, ich spiele immer noch in einer Band.
Du hast keine Angst vor dem Alter?
Ich bin der Meinung, du hast diese Angst nur, wenn du schlecht darin bist, dein Leben zu leben. Aber ich fühle mich gut, ich mache Workout, ich laufe. Leute wie Vinnie Stigma spielen noch, bevor die nicht in Rente gehen, muss man sich da keinen Kopf machen. Ich habe eher Angst zu sterben, weniger zu altern. Und die größte Angst, die ich habe, ist während des Lebens zu versagen, ein Scheißtyp zu sein, ein langweiliger Typ mittleren Alters zu sein, dem alles egal ist. Das würde mich wirklich deprimieren.
Keine Angst, krank zu werden, dich nicht bewegen zu können, keine Erektionen mehr zu bekommen?
Ja, das ist verrückt! Das würde mir wirklich zu schaffen machen. Ich glaube, in dem Moment, in dem es passiert, ist es schrecklich. Du bekommst Rückenschmerzen, du kannst nicht mehr richtig laufen, bekommst nen Herzinfarkt … aber ich mache alles Mögliche, um mich fit zu halten. Ich denke nicht darüber nach, dass ich krank werden könnte. Ich war bestimmt seit 25 Jahren nicht beim Doktor.
Wie habt ihr damals darüber gedacht, als ihr einen eurer Songs an Nissan verkauft habt?
Den Song hatte Walter geschrieben. Ich fand das nicht schlimm. Wir haben auch einen Song vom zweiten Album für einen Werbespot für Buntstifte verkauft. Ich fand, Werbespots für Autos oder Buntstifte tun niemandem weh. Ich würde meine Songs nicht an die Republikaner oder eine arische Bruderschaft verkaufen oder so was. Wir mussten uns entscheiden, wo unsere Grenzen sind. Wenn du sagst, du verkaufst dich nicht an Unternehmen, ist es dann ok, T-Shirts zu verkaufen, ist es ok, in größeren Clubs zu spielen. Willst du es wie Fugazi angehen und alles DIY halten? Wir hatten uns für ein gewisses Maß an Professionalität entschieden und mussten dementsprechend auch entscheiden, welche Schritte wir mitmachen und welche nicht. Ich persönlich habe damals versucht, ein Haus für mich und meine Familie zu kaufen. Die Einnahmen durch diesen Clip halfen mir, das zu finanzieren. Für mich war das also eine gute und wichtige Sache. Dieses Geld hätte ich sonst einfach nicht gehabt. Letztendlich hängt es davon ab, wie du mit deiner eigenen Musik umgehst. Eine große Band wie Aerosmith muss sich um so was keine Gedanken mehr machen, wir aber schon.
Foto: Nora Heinisch
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