Music

Musikfestival mit kleinen Kindern? Wir haben das für euch ausprobiert

Dieser Artikel ist Teil des VICE Guides für Festivals, alle Texte findet ihr hier.

Meine Frau und ich betreiben eine Musikwebsite, die es von uns verlangt, häufig auf Konzerte zu gehen. Früher haben wir das immer zusammen gemacht, allerdings haben wir dann aus irgendeinem Grund beschlossen, Kinder in die Welt zu setzen. Jetzt haben wir zwei Jungs. Sie sind ganz cool. Allerdings hat uns ihre Existenz nun echt lange davon abgehalten, zusammen ein Konzert zu besuchen. Stattdessen bleibt immer einer von uns daheim (weil Babysitter heutzutage wirklich verdammt teuer sind), während der andere alleine hingeht. Dieses Arrangement funktioniert insofern, als dass wir beide ziemlich unglücklich damit sind, es uns aber erlaubt, weiterhin zu tun, was wir tun, weil #DIY und so.

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Als die Kids ein bisschen älter waren (sieben und fünf), haben wir beschlossen, dass es an der Zeit ist, als Familie zu Konzerten zu gehen. Natürlich hatten wir sie über die Jahre bereits zu einigen kurzen Shows hier und da mitgenommen, und als unser ältester ein Baby war, haben wir ihn im Tragetuch überall mit hingeschleppt. Aber zu einem wirklich großen Ding hatten wir sie bisher nie mitgenommen. In diesem Sommer beschlossen wir dann, mit der ganzen Gang ein richtiges, mehrtägiges Musikfestival zu besuchen und zu sehen, ob daraus die zwei besten Tage im Leben unserer Kinder werden würden (und wir automatisch die coolsten Eltern der Stadt).

Also packten wir Wasser, Hüte, Sonnencreme, Snacks für die Fahrt, Snacks zu den Snacks, schnallten die Kindersitze fest, verschlossen die Türen, überprüften dreimal, ob wir die Snacks auch wirklich eingepackt hatten, und fuhren in unserem aufgemotzten zweitklassigen Mietwagen, der es manchmal die steilen Straßen von L.A. hochschaffte und manchmal auch eher nicht, zum FYF Fest.

“Papa, was ist ein Feef Fest?”

“Wir gehen nicht zum Feef Fest. Es heißt FYF Fest.”

“Schreibt man FYF nicht Feef?”

“Nein. Es steht für etwas.”

“Für was steht es denn?”

“Kennst du das böse Wort, das mit F anfängt?”

“Ja.”

“Dafür steht es.”

“Oh.”

Wenn man es ganz genau nehmen will, steht FYF Fest eigentlich für Fuck Yeah Fest Fest, aber so sehr habe ich es nicht vertieft. Also ja, das erste echte Musikfestival, zu dem ich meine Kinder mitgenommen habe, war das Fuck Yeah Fest. Dort sollten Kendrick Lamar, Vince Staples, Young Thug und Saves The Day spielen. Manchmal bin ich wirklich ein richtiger guter Vater.

Wir schaffen es beim Festival anzukommen, ohne dass jemand geweint oder getreten oder gekotzt hätte

Wir schafften es tatsächlich, in Rekordzeit dort anzukommen, ohne dass jemand geweint oder getreten oder gekotzt hätte. Selbst nachdem wir über einen Kilometer zum Gelände hatten laufen müssen (und das vom “nahegelegenen” Parkplatz für 20 Dollar), waren wir immer noch über anderthalb Stunden zu früh, die Türen waren noch geschlossen, und die ersten Bands sollten laut Plan erst eine Stunde nach deren Öffnung spielen. Ich bin nämlich auch richtig gut darin, Zeitpläne zu lesen. Auf eine gewisse Weise bin ich sogar ganz glücklich darüber, dass wir extra Zeit eingeplant hatten, um unsere Festivalbändchen abzuholen, da das geschlagene 45 Sekunden gedauert hat. Das war diese fancy Art von Armbändchen, wo man an diesem Fadending ziehen muss, und natürlich habe ich es geschafft, das Ding zu sehr zuzuziehen, sodass man plötzlich an jedem meiner Finger meinen Herzschlag hätte messen können.

Erst dann habe ich in den Umschlag geschaut, in dem das Armband gelegen hatte, und gesehen, dass diese fancy Art von Armbändern mit einer Anleitung kommt (diese Kinder von heute), mitsamt ominöser Aussagen wie: “Nach einmaligem Zuziehen keine Möglichkeit des erneuten Lockerns. Was geschehen ist, kann nie wieder ungeschehen gemacht werden!” Nun ja, ich hatte es also verkackt, und so fragte ich die Menschen in diesem Hüttchen, ob ich ein Ersatzbändchen haben könnte, da mein erstes wohl alles Leben aus meiner Hand quetschen würde, wenn ich es für zwei Tage tragen müsste, und ich dies natürlich nicht zulassen könnte, da das die Hand war, mit der ich immer mein Handy bediene. Sie sagten “Ersatzarmbänder kosten 20 Dollar”, also sagte ich “Ah ok, danke, das passt dann so, ich krieg’s schon hin”.

Es war unglaublich heiß und wir steckten mit zwei kleinen Kindern in Downtown Los Angeles in der Mitte von Nirgendwo und warteten auf das Öffnen der Türen. Wir räumten die Fastfood-Überreste anderer Menschen von einer Betonbank, ließen uns nieder, und saßen dort gefühlt für den Rest unseres Lebens. Der Platz bot uns einen tollen Blick auf die lokale Straßenszene, wo alte Freunde zusammenkamen, um so zu tun, als würden sie sich bekämpfen (zumindest denke ich, dass sie nur so getan haben, es war schwer zu sagen). Außerdem fiel das böse F-Wort ziemlich häufig und ziemlich laut. Und in diesen 90 Minuten betrachteten meine Frau und ich den Dreck und sannen darüber nach, wie scheiße dieser Tag anfing. Unsere Kinder fanden in der Nähe einen Baum, rannten etwa hundert Mal drumherum und hatten eine tolle Zeit. Unbeschwerte Kinderherzen und so.

Der Security tastet ernsthaft unsere Kinder ab – einen Siebenjährigen und einen Fünfjährigen

Endlich öffneten sich die Türen. Aber zuerst mussten wir durch die Sichterheitskontrolle. Und ohne Scheiß, als wir dann endlich dran waren, tastete dieser Security doch ernsthaft unsere Kinder ab. Abtastkontrollen … bei einem Siebenjährigen und einem Fünfjährigen. Eins muss man ihm lassen, er hat immerhin eine Legofigur in der Tasche der Jogginghose unseres Jüngsten gefunden (wie sein alter Herr ist er sehr stilbewusst). Könnt ihr euch vorstellen, was es für ein Chaos gegeben hätte, wenn dieses 3,99-Dollar-Spielzeug aufs Festivalgelände gelangt wäre? Man will sich das gar nicht vorstellen.

Nun da wir auf dem Gelände waren und nur noch eine weitere Stunde herumzukriegen hatten, bevor die ersten Bands auf mehreren sehr weit voneinander entfernten Bühnen spielten (auf dem Gelände fanden 1984 die Olympischen Spiele statt … vielleicht gibt euch das einen besseren Eindruck, was für Strecken wir zurückzulegen hatten). So, also, eine Stunde Leerlauf kann sich mit kleinen Kindern wie eine kleine Ewigkeit anfühlen, und wir hatten schon unser ganzes Glück verbraucht, als wir diesen Baum bei der Bank gefunden hatten. Es gab wirklich gar nichts zu tun, außer überteuertes Essen zu suchen, bei dem man direkt danach schon bereut, es gegessen zu haben. Gott sei Dank gab es einen Wagen, der für fünf Dollar ausgetrocknete Churros verkaufte, also kaufte ich einen, brach ihn in zwei Teile, und gab die meinen Kindern.

“Hier. Esst.”

So hatten wir immerhin gute zwei Minuten rumgebracht, also gingen wir danach zu einem Stand, der für sechs Dollar Limonade verkaufte. Ich kaufte eine und steckte zwei Strohhalme hinein.

“Hier. Trinkt.”

Nach diversen weiteren Stopps an diversen weiteren Snack-Ständen, bei denen ich immer das Billigste kaufte und es in zwei Hälften teilte, war es ungefähr Zeit für die erste Band. Also irrten wir für gefühlte Ewigkeiten hoffnungslos auf der Suche nach der richtigen Bühne umher. Dabei half auch die offizielle Karte des Geländes nicht, und ganz ehrlich, deren Maßstab hat eh nicht gestimmt.

Unseren Kindern ist heiß, es ist ihnen zu laut und sie haben Hunger

Endlich waren wir dann da, wo wir sein sollten, und die erste Band spielte (sie war okay), und da standen wir nun, als Familie, vereint in unserer Liebe zur Musik, mit einem genervten Gesichtsausdruck. Es war nämlich wirklich heiß und unsere Kinder hatten kein Problem damit, uns das wissen zu lassen. Sie fanden auch, dass es zu laut war, obwohl sie diese riesigen Ohrenschützer auf dem Kopf hatten, die Fluglotsen tragen, wenn die fetten Flugzeuge auf sie zukommen. So etwa nach der Hälfte des Sets kam dann eine Frau in einem dieser Hippiegewänder auf uns zu, die momentan bei jungen Leuten so angesagt sind, und kotzt auf den Betonboden neben meinem ältesten Sohn. Zu diesem Zeitpunkt war es 15:30 Uhr. Das Festival ging noch bis 1 Uhr nachts. Sehr geehrte Frau, ich pass gerne auf meine Kinder auf, wenn Sie mit Ihrem Alkoholkonsum ein bisschen aufpassen.

“Warum war ihr schlecht, Papa?”

“Sie hatte schlechte Churros für fünf Dollar.”

Etwa zu dieser Zeit kam eine super anstrengende Frau in einem Michael-Jordan-T-Shirt auf uns zu, kniff meinen Kindern in die Wangen, sagte, wie süß sie doch seien (ich gebe hier nur Tatsachen wieder) und ging dann nicht mehr weg. Sie wollte einfach alles wissen. Wo wir herkommen. Ob wir Musik mögen. Ob wir Basketball mögen. Was wir über San Francisco denken. Ich schwöre euch, die hätte für immer mit uns gechillt, wenn sie gekonnt hätte. Doch nach ein paar Minuten fand meine Frau einen genialen Weg, sie loszuwerden, indem sie sagte, wir würden mal eben ein paar Snacks holen. Ich war mir sicher, dass sie sagen würde “Oh cool, was sollen wir denn essen?”, aber zum Glück tat sie es nicht und wir entkamen dem harmlosen und freundlichen Zusammentreffen mit einer gut meinenden Fremden. Puh! (PS: Ich habe ein Michael-Jordan-Tattoo auf der Schulter – das ist 100 Prozent wahr und etwas, was ich in unserer Konversation außen vor gelassen habe).

Die Kinder sind fertig, also gehen wir heim – obwohl wir geplant hatten, noch etwa neun Stunden länger Musik zu hören

Wir sahen ein paar Songs einer anderen Band auf einer anderen Bühne, die super weit weg war (die waren auch okay), dann drehten unsere Kinder quasi durch. Ihnen war heiß. Sie hatten Hunger (darüber beschwerten sie sich , während sie aßen). Sie hatten keine Energie mehr. Sie waren einfach nur fertig. Also gingen wir heim, obwohl wir geplant hatten, noch etwa neun Stunden länger Musik zu hören, unter anderem den Headliner Kanye West, von dem ich Gutes gehört hatte.

Am nächsten Tag standen wir auf und taten all das nochmal, außer dass wir dieses Mal das Timing mit den Türen besser getroffen hatten, dass meine Jungs nicht abgetastet wurden (vermutlich sahen sie in ihren Spiderman-Anzügen nicht so furchteinflößend aus), und dass wir keine Gespräche mit fanatischen Chicago-Bulls-Fans führen mussten. Ansonsten spielte sich der Tag quasi genau gleich ab. Ein Churro, eine Limonade, ein paar Bands. Eine Menge Laufen, heiß, warm, nörgeln, um 17:30 Uhr daheim. Wir verpassten Headliner Morrissey nur um etwa fünf Stunden.

Eltern spenden Kindern Schatten

Auf unserer endgültigen Heimfahrt, nachdem ich mein Armband ohne Schere MacGyver-mäßig von meiner tauben Hand entfernt hatte, während ich unseren aufgemotzten Mietwagen fuhr, versuchte ich, mit den Kindern eine angeregte Diskussion über die Bands zu beginnen, die sie in den letzten zwei Tagen gesehen hatten. Mochten sie irgendjemanden, den sie gesehen hatten? Mochten sie niemanden? Was waren ihre Highlights? Irgendwas, das anders hätte laufen sollen? Ich brauchte gutes Material für diesen Artikel, den ich schreiben sollte. Mein Siebenjähriger sagte, die Bands “waren okay” (der Apfel fällt nicht weit vom Stamm) und mein Fünfjähriger fragte “Was ist eine Band?”.

Wir waren die Einzigen mit Kindern auf dem Festival – entweder haben wir was richtig falsch oder was richtig richtig gemacht

Auch wenn ich nicht viel aus ihnen herausbekommen habe, so hoffe ich doch, dass ein Teil der Erfahrungen ins Unterbewusstsein meiner Kinder eindringen konnte, und ihnen eines Tages dabei helfen wird, Musik wertzuschätzen, denn seien wir mal ehrlich, Musik ist einfach das Beste. Vielleicht wird es das. Vielleicht auch nicht. Aber wenn ich ehrlich mit mir selbst bin, könnte ich wetten, dass die einzige Konversation über unser Sommerwochenende auf dem Musikfestival, die sie jemals mit ihren Freunden haben werden, in etwa wie folgt ablaufen wird:

“Jap, meine Eltern haben mich mal zum FYF Fest mitgenommen, und kannst du es fassen, dass wir schon vor Kanye Wests Auftritt wieder gehen mussten?”

“Was, ernsthaft? Das ist ja übelste Kacke.”

“Ernsthaft. Das ist nur einer der Gründe, warum ich sie nie anrufe, obwohl sie mich aufgezogen haben und noch immer bedingungslos lieben.”

(Sie klatschen sich ab.)

Ach, keine Ahnung. Man versucht einfach, seine Kinder zu netten und rücksichtsvollen Menschen zu erziehen, die vielleicht auch interessante Dinge wie Musik mögen, und dann drückt man einfach nur noch die Daumen und hofft auf das Beste.

Aber ich sag euch was. Während der ganzen Zeit auf dem Festival habe ich niemand anderen mit kleinen Kindern gesehen. Nicht eine Person. Was bedeutet, dass wir entweder etwas richtig falsch gemacht haben, oder richtig richtig. Ich lasse die anonymen Internetkommentatoren entscheiden. Aber beim nächsten Festival lasse ich vermutlich einfach mehr Geld springen, hole mir einen Babysitter, schaue mir ein paar coole Bands an, und teile mir einen überteuerten Churro mit meiner Frau.

Patrick McNamara ist der coolste Vater auf der Welt. Folgt ihm auf Twitter.

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