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Sex

Wir können uns wieder beruhigen – der deutschsprachige Playboy zeigt weiterhin Brüste

Warum Erotikhefte auch in unserer übersexualisierten Gesellschaft noch einen Platz verdient haben.
Foto: imago/Levine-Roberts

Die Nachricht, dass das berühmteste Sexheft aller Zeiten nicht mehr länger nackte Frauen abbilden wolle, verbreitete sich Anfang der Woche wie ein Lauffeuer. Wie Playboy-Chef Scott Flanders im Interview mit der New York Times erklärte, seien Nacktfotos mittlerweile nur einen Klick entfernt. Es bedürfe also keines Magazins mehr, um diese Nachfrage zu bedienen. Ab März 2016 wird der redaktionelle Schwerpunkt neu gesetzt—einen Eindruck davon, wie das Ganze zukünftig aussehen könnte, gibt bereits die Playboy-Webseite, die seit ihrem Relaunch auch bedeutend zahmer daherkommt.

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Auch hierzulande gab es kaum ein Medium, das die Nachricht nicht aufgriff, wobei die Reaktionen von Wehmut bis hin zu höflichem Desinteresse reichten. So gesehen stimmt es ja: Nacktheit ist mittlerweile überall. Mit Inkognito-Browsermodus und automatischer Verlaufs-Löschfunktion braucht es keine zerknickten Hefte mehr, die man verschämt unter der durchgelegenen Matratze im Jugendzimmer bunkern muss.

Wer sollte es also vermissen, wenn eine Zeitschrift, die die meisten von uns womöglich sowieso noch nie bewusst gekauft haben, plötzlich ein bisschen weniger schlüpfrig wird? Oder, um es mit der taz zu sagen: „Wozu das Bild einer ausgezogenen Studentin Jennifer Müller aus Kassel, wenn das Magazin Vice mit Artikeln wie ‚Ich habe mir einen Sexsklaven geholt und es war toll' auftrumpft?"

Nun, zum einen gibt es natürlich einen Unterschied zwischen intimer Aufnahme und intimem Geständnis. Zum anderen stand der Playboy insbesondere in seinen Anfangstagen für eine alternative Art von Nacktheit. Da ging es eher darum, den weiblichen Körper göttinnengleich zu inszenieren und zum Kunstobjekt zu erheben, als Leuten eine möglichst aufreizende Wichsvorlage zu liefern. Letzteren Job erledigte beispielsweise das ÖKM, das zum einen deutlich vulgärer, und zum anderen eben auch deutlich billiger war.

Selbst die Leute, die außerhalb professioneller Akt-Shootings noch nie eine Vagina gesehen haben, können allerdings erleichtert aufatmen. Wie der Chefredakteur des deutschen und österreichischen Playboy in einer Stellungnahme jetzt noch einmal explizit deutlich machte, sei der hiesige Ableger von dem Imagewandel des großen amerikanischen Bruders nicht betroffen. Scheinbar fühlt sich das Team von Florian Boitin mit der inhaltlichen Mischung aus „facettenreichem Umgang mit erotischer Fotografie" und „Interviews, Reportagen und Lebensart-Inhalten" nach wie vor wohl. Zu Recht.

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Natürlich kann man sich fragen, ob es nicht irgendwann auch mal reicht, mit den ganzen nackten Frauenkörpern überall, mit deren Hilfe mittlerweile alles—vom Haushaltsprodukt bis zum Lebensmittel—beworben wird. Nackte Haut muss nicht mehr gesellschaftsfähig gemacht werden, sie ist so überpräsent, dass Nippel und Genitalien niemanden mehr schockieren.

Das sagen potentielle Playmates zum Playboy ohne Nacktbilder.

Vielleicht sollte der hiesige Playboy aber gerade deswegen die inhaltliche Neuerfindung des großen amerikanischen Bruders zum Anlass nehmen, sich noch konsequenter in Richtung „anspruchsvolle Aktfotografie" zu entwickeln. Wer zeigt, dass der weibliche Körper für so viel mehr stehen kann, als für eine reine Projektionsfläche für Männerfantasien, wer ihn als Kunst begreift, der muss die „Konkurrenz" von Pornhub und Co. nicht fürchten.

Lisa twittert in der Regel keine Tittenfotos, ihr könnt ihr aber trotzdem folgen.


Titelfoto: imago/Levine-Roberts