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Gib Zürich dein Gesicht

Seit neun Jahren ist das Hive der Nightlife-Tempel für Zürich West

Seit einer gefühlten Ewigkeit pilgern Hunderte in das schönste nächtliche Bällebecken von Zürich.
Alle Fotos von Horatiu Sovaiala

Wer noch nie bei Sonnenaufgang aus dem Hive getorkelt ist, kennt Zürich nicht. Seit neun Jahren bietet der Bienenstock an der Hardbrücke zukünftigen Nightlife-Experten, internationalen Top-DJs und feierwütigen Neuankömmlingen eine nächtliche Heimat.

Das Team des Hive ist dabei von der Herkunft her so bunt gemixt wie die Regenschirme, die seine Eingangspassage Instagram-tauglich machen. Als Teil der Kampagne „Ich bin Zürich" auf www.ichbinzuerich.ch habe ich mit vier Leuten dieses internationalen Teams geplaudert. Während Bar-Mann Serge Dikranyan die Bar gerade auf die Party des Monats vorbereitete, erzählte Garderoben-Dame Sandra Vacic von dubiosen Quickie-Angeboten. Und Julia Nguyen liess die Wartezeit auf den Reggae-liebenden Türsteher Dexter aka The Muscle mit Jack Daniel's-Shots zu einem Augenblinzeln schrumpfen.

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Julia Nguyen

Alle Fotos von Horatiu Sovaiala

VICE: Du arbeitest an der Bar im Hive. Was hat dich an diesem Job gereizt?
Julia: Ich bin in Laufenburg im Aargau geboren, zur Schule gegangen und habe dort meine Lehre gemacht. Ich wollte einfach mal raus. Ich wollte schauen, ob ich auch ohne meine Familie auf eigenen Beinen stehen kann. Eine Freundin fragte, ob ich für eine Wintersaison nach Davos mitkomme. Ich war damals extrem schüchtern und wollte einen Job, der das Gegenteil von mir verlangt. Nach der Zeit in Davos habe ich mich in Zürich beworben und dachte: Wenn's mir gefällt, mache ich das zwei Jahre—jetzt bin ich schon neun Jahre hier.

Was macht Zürich nach diesen neun Jahren für dich aus?
Zürich ist sehr multikulti. In Laufenburg waren wir die einzige vietnamesische Familie. Da gab es Blicke, heimliches Getuschel und Gerüchte, die rumgingen. In Zürich ist das anders. Hier bin ich einfach Julia.

Sandra Vacic

VICE: Du sagtest vor dem Interview, an dir ist nichts schweizerisch ausser deinem Pass. Was meinst du damit?
Julia: Ich spüre das vor allem beim Temperament. Von der Mentalität und der Kultur her bin ich 50/50. Ich verstehe zum Beispiel nicht, wie stier die Schweizer sind. Man pocht extrem auf Leistungen und vergisst vielfach den Menschen dahinter.

Du bist aber auch 50 Prozent Schweizerin. Wie zeigt sich das?
Im Denken. Wenn ich heute in Belgrad bin, merke ich, wie konservativ dort alles ist.

Bist du noch oft in Serbien und Bosnien?
Diesen Sommer fahre ich wieder einmal mit meinem Vater nach Belgrad. Ich finde es wichtig, zu sehen, wo meine Eltern aufgewachsen sind. Das ist schliesslich mein Ursprung—auch wenn ich den lange, lange verleugnet habe.

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Warum hast du den verleugnet?
Bei der Lehrstellensuche merkte ich, dass es einen Unterschied macht, ob man Sandra Vacic oder Sandra Müller heisst.

Dexter

VICE: Wie schaut dein Abend als Türsteher aus?
Dexter: Ich stehe hinter dem Selekteur und beobachte alles. Ich bin ein relaxter Typ, ich komme nur zum Einsatz, wenn es ein Problem gibt. Wenn jemand das Nein vom Selekteur nicht akzeptiert, liefere ich die nötigen Muskeln … Obwohl … Ich muss die Muskeln nicht liefern, die Leute sehen sie schon vorher!

Als Türsteher bist du ständig mit Party konfrontiert. Machst du selbst noch Party?
Party mache ich nicht so oft. Ich stehe ja das ganze Wochenende über hier beim Hive und höre die Musik sowieso. Aber ich komme aus dem Party-Land Trinidad und Tobago. Wir wissen, was richtige Partys sind. Wir legen für eine Woche die Stadt lahm, um zu feiern—kein Witz! Wenn ich hier in meiner Freizeit mal Party mache, gehe ich aber lieber nach Basel, weil dort meine Freunde und Verwandten sind. Manchmal aber auch in die Rote Fabrik, wenn es dort ein gutes Reggae-Konzert gibt.

Serge Dikranyan

VICE: Du hast als Kind einige Zeit in Istanbul verbracht. Gibt es Dinge aus Istanbul, die du dir für Zürich wünschst?
Serge: Ich bin ein extremer Schweizer. Schon mein armenischer Vater hätte wahrscheinlich nicht mehr zurückgehen können, weil er die Schweiz so sehr geschätzt hat. Die armenische Kultur ist zudem sehr traditionell. Mich hat's als Kind schon angeschissen, in die armenische Kirche zu gehen. Die Jugend in der grossen Stadt Istanbul war aber super!

Hattest du nie Lust, nach Istanbul zu ziehen?
Ich könnte mir nie vorstellen, woanders zu wohnen, als in der Schweiz. Aber ein zweites Standbein, eine kleine Wohnung in Istanbul, das wäre schon super.

Was schätzt du an der Schweiz?
Die Lebensqualität, unsere sozialen Institutionen und die Möglichkeiten, die wir haben. In der Schweiz kannst du etwas erreichen—wenn du willst. In Amerika würde man vom American Dream reden. Wenn man z.B. Asylant ist, ist das wieder etwas anderes. Aber wenn man hier integriert ist, ist die Schweiz top. Auch wenn deine Eltern nicht viel Geld haben, kannst du eine gute Ausbildung machen.