Egal, wie man es dreht und wendet—Twitter ist kein netter Ort. Klugscheißer werden jetzt sagen, das liegt daran, dass Twitter überhaupt kein Ort ist und sie haben natürlich irgendwie recht, so wie das ganze allgegenwärtige Internet mehr ein Zustand als ein Platz ist. Aber gerade das macht die Unnettigkeit von Twitter ja so erwähnenswert. Denn während der gemeine Facebook-Nutzer alles für Streicheleinheiten und Likes tut, ernähren sich die Seelen der Twitterati fast ausschließlich von Hass und Galle. Ironie ist hier eine fremde Währung und trotzdem schaffen es einige aktive Kurznachrichtenschreiber immer wieder, uns zum Lachen oder Kotzen zu bringen. Ihnen ist diese Kolumne gewidmet.Seinen eigenen House of Cards-Trailer hat Wien ja schon seit knapp einem Jahr. Seit heute hat es endlich auch inhaltlich einen Fall, der uns in Sachen politischen Boss-Moves das Gefühl gibt, mit dem internationalen (fiktiven) Parkett mithalten zu können.Inwiefern der von den Sozialdemokraten fix in Aussicht gestellte Abgeordnetenposten den Ausschlag gab und ob das bereits unter Verrat der eigenen Prinzipien fällt, sei der Twitter-Meute überlassen.
Anzeige
Der bis soeben noch grüne Abgeordnete zum Wiener Gemeinderat und Landtag Şenol Akkılıç ist, wie heute bekannt wurde, mehr als ein bisschen überraschend zur SPÖ gewechselt.Auf der Website der Grünen findet sich unter der gruene.at/senolakkilic inzwischen nur noch eine Fehlermeldung—was auch die aktuell vorherrschende Meinung innerhalb der Twitter-Blase ganz gut zusammenfasst.Das ist ja wie bei house of cards
— Bakri Hallak (@bakhall)March 27, 2015
In gewisser Weise sendet der Wechsel aber vielleicht auch eine beruhigende Botschaft an die Präkariats-Generation, auch wenn Präkariat bei den Alten anscheinend erst bei 6.523 € monatlich aufhört—so viel bekommen Gemeinderäte allein für diese Funktion (natürlich 14 Mal im Jahr).In Wikipedia sollte künftig für
— Dinko Fejzuli (@DinkoFejzuli)March 27, 2015
Einen guten Punkt bringt Martin Thür in die Debatte (die, per Plattform-Design, mehr mono- als dialogisch ist): Der Wiener Landtag hat 100 Sitzplätze für genau so viele Abgeordnete—und ist damit (anders als der Nationalrat mit 183 Abgeordneten) potenziell anfällig für Pattsituationen.Senol:
— Fayad Mulla (@FayadMulla)March 27, 2015
Anzeige
Frank Underwood hätte vielleicht wirklich gleich einen Grünen umbringen lassen, indem er ihn zu einer Limousinen-Runde um den Block ein- und schließlich am Hafen wieder auslädt, aber, wie dieser Tweet richtig analysiert:Darf ich hinzufügen, dass ich Parlamente mit einer geraden Mitgliederanzahl lächerlich finde.
— Martin Thür (@MartinThuer)March 27, 2015
Für manche ist der Parteiwechsel von Şenol Akkılıç überhaupt nur eine neue Folge auf dem Weg zur kompletten Televisualifizierung der Politik:
Nicht nur Grüne und Sozialdemokraten und Anhänger der beiden Fraktionen beteiligen sich an der Diskussion—auch die Lobby der selbsternannt „liberal-konservativen" Internisten hat den Fall auf Twitter für sich entdeckt, wie der Arzt und Team Stronach-Abgeordnete Marcus Franz mit dem schönen Twitter-Handle @libkons1 und dem manischsten Profil-Bild seit Christian Bale als American Psycho:Twitter präsentiert Ihnen heute: Die Verkommenheit der österreichischen Politik. Staffel 7, Episode 13 — Claus Kaputto (@clauskaputto)March 27, 2015
Das Schlusswort hat Şenol Akkılıç selbst—auch, wenn sein letzter Tweet bereits vom 4. September 2014 stammt und damit wie eine merkwürdig unbeteiligte Botschaft aus der Zeitkapsel wirkt:Normalerweise gibt es nur im Fussball so viel Aufregung bei Klubwechsel — Wolfram Pirker (@Wolpi70)March 27, 2015
Markus ist auch selbst auf Twitter: @wurstzombieArchiv der Migration kommt. — senol akkilic (@senolakkilic)September 3, 2014