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Ein offener Brief eines Ultras an die HoGeSa

Für Leute, die die Fußballszene kennen, war HoGeSa keine Überraschung. Verbände und Clubs haben viel zu lange ignoriert, wie rechte Hooligans versuchen, Ultras aus den Stadien zu drängen.
Nicht der Autor, sondern ein HoGeSa-Demonstrant. Foto: VICE Media

​Seit der HoGeSa-Demo am 26. Oktober ist viel passiert. Zumindest wird in Fußballdeutschland kräftig diskutiert. Auch ich war mit ein paar befreundeten Ultras bei der Demo in Köln, um mir einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Als antirassistische Ultras waren wir über das Ausmaß von dem, was in Köln abging, zwar überrascht—aber wirklich verwundert hat es uns nicht.

Diese Entwicklung war länger abzusehen. Entgegen der landläufigen Meinung ist die HoGeSa nämlich nicht nur ein viraler Internethype, sondern die Konsequenz einer konstanten Politik der Ignoranz gegen rechte Tendenzen in der deutschen Fußballszene—gerade von Seiten des Verbands und der Vereine.

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Dabei ist die Entwicklung, nämlich die zunehmende Radikalisierung unter Hooligans nach rechts, eigentlich bekannt. In vielen Stadien bekommen antirassistische Fußballfans oder andere, die nicht in das krude „Herrenrassenbild" der rechten Hooligans passen, schon seit Jahren regelmäßig auf die Fresse. Fußballmagazine wie ​Transparent oder 11Freunde berichten regelmäßig über das Thema, z.B. in Artikeln über die ​Auseinandersetzungen zwischen Ultras und Hooligans in Düsseldorf, ​Braunschweig und ​Aachen. Auch das antifaschistische Infoblatt hat neben dem ​aktuellen Artikel zu HoGeSa bereits im August sehr detailliert über die ​rechte Hooliganbewegung im Internet berichtet. Medien wie ​Spiegel Online berichteten in der Vergangenheit ebenfalls zu dem Thema.

HoGeSa-Organisator Andreas „Kalle Grabowski" Kraul. Foto: VICE Media

Das Abgefahrene daran: der häufigste Vorwurf der „unpolitischen" Hooligans ist immer, dass Ultras angeblich zu politisch sind, bzw. Politik ins Stadion bringen. Dass es sich dabei nur um einen Vorwand handelt, um sich vom unbequemen „linken Pack" zu entledigen, ist aufmerksamen Beobachtern der Szene schon seit Längerem klar. Durch die HoGeSa-Demo ist diese Erkenntnis jetzt aber hoffentlich auch bei denen angekommen, die das Ganze bisher als unpolitische Konflikte in den Fanszenen dargestellt haben.

Immerhin sind die Medien seit Köln jetzt voll mit dem Thema. Nur: Es haben sich viele dazu geäußert, aus der Fußballszene aber kaum jemand. Ein paar Ausnahmen gibt es: Das ​Interview mit DFL-Chef Rettig im Spiegel, in dem Ultras, die wir ja sonst immer als Chaoten den Hooligans gleichgestellt werden, erstaunlich gut wegkommen. So lobt Rettig die Protestaktionen von Ultras zu Fußballthemen „teilweise als herausragend".

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Solche Verbandsfunktionäre sind eigentlich immer schnell dabei, wenn es um Verbote, härtere Strafen oder die Forderung nach mehr Polizei geht. Aber da sie jetzt gemerkt haben, dass das Problem größer und tieferliegender ist als bisher gedacht, brauchen sie Hilfe. Und potentielle Bündnispartner sind vor allem die aktiven Fangruppen, denen es wirklich um Fußball und die Vereine geht, und nicht um Schlägereien auf irgendwelchen Wiesen.

Ein Netzwerk, das perfekt für ein solches Bündnis wäre, ist zum Beispiel BAFF, das Bündnis der aktiven Fußballfans, das durch seine ​Polemik zur HoGeSa-Demo beweist, dass es eine sehr realistische Einschätzung der aktuellen Situation und die Entwicklung hat. Und bei BAFF sind eben auch zahlreiche Ultras, ehemalige Ultras oder andere alternative Fans organisiert.

Das Logo der HoGeSa. Foto: VICE Media

Als erster Profiverein hat Fortuna Düsseldorf einen wichtigen Schritt gemacht, indem die ​Stadionordnung dahingehend geändert wurde, dass Kleidungsstücke mit dem Schriftzug „HoGeSa" ab sofort verboten sind. Mittlerweile sind Schalke 04, der SC Paderborn, Werder Bremen und Nürnberg dem Beispiel gefolgt. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte der Vereine, die in den Fanszenen arbeiten und dadurch viel mit Ultras, aber auch mit Hooligans zu tun haben, positionieren sich eindeutig mit einer ​Erklärung für eine emanzipierte Fankultur und gegen jede Form der Diskriminierung.

Auf Schalke hat außerdem die „Königsblaue Hilfe"—ein Verein, der Fans, die im Rahmen von Fußballspielen mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind, juristisch unterstützt—​klargemacht: Schalke-Fans, die im Rahmen von HoGeSa Probleme mit dem Gesetz bekommen haben, können keine Hilfe erwarten.

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Auch in den Fanszenen brodelt es kräftig. Ebenfalls in Düsseldorf haben sich die Ultras Düsseldorf ​zu HoGeSa geäußert und kritisiert, dass offenbar auch Teile aus der eigenen Fanszene teilgenommen haben: „Es schockiert um so mehr, dass aus dem Umfeld der eigenen Kurve so viele Teilnehmer an der rechtsextremen Machtdemonstration zu sehen waren, während auf der Gegenseite nur so wenige aus dem Fußballumfeld waren." Hintergrund ist wohl, dass ein Mitglied einer Hooligangruppe aus Düsseldorf unter anderem ​eine Rede bei HoGeSa gehalten hat.

Die Wilde Horde aus Köln bezeichnete die HoGeSa-Demo in ihrem Kurvenflyer als „dicken Haufen Scheiße" und auch die Coloniacs, eine weitere Ultragruppe des 1. FC Köln, der vorgeworfen wurde, an der HoGeSa-Demo teilgenommen zu haben, positionierten sich mit einem Spruchband beim Spiel gegen Freiburg gegen jeglichen Fremdenhass.

Aber es gibt auch negative Beispiele: Beim VFL Bochum ist noch relativ wenig passiert. Gab es zuerst Gerüchte, dass der Hooligangruppe „Brigade Bochum" der offizielle Fanclubstatus entzogen wird, heißt es nun ​von Vereinsseite aus, dass der Fanclub lediglich „beobachtet" wird. Besonders pikant ist hierbei, dass einer der Hauptinitiatoren von HoGeSa und Anmelder der Demo in Köln, Andreas Kraul, im Internet bekannt als „Kalle Grabowski", Mitglied dieser Gruppe ist. Wir dürfen gespannt sein, ob aus der „Beobachtung" letztendlich auch Konsequenzen gezogen werden.

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Mittlerweile behaupten erste Hooligans, dass man nicht gewusst habe, dass so viele Rechte auf die Demo kommen würden. Sie geloben Besserung oder wollen sich von dem Vorwurf freimachen, Rassisten oder Nazis zu sein. Aus einigen Hooligangruppen sollen schon erste Personen rausgeschmissen worden sein. Öffentlich geäußert hat sich zu HoGeSa allerdings offiziell noch keine Hooligangruppe. Kritisch schonmal gar nicht. Es gibt zwar eine neue Facebook-Seite ​Hooligans gegen Nazis, aber wer dahinter steckt, weiß ebenfalls keiner.

Wir sind keine Nazis, wir haben nur steife Ellenbogen: HoGeSa-Teilnehmer in Köln. Foto: VICE Media

Lippenbekenntnise von Hooligans gegen Rechts gab es in der Vergangenheit übrigens zahlreich. Immer wieder behaupteten Hooligans, unpolitisch zu sein. Der mittlerweile nur noch nervende Spruch „Fußball bleibt Fußball, und Politik bleibt Politik" (übrigens auch der Titel eines Lieds der rechten Hooligan-Band „Kategorie C") wurde gebetsmühlenartig wiederholt. Aber mal ehrlich: So dämlich sind auch Hooligans nicht, dass sie nicht hätten checken können, dass die HoGeSa-Demo eine 1A-Nazidemo wird. Hinweise dafür gab es genug. Salafismus hin oder her, dass auf den kaum einer Bock hat, ist klar.

Natürlich sind nicht alle, die mal auf dem Acker waren, um sich zu boxen, automatisch Nazis. Aber seit HoGeSa müssen nicht mehr die die Beweise erbringen, die behaupten, dass HoGeSa und deren Sympathisanten Nazis sind, sondern jetzt müssen die Hools erstmal beweisen, dass sie keine Nazis und Rassisten sind. Und auch hier ist wieder fraglich, ob das überhaupt passiert.

Tatsächlich sind die HoGeSa und deren Demos nur Ausdruck eines viel tiefer liegenden Problems. Wenn Rassisten und Nazis in den Fanszenen schalten und walten können, springt der Funke auch auf den Rest der Gesellschaft über, denn wie viele Experten ja immer wieder sagen: Fußball ist nur ein Spiegelbild der Gesellschaft. Wenn man also Rassismus im Stadion bagatellisiert und ignoriert, passiert das auch im Alltag. Deshalb ist HoGeSa nur ein Indiz dafür, dass Rassismus und Xenophobie auch in der Mehrheitsgesellschaft auf dem Vormarsch sind. Dagegen muss etwas getan werden.

Wir Ultras wollen aber vor allem erstmal wieder eine Sache: Und zwar verdammt noch mal in Frieden Fußball gucken und unseren Verein supporten! Das ist unser Leben. Und das wollen wir leben, ohne dabei Angst haben zu müssen, aufgrund unserer Religion, Hautfarbe oder sexuellen Orientierung von irgendwelchen hirnlosen Ochsen ständig aufs Maul zu bekommen. Und deshalb: Verpisst euch, ihr Scheiß-Nazis!