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Endlich Meereszugang für die Schweiz?

Was auf den ersten Blick als Witz erscheint, ist durchaus ernst gemeint. In Sardinien gibt es politische Bestrebungen, sich von Italien abzuspalten und der Eidgenossenschaft beizutreten.

Foto von Conan

Über 11'000 Sarden haben ihren Unmut gegenüber dem italienischen Schlendrian der Zentralregierung in Rom auf der Facebook-Seite „Canton Marittimo" (Meereskanton) bereits kundgetan. Ein unzuverlässiges Verkehrssystem, eine korrupte Regierung sowie ein mehr schlecht als recht funktionierendes Abfallentsorgungssystem sind nur drei von vielen Gründen, weshalb Andrea Caruso und Enrico Napoleone im Jahre 2012 die Facebook-Gruppe „Canton Marittimo" ins Leben riefen. Ihre Forderung: Sardinien von Italien abspalten und der Schweiz anschließen. Was auf den ersten Blick als Witz erscheint, ist vom Zahnarzt Caruso und seinem Jugendfreund und Mittelklassewagenverkäufer jedoch durchaus ernst gemeint. So erhielt die Gruppe vor allem Zuspruch von Akademikern und Exil-Sarden, aber auch von einigen Schweizern, die wohl gerne einmal Ferien auf Sardinien machen würden, ohne von Wechselkurs-Betrügern übers Ohr gehauen zu werden.

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Foto von Klaus Nahr

Über längere Zeit blieb die sezessionistische Bewegung weitestgehend unbemerkt, bis im Februar auf Sardinien das Lokalparlament gewählt wurde und die beiden Aktivisten Flugblätter mit der Aufforderung verteilten, das Wort „Meereskanton" anstatt die Namen der Kandidaten auf die Wahlzettel zu schreiben, um sie somit ungültig zu machen. Seither ist die Mitgliederzahl ihrer Facebook-Gruppe von 1'000 auf 11'000 Mitglieder gewachsen, Tendenz steigend.

Die Sarden erhoffen sich durch einen Beitritt zur Eidgenossenschaft mehr politische Mitspracherechte, speditivere Arbeitsprozesse in der Wirtschaft, sowie eine stabilere Währung. Auch die Schweiz würde von einem 27. Meereskanton profitieren. Die Eidgenossenschaft hätte durch den Anschluss Sardiniens das erste Mal seit ihrer Gründung 1291 direkten Mittelmeerzugang.

Wird Sardinien also zur Krim der Schweiz? Nicht ganz. Der SVP-Nationalrat Pierre Rusconi erklärte in einem Interview gegenüber dem Spiegel: „Uns wäre der Beitritt Sardiniens ein Vergnügen, allerdings werden wir für einen Zugang zum Meer nicht in Italien einfallen—das müsste das Volk schon selbst entscheiden." Schaut man sich Sardiniens Geschichte an, wird klar, dass die rund 1,5 Millionen Sarden es bereits gewohnt sind, ihre nationale Zugehörigkeit alle 100 Jahre zu wechseln. So wehte ab 1714 eine Österreichische Flagge über dem lokalen Regierungsgebäude in Cagliari, hundert Jahre später regierten die Sarden autonom über ihre Insel, bevor sie 1914 für Italien im Ersten Weltkrieg kämpften.

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Foto von wiseguy71

Wird dieser Trend jetzt 2014 fortgesetzt? Eine auf dem Nachrichtenportal Bluewin durchgeführte

Meinungsumfrage mit 4000 Schweizern ergab zumindest, dass sich 73 Prozent der Befragten für einen Anschluss Sardiniens aussprechen würden. Da Italienisch bereits eine der vier offiziellen Landessprachen der Schweiz ist, sollte auch die Kommunikation unter den Bürgern kein Problem darstellen. Auf eine Flagge für den neuen Meereskanton haben sich die beiden Aktivisten Caruso und Napoleone bereits geeinigt: vier sardische Mohrenköpfe neben dem Schweizerkreuz auf rotem Hintergrund. Das grösste Problem ist für Caruso und Napoleone momentan die Frage, wie man die offizielle Schweiz auf die erwünschte Vereinigung vorbereiten soll.

Foto von Patrik Tschudin

Verteidigungsminister Ueli Mauerer zierte sich bisher ein bisschen und verhielt sich sehr zurückhaltend. So hat er sämtliche Annäherungsversuche Carusos souverän ignoriert. Es ist jedoch anzunehmen, dass Maurers Departement—dessen Armeechef André Blattmann seiner Bevölkerung vor Kurzem in kalter Kriegsrhetorik– ) noch riet, Vorräte anzuschaffen—die Bedeutung Sardiniens für die geopolitische Strategie der Schweiz bereits erkannt hat. Und wer weiss, vielleicht schmieden die Armeestrategen der Schweiz nach dem Gripen-Debakel bereits Pläne für eine neue Schweizer U-Boot-Flotte.