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Doch mit deren Ablehnung lief ich vermutlich auch Gefahr, das tatsächliche Ende unserer Beziehung zu provozieren und damit das Einzige zu verlieren, was mir Halt und Sicherheit gab. »Wir gehen einfach dorthin. Du wirst reizend und nett sein und dann siehst du, dass das alles eigentlich gar nicht so schlimm ist, wie du es dir immer einredest.« So, wie er es formulierte, klang es in der Tat harmlos. Schaffbar. Doch es fühlte sich trotzdem an, als stünde ich schon sehr bald meinem Endgegner gegenüber. Und das gänzlich unbewaffnet. Ich sehnte, stumpf seinen Plan abnickend, die abendliche Tablette herbei. Mich auszuschalten schien mir eine wünschenswerte Idee. Wenn ich es doch nur auf Dauer könnte. So bekam das kobaltblaue Kleid nun doch noch seinen Auftritt.Jede Faser meines Körpers war angespannt und ich strich beinahe zwanghaft über den glatten Stoff des Kleides, als wollte ich mich damit in den Schlaf streicheln. Henris Mutter lief zügig durch die Tür des großen Hauses, das sie mit ihrem Mann bewohnte. Sie schloss Henri in die Arme und schalt ihn, dass er sich so selten blicken ließ. Dann wandte sie sich mir zu. Wie ich es vorher immer wieder vor dem Spiegel geübt hatte, streckte ich ihr meine Hand entgegen und sagte artig »Es freut mich, Sie kennenzulernen«, doch auch ich fand mich nur Sekunden später und mit einem reichlich verdutzten Gesichtsausdruck in den Armen dieser kleinen, fülligen Frau wieder, die mich bat, sie doch Gabriele zu nennen, und dass es ja Zeit wurde, dass man sich endlich mal kennenlernte. Sie packte mich am Arm und führte mich durch die Haustür nach drinnen, wo ihr Mann, Henris Vater, mit einem geduldigen Lächeln wartete und sich in Zurückhaltung übte. »Und das ist mein Mann Wilhelm. Nenn ihn bloß nicht Willi, es sei denn, du willst, dass er kein Wort mehr mit dir redet.«Ich sehnte, stumpf seinen Plan abnickend, die abendliche Tablette herbei.
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Die Vasen konnte man unter den üppigen, zartlila Hortensien, deren Duft den ganzen Raum füllte, kaum erkennen. Ich war beeindruckt, doch nicht auf die angenehme Art. Vielmehr schüchterte mich all das doch sehr ein. Ich kannte niemanden, der ein Zimmer besaß, das allein zur Nahrungsaufnahme genutzt wurde. Wilhelm, der nicht Willi genannt werden wollte, was mir aber immer so neckisch auf der Zunge lag, reichte uns hohe Gläser voll perlender Flüssigkeit. »Auf euch«, strahlte Gabriele. Henri lächelte sehr glücklich, wann immer sich unsere Blicke trafen. Vor Nervosität trank ich mein Glas sofort aus. Der Alkohol ließ schnell Nebel in meinem Kopf entstehen. So merkwürdig hatte ich mich dadurch noch nie gefühlt, vor allem nicht nach erst einem Glas. Willi, der nicht Wilhelm genannt werden wollte – nein, halt. Wilhelm, der nicht Willi genannt werden wollte, schenkte mir nach. Ich sollte vielleicht etwas langsamer trinken, dachte ich. Aber was mache ich dann mit meinen Händen? Grübelnd drehte ich das schon wieder zur Hälfte geleerte Glas hin und her.Ich sollte vielleicht etwas langsamer trinken, dachte ich. Aber was mache ich dann mit meinen Händen?
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Als ich erwachte, schmerzte mein Kopf, als hätte ich ihn am Vortag unablässig gegen eine Mauer geschlagen. Vorsichtig, als wollte ich gleich bersten, verließ ich das Schlafzimmer. Henri saß noch immer am Tisch. Er trug dasselbe Hemd wie am gestrigen Abend. Es war reichlich zerknittert und er hatte die oberen Knöpfe geöffnet. Vor ihm lagen die Beipackzettel der Medikamente, die ich nun doch schon seit einigen Wochen nahm, daneben der Pschyrembel und sein Notebook. Selbst seine Augenringe trugen kleine Augenringe, als er mich ansah. »Hast du dir das hier mal durchgelesen?« Ich schüttelte den Kopf, noch nicht wach und bereit genug, um tatsächlich Worte zu formulieren oder einem Gespräch standzuhalten. »Diese Medikamente verstärken die Wirkung von Alkohol in nicht vorhersehbarer Weise. Du hättest keinen Tropfen trinken dürfen.« Ich hätte wohl vor allem mal den Beipackzettel lesen sollen. Aber das machte die Situation nun auch nicht mehr besser. »Elisabeth, ich will nicht, dass du das Zeug weiter nimmst. Das stellt total krasse Sachen mit deiner Psyche an. Du bist seitdem wie ein Roboter!« Er stand auf und warf die beiden Schachteln mit einer großen Geste in den Mülleimer.»