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Wird man „schwul geboren“? Und vor allem, wen interessiert's?

Es ist ok, schwul zu sein, und zwar weil ich das sage. Scheiss auf die Wissenschaft.

Es ist ok, homosexuell zu sein, und zwar weil ich das sage. Scheiss auf die Wissenschaft. Wenn du heute jemanden ficken willst, der die gleichen Genitalien wie du hast, nur zu. Ernsthaft, ihr könnt das auf mich schieben: ich gebe euch hiermit die Erlaubnis, loszugehen und homosexuell zu sein. Oder es zu lassen, wie auch immer. Ist mir wirklich scheißegal.

Ihr habt wahrscheinlich ein paar Geschichten darüber gelesen, dass Forscher jetzt tatsächlich das geheimnisvolle und eminent wichtige „Homo-Gen“ entdeckt haben. Andere behaupten, sie könnten jetzt anhand des Ohrschmalzes bestimmen, ob jemand schwul ist. Natürlich sind eine Menge dieser Forschungsprojekte nicht wirklich anerkannt, aber was solls? Und wen interessiert es da, dass Wissenschaftler selbst nach Jahren der Suche, immer noch nicht wissen, welches Gen unsere Körpergröße reguliert?

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Diese Suche nach dem mythischen „Homo-Gen“ hat sich als ziemlich kontrovers herausgestellt, und zwar so kontrovers, dass die beteiligten Forscher ihre Bemühungen öffentlich verteidigt haben. Qazi Rahman, ein Psychologe am Londoner King’s College, hat dem Guardian gegenüber neulich beteuert: „Wir müssen ‚Gensuche’ betreiben … um eine bessere Vorstellung davon zu bekommen, wo die möglichen Gene für sexuelle Orientierung liegen könnten.“ Warum? Warum müssen wir das wissen? Es gibt doch andere Gebiete der menschlichen Sexualität, die deutlich erforschenswerter wären. Gibt es zum Beispiel ein Vergewaltiger-Gen? Das könnte vielleicht mal nützlich sein. Aber wozu müssen wir ein Homo-Gen finden? Damit homophobe Eltern in spe ihre schwulen Föten abtreiben können? Wenn das nicht der Grund ist, was ist es dann?

Während meiner Zeit als Redakteurin bei Gay Times, bekamen wir endlos Bücher über Homosexualität zugeschickt. Eins nach dem anderen, und alle waren sie sterbenslangweilig. Warum? Warum müssen wir alles erklären? Wir sitzen doch nicht als Spezies kollektiv im Quiz-Taxi; es gibt keine Preise, wenn wir alle Rätsel lösen. Manche Leute sind eben homosexuell. Findet euch damit ab. Ich habe es satt, immer wieder zu hören, dass „Homosexuelle es sich nicht aussuchen, dass sie homosexuell sind“—als ob das eine Entschuldigung wäre. Da könnte man genauso gut sagen, „die armen Homos, sie können nichts dafür.“ Wir hören das dauernd, von wohlwollenden Heteros, aber auch von Homo- und Bisexuellen selber, vor allem in den Staaten. Ich mag Jungs und Mädels, und es ist mir ehrlich gesagt scheißegal, ob ich so geboren wurde oder nicht. Was mich schon interessiert ist der Tod, und dass der zu uns allen kommt ist eine der wenigen gesicherten Erkenntnisse der Wissenschaft. Also werde ich keine wertvolle Zeit verschwenden, für jeden Aspekt meiner viel zu kurzen Existenz eine Erklärung zu suchen.

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Es gibt Zeiten, da geht mir der Forschungsbetrieb richtig auf die Titten. Ich verstehe ja, dass der Wissensdrang an sich und in sich ein hehres Ziel ist, und dass sich Erkenntnisse oft als nützlich herausstellen, auch wenn wir zuerst nicht wissen, was wir mit ihnen anfangen sollen. Ich verstehe auch, dass wir als Menschen neugierig sind und versessen darauf, dem kollektiven Wissensschatz etwas hinzuzufügen, das die Spezies voranbringt. Kein Zweifel, das haben wir auch nötig. Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass ausgerechnet das „Homo-Gen“ das fehlende Puzzlestück ist.

Manchmal sagt man uns, Homosexualität ist OK, weil es sie auch bei Tieren gibt. Habt Ihr mal von Bonobos gehört? Schmutzige kleine Affen, die den ganzen Tag wichsend rumliegen oder aneinander rumspielen. Bonobo-Weibchen mit Bonobo-Weibchen. MILF-Bonobos. Bonobo-Bukkake. Deren ganzes Leben ist im Prinzip eine riesige Orgie, die das Berghain wie ein päpstliches Konklave aussehen lässt. Neben dem Homo Erectus gibt es tausende Spezies, die sich gerne gleichgeschlechtlichem Genuss hingeben. Lesbische Löwen, schwule Giraffen und bisexuelle Bonobos—anscheinend sie die alle dauernd dabei. Gut für sie. Aber das bedeutet einen Scheiß. Selbst wenn Menschen die einzige Spezies wären, die Homo-Zeug macht, wäre es immer noch natürlich, weil wir auch eine Spezies sind und damit alles, was wir tun, per Definition natürlich ist. Töten ist natürlich. Nur weil etwas natürlich ist, heisst das nicht, dass es wünschenswert ist—und andersherum genauso. Eine Menge guter Dinge wie Medizin oder Fernsehen oder diesen großartigen Artikel auf deinem Computer zu lesen—einem Computer, verdammt!—gelten nicht als „natürlich“. Und trotzdem scheint da niemand ein Problem mit zu haben.

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Die Leute fahren auf alles mögliche Zeug ab. Manche können nur mit geschlossenen Beinen kommen. Manche werden gerne gewürgt. Ich liebe es, wenn man mich am Hals packt und mich an den Haaren zieht, bis mir die Tränen kommen. Ich kannte auch mal einen Typen, der nur kommen konnte, wenn er an Plastikspielzeug aus den McDonald’s Happy Meals roch. Ist das genetisch? Meine Standarderklärung: „Irgendwie sind alle verdammt komisch und ich muss nicht wissen, warum.“ Ist immer noch meine Lieblingstheorie.

Nennt mich altmodisch, aber wir sollten uns nicht auf die Wissenschaft verlassen, um Homosexualität zu rechtfertigen. In vielen Fällen wird die Wissenschaft genauso von Sittlichkeit geleitet wie die Religion. Die Wissenschaft wollte Alan Turing durch Elektroschock-„Therapie“ und chemische Kastrierung von seiner Homosexualität „heilen“. Dass er selbst einer der brillantesten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts war, macht die Sache besonders pikant, aber er war keineswegs der einzige Schwule, um den die Wissenschaft sich so rührend kümmern wollte. Der Amerikanische Psychiatrie-Verband klassifizierte Homosexualität noch bis in die Siebziger als Geisteskrankheit. Das Problem ist nicht die Wissenschaft, sondern was Forscher für moralische Prioritäten halten, und wie Menschen Wissen nutzen. Wie der amerikanische Physiker Richard Feynmann schon sagte: „Wissenschaftliches Wissen gibt uns die Macht, Gutes oder Böses zu tun—aber keine Anleitung, wie wir es benutzen sollen.“

Ich interessiere mich mehr für die „Wissenschaftler“ hinter dieser „Homo-Gen“-Forschung, wie den Texaner J. Michael Bailey. Er hat Jahre damit verbracht, sich in Schwulenbars mit Schulen und Transsexuellen zu unterhalten, was für einen heterosexuellen Mann irgendwie komisch ist—findet ihr nicht? Wenn dieser ach-so-heterosexuelle Vater zweier Kinder tatsächlich einen Weg finden sollte, Föten als homosexuell veranlagt zu identifizieren, hätte er kein Problem damit, wenn die Eltern es abtreiben würden. Er macht für seine Forschung auf besorgt und schreibt: „Die Gehirne von Homosexuellen sind ein Mosaik aus männlichen und weiblichen Elementen … Wenn wir herausfinden, warum schwule Männer schneller deprimiert sind, dann könnten wir auch verstehen, warum das bei Frauen so ist.“ Ihm scheint nicht in den Sinn zu kommen, dass die bei schwulen Männern und Frauen vorkommenden Depressionen auch etwas mit Hetero-Männern wie ihm zu tun haben könnte, die uns einfach nicht in Ruhe lassen.

Bailey hat es neulich in die Schlagzeilen geschafft, nachdem in seinem Unterricht eine Frau mit einem Sexspielzeug namens „Ficksäge“ zum Kommen gebracht wurde. Die Ficksäge klingt zwar irgendwie cool, aber der Typ ist einfach ein Idiot. Sein Buch über Transgender-Menschen The Man who would be Queen wurde als unwissenschaftlich verrissen, mehrere der darin vorkommenden Personen haben Beschwerde eingelegt. Der Stanford-Neurobiologe Ben Barres, der selber transgender ist, beschrieb das Buch als „eine der verständnislosesten Darstellungen von Transsexualität, die je geschrieben wurde.“ Als Antwort zitierte Bailey aus seinem eigenen Buch: „Um Transgender-Menschen wirklich akzeptieren zu können, müssen wir verstehen, wer sie sind.“ Bullshit. Um Transgender-Menschen wirklich akzeptieren zu können, müssen wir Transgender-Menschen einfach wirklich akzeptieren. Homosexuelle genauso. Das war’s.

Manche mögen den Geschmack von Pizza, manche mögen den Geschmack von Schwänzen. Na und? Das Leben ist Chaos, und wir haben über viel wichtigere Dinge nachzudenken als warum manche Menschen mit Muschis gerne die Muschis von anderen Menschen lecken. Vielleicht macht es ihnen einfach Spaß. Warum wird Spaß nie in diesen Studien erwähnt? Schreib doch darüber eine Abhandlung, Wissenschaft. Ich werde in der Zeit vögeln. Denn egal was du geil findest, egal was dir ein gutes Gefühl gibt, tu es. Lutsch. Mach die Scherenstellung. Steck dir eine mit schwulem Ohrschmalz geschmierte Ficksäge in den Arsch, ist mir doch scheißegal. Wenn alle Beteiligten erwachsen sind und du niemanden ohne deren Einverständnis verletzt, dann erkläre ich es hiermit für OK, homosexuell zu sein. Wenn du Bock drauf hast. Ganz ohne Angabe von Gründen. Bitte sehr.

Paris ist auf Twitter (@parislees), Sam (@SptSam) auch.