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Wie es ist, als erwachsener Mann beschnitten zu werden

Vier Männer, denen die Vorhaut entfernt wurde, packen nach ihrer Beschneidung aus: Wie war die Heilung? Ist Sex mit oder ohne besser? Bereuen sie ihre Entscheidung?
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Da meine Eltern Hippies waren, wurde ich als Baby nicht beschnitten, wie es bei Jungs im Mittleren Westen der USA eigentlich normal ist. Da dies also in der Region, in der ich lebte, etwas ungewöhnlich war, fragten mich meine Sexpartner häufig, wie es ist, unbeschnitten zu sein. Die Antwort ist natürlich, dass ich nichts anderes kenne. Ich könnte meinen Schwanz unmöglich mit dem durch und durch amerikanischen, sauber beschnittenen Penis vergleichen, weil ich selbst noch nie so einen hatte. Mein Schwanz ist mein Schwanz ist mein Schwanz—er war schon immer unbeschnitten und das wird er auch immer bleiben.

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Da der Eingriff meist im Babyalter durchgeführt wird, gibt es nicht wirklich ein Vorher/Nachher, das man vergleichen könnte. Ich werde nie wissen, wie sich das Dasein sowohl mit als auch ohne Vorhaut anfühlt. Doch auch wenn die Mehrheit der Unbeschnittenen so bleiben will, gibt es nichts, was sie davon abhält, ihren Penis noch als Erwachsene zu ändern. Genau die Männer, die sich dazu entschließen, sind auch die einzigen, die einen Vergleich anstellen können.

Es gibt drei Hauptgründe, warum ein Mann sich als Erwachsener noch beschneiden lässt: aus kosmetischen Gründen, aus medizinischen Gründen oder als Teil eines religiösen Initiationsritus. Ich sprach mit einem Urologen, der zwischen 50 und 75 Beschneidungen im Jahr durchführt, und er sagte, der Eingriff würde auch manchmal aus kulturellen Gründen verlangt.


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Erwachsene Zirkumzision kommt vor allem bei Juden vor, die in Sowjetrussland aufgewachsen sind, wo die Beschneidung verboten war. So war es bei Leo, der mit 13 beschnitten wurde.

Leo emigrierte im Alter von vier. Nachdem eine jüdische Hilfsorganisation ihm und seiner Familie geholfen hatte, in die USA umzusiedeln, fing Leo an, die Sonntagsschule zu besuchen und seine Familie nahm die Gelegenheit wahr, endlich ihre Religion auszuüben.

Er wollte eine Bar Mitzwa, doch dafür musste er sich, in seinen eigenen Worten, „die Haut vom Schwanz schneiden lassen."

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„Als ich 11 oder 12 war, setzten meine Eltern mich zu einem Gespräch hin", sagte er mir. „Ich hatte noch nie von Beschneidung gehört—wir hatten ja kein Internet und nichts. Ich hatte nicht viele Schwänze gesehen. Tatsächlich habe ich selber kaum Erektionen bekommen und erst mit 14 mit dem Masturbieren angefangen."

„Sie fragten: ‚Willst du eine Bar Mitzwa?'" Das wollte er, doch dafür musste er sich, in seinen eigenen Worten, „die Haut vom Schwanz schneiden lassen." Seine Eltern sagten ihm, sie würden in diesem Fall aus Solidarität aufhören, Schweinefleisch zu essen.

„Ich ging zu einem Arzt", erzählte mir Leo. „Er sagte mir, dass sie mich betäuben würden. ‚Du wirst Nähte haben und dich komisch fühlen und in einer Woche ist es vorbei.'" Leo ließ den Eingriff vornehmen. „Ich kann mich davor an keine Erektionen erinnern, also habe ich keine Erinnerung an Schmerzen. Die Nähte sahen gruselig aus. Die Narbe ging nie ganz weg. Wenig später entdeckte ich das Masturbieren." Alles in allem eine ganz normale Geschichte.

Masturbieren hat mit Vorhaut mehr Spaß gemacht, denn sie verhält sich wie eingebautes Gleitmittel, aber ich finde Sex beschnitten besser, weil die Eichel mehr stimuliert wird.

Er erzählte, seine Eltern, seine Schwester und ein Rabbi seien gleich nach der Beschneidung, als er noch von der Narkose bewusstlos war, zur Feier um sein Bett getanzt, was er erst später erfahren hatte. Er sagte, er bereue es nicht, denn es habe ihm geholfen, „die Art Jude zu sein, die [e]r sein wollte."

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Nachdem es vollbracht war und sein Penis geheilt war, feierte Leo seine Bar Mitzwa. Er sprach nie mit jemandem über die Beschneidung. Er sagte, er fühle eine gewisse Scham aufgrund seine Alters zum Zeitpunkt des Eingriffs—ein Gefühl, das er darauf zurückführte, dass er eine „schüchterne und introvertierte Person" ist—, doch darüber zu sprechen, helfe ihm. Auch wenn er sich gut an den Eingriff erinnert, so hatte er dennoch nie einen Eindruck gewonnen, wie eine Vorhaut das Sexleben beeinflusst.

Das haben andere schon. Bei einer betrunkenen sexuellen Begegnung riss bei dem 20-jährigen Ryan die Vorhaut ein und ein Arzt empfahl ihm, sich beschneiden zu lassen. Als ich mich mit ihm unterhielt, befand er sich noch in der Heilungsphase. Er beschrieb die Erfahrung der Beschneidung als schmerzhaft aber aushaltbar, und auch wenn er noch keinen beschnittenen Sex gehabt hatte, gefiel es ihm so weit „viel besser als vorher".

Das Schlimmste sei eine unfreiwillige Erektion ein paar Tage nach der Operation gewesen, da diese an den Nähten gezogen habe. Danach sei der Schmerz allerdings vergleichbar mit einem Sonnenbrand gewesen. Nun könne er es kaum abwarten, endlich vollständig verheilt zu sein und seinen neuen Penis zu benutzen.

„Als es verheilt war, hatte ich ringsherum Narben. Wir nannten ihn Frankenschniedel."

Medizinisch indizierte Beschneidungen sind nicht immer eine Reparaturmaßnahme nach verhängnisvollen Sex-Eskapaden. Da gibt es zum Beispiel den 29-jährigen Tom, der mit 27 beschnitten wurde, weil er an Vorhautverengung litt. Selbst eine Erektion kann damit schmerzhaft sein. Das Problem verschlimmerte sich, als er Mitte 20 war, bis sein Vorhautbändchen regelmäßig beim Sex oder bei der Selbstbefriedigung riss. Nachdem er es mit Dehnen und Steroidsalbe probiert hatte, wollte er die Schmerzen loswerden und beschloss, die 1.500 Dollar für den Eingriff zu bezahlen.

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Anders als Leo hat Tom Sex und Selbstbefriedigung sowohl beschnitten als auch heil erlebt. Er beschreibt es wie folgt:

„Auch wenn ich vorher empfindsamer war, habe ich jetzt das Gefühl, an mehr Stellen empfindlich zu sein. Angenehmes ist noch genau so angenehm wie früher, vielleicht sogar besser, weil ich nicht mehr die Schmerzen wegen des Vorhautbändchens habe. Masturbieren hat mit Vorhaut mehr Spaß gemacht, denn sie verhält sich wie eingebautes Gleitmittel, aber ich finde Sex beschnitten besser, weil die Eichel mehr stimuliert wird. Ich verwende manchmal Gleitmittel beim Masturbieren. Das habe ich früher nie gemacht, aber auch jetzt ist es kein Muss."

Natürlich hatte er regelmäßig Schmerzen beim Sex, also ist es kein Wunder, wenn er eine Erfahrung ohne reißendes Vorhautbändchen vorzieht.

Nicht alle Beschneidungen verlaufen glimpflich. Während Vorhäute durch Dehnen mit Gewichten (so halbwegs) wiederhergestellt werden können, ist eine Beschneidung niemals komplett reversibel. Und manche Männer, die sich beschneiden lassen, bereuen es bitterlich.

Allan, ein 37-jähriger Kanadier, wurde mit 19 beschnitten. Er hatte aufgrund eines zu kurzen Vorhautbändchens beim Sex leichte Schmerzen. Sein damaliger Partner, der selbst beschnitten war, empfahl eine Beschneidung. Es lief nicht gut.

„Sie mussten es mit einem Skalpell schneiden und zusammennähen. Ich hatte ringsherum diese großen, altmodischen Nähte. Es war schmerzhaft und es war peinlich", sagte er mir. „Direkt danach hatte ich gar kein Interesse an einer Erektion. Als ich dann eine bekam—autsch. Eine Naht platzte. Es entzündete sich. Es war ein Albtraum. Als es verheilt war, hatte ich ringsherum Narben. Wir nannten ihn Frankenschniedel."

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Allan behauptet außerdem, die Empfindlichkeit seines Glieds hätte seit der Operation drastisch abgenommen. „Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht", sagte er. „Früher war die Eichel am empfindsamsten. Es gab natürliches Gleitmittel. Es war toll. Danach musste ich erst neu lernen, wie ich mit meinem besten Stück umgehe. Alles war ungewiss. Es war, als müsste ich neu laufen lernen."

Allen sagt, er bereut den Eingriff und würde jetzt einfach die Schmerzen in Kauf nehmen, wenn er sich noch einmal entscheiden könnte. Er hat sich über Vorhautwiederherstellung informiert, „doch das sieht nach sehr viel Aufwand aus und die Ergebnisse sind auch nicht immer überzeugend."

Der Urologe, mit dem ich mich unterhielt, hatte noch weniger positive Worte für das Wiederherstellungsgeschäft übrig. „Das ist Voodoo", sagte er. „Sie dehnen die Haut, doch das bringt die Vorhaut auch nicht wieder zurück. Die Männer, die versuchen, ihre Vorhaut wiederherzustellen, haben in der Regel mit noch viel schlimmeren Dämonen zu kämpfen."

Allans Fall ist sicherlich nicht die Norm. Der Urologe sagte mir, Komplikationen bei Beschneidungen seien extrem selten. Er erklärte außerdem, eine Beschneidung im Erwachsenenalter sei eine viel kompliziertere Prozedur als bei Babys—„30 bis 45 Minuten gegenüber 30 bis 45 Sekunden." Zwar hat er kosmetische Beschneidungen schon durchgeführt, doch er sagt, rate er Patienten davon ab. „Ich frage sie immer: ‚Warum? Wenn Sie es bis heute geschafft haben, dann lassen Sie es einfach sein.'"

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Beschneidung ist, mal ganz gelinde gesagt, ein kontroverses Thema. Immerhin ist es eine permanente Veränderung des Körpers, die meistens an jemandem durchgeführt wird, der nicht wirklich zustimmen oder ablehnen kann. Dieses Argument wird am häufigsten von lautstarken Anti-Beschneidungs-Aktivisiten ins Feld geführt. Laut den sogenannten „Intaktivisten" können Babys keiner Beschneidung zustimmen.

Ein Mann und seine Vorhaut

Leute, die gegen Beschneidung sind, nehmen meist eine sehr harte Position ein. Intact America, eine bekannte Intaktivisten-Organisation, nennt Beschneidung auf ihrer Website „einen schmerzhaften, riskanten, unethischen Eingriff, der jedes Jahr Millionen von Jungen um gesundes Gewebe bringt." Der „MGM" ( Male Genital Mutilation)-Gesetzesentwurf, der von den Intaktivisten im Januar 2014 dem US-Kongress vorgelegt wurde, nennt sich „Ein Gesetz zur Beendung von männlicher Genitalverstümmelung in den USA". (Die Anti-Beschneidungs-Kämpfer haben so starke Überzeugungen, dass der von mir interviewte Urologe—der für die Beschneidung von Jungs im Babyalter ist—nicht namentlich genannt werden wollte.)

Die Beschneidung hat auch ihre überzeugten Verfechter. Die Praktik ist in vielen Gesellschaften ein wichtiger kultureller Initiationsritus; im Judentum ist der Brauch viele Tausend Jahre alt. Mediziner in der Moderne haben auch überzeugende Argumente für eine weitläufige Beschneidung der männlichen Bevölkerung hervorgebracht. Während die amerikanischen Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention (CDC) zwar nicht so weit gingen, Beschneidung als Standard zu empfehlen, gab die Organisation im Dezember 2014 an, Beschneidung verringere das Risiko eines Mannes drastisch, sich beim heterosexuellen Sex mit einer Geschlechtskrankheit zu infizieren: bei HPV um 30 Prozent, bei Genitalherpes 30 bis 35 Prozent und bei HIV 50 bis 60 Prozent.

Die Diskussion ist eine komplizierte, so viel steht fest. Und die Meinungen sind zumindest in den Staaten so gut wie gleichmäßig geteilt: Die Beschneidungsrate erreichte in den schnippelfreudigen USA 2007 mit nur 55 Prozent aller Jungen den größten Tiefpunkt seit Jahrzehnten. Allerdings äußerte sich die American Pediatrics Association 2012 positiv über die Praktik und sagte, die Beschneidung von Babys habe „Vorteile". Dennoch betonte auch sie, dass bei der Frage, ob eine Vorhaut entfernt werden sollte, die Eltern das letzte Wort haben sollten.

Leo, Ryan, Tom und Allan erinnern sich alle sowohl an das Leben vor als auch nach der Beschneidung. Ihre Erfahrungen sind unterschiedlich. Doch sie haben eine Sache gemeinsam, die sie mit allen beschnittenen Männern teilen: Es gibt kein Zurück.

„Wenn ich irgendwie wieder alles so haben könnte wie vorher", sagte mit Allan, „ja, verdammt, ich würde es ungeschehen machen."