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Popkultur

Eine Nacht auf einer Londoner Fashion-Week-Party

Wir waren in London auf einer Fashion-Party und man kann sagen, es hat sich gelohnt. Die Gäste trugen unglaubliche Kostüme, hatten eine irre Ausstrahlung und sind zu bewundern: Sie arbeiten so hart wie auf einer Bohrinsel. Dafür waren Koks und...

Es kommt einem vor, als sei in London ständig eine Fashion Week. Die Modewelt scheint in einem Zustand ständiger Selbstgefälligkeit zu sein. Es gibt dauernd Partys und Retrospektiven—sie feiern sich wie E-Promis in den Klatschspalten mit Homestorys und Reality-TV. Diese Partys sind wie „Betriebsausflüge“ der Bekleidungsindustrie. Aber anstelle von PowerPoint und Paintball gibt es hier Koks und Champagner umsonst. Man fragt sich, ob diese Leute jemals eine Auszeit nehmen, ob sie jemals einen Tag damit damit verbringen, Glühbirnen zu kaufen oder Videos zu schauen, bei denen Menschen von Stühlen fallen. Dennoch, der schiere Überfluss an Fashion-Week-Partys hat zur Folge, dass du nicht unbedingt Grace Coddington oder Mitglied von A$AP Mob sein musst, um reinzukommen. Jeder Sterbliche, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der irgendwas mit PR macht, kann dort hingehen. Leider bilden solche Leute auch das Hauptklientel: Freunde von der Frau am Einlass und Einzelhandel-Verwaltungspfeifen. Wenn du dir glaubst, du würdest Rick „Zombie Boy“ Genests Glas umstoßen, sobald du durch die Tür kommst, wirst du bitter enttäuscht sein.

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Stattdessen begrüßte mich beim Eintreten dieser Anblick: Die Party wurde zu Ehren der Designerin Fred Butler veranstaltet, die wahrscheinlich vor allem dafür berühmt ist, dass sie einen asymmetrischen blauen Hut entworfen hat, den Lady Gaga im Video zu „Telephone“ trägt. Gaga war ebenfalls in der Stadt. Ob sie wohl auftauchen würde?

Nein, natürlich tat sie das nicht. Ich schätze, die Party war trotzdem cool—wenn du mit „cool“ meinst, dass alle aussahen, als hätten sie sich echt Gedanken über ihr Outfit gemacht.

Ich muss sagen, dass der Veranstaltungsort ein wenig enttäuschend war. Durch die goldenen Geländer und die billigen Kronleuchter wirkte das Ganze eher wie eine Firmenfeier in einem Stripclub am Meer als das Treffen von Modegenies.

Aufgrund der kurzfristigen Planung der Gästeliste habe ich es nicht geschafft, meine Nietenlederweste rechtzeitig aus der Reinigung zu holen und musste mich mit meinem gewöhnlichen Kneipenoutfit begnügen. Der Look „eines floridianischen Touristen, der zufällig in einem Club landete, als er eigentlich ein Steakhouse suchte“, wird mich wohl in nächster Zeit eher nicht auf einen Fashionblog bringen.

Das irgendwie inkongruente Line-up des Abends bestand aus dem von Blogs anerkannten Produzenten Two Inch Punch und der fast vergessenen Pop-Prinzessin der 2000er-Jahre, Sophie Ellis-Bextor. Ach ja, und ihrem Ehemann, der irgendwas mit der Band The Feeling zu tun hat. Jetzt ist wahrscheinlich der Zeitpunkt, um zuzugeben, dass Sophie einer meiner ersten Schwärme war. Wenig später fragte ich meinen Fotografen, ob er ein Bild von ihr machen kann, während sie auflegt, woraufhin mir jemand von hinten frostig an die Schulter tippte. Ich dreht mich um und stand Sophie höchstpersönlich gegenüber. „Ich bin gerade fertig geworden“, sagte sie mit der Art von Nachdruck, auf die normalerweise eine Ohrfeige folgt. Ich war sprachlos, schockiert, erstarrt von meiner eigenen Blödheit. Trotzdem habe ich wahrscheinlich nie eine Situation erlebt, die so sexy war.

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Deprimiert darüber, von einer Frau abgeblitzt worden zu sein, an deren Standbild-Gesicht ich mich einst am Fernsehbildschirm geschmiegt hatte, beschloss ich herauszufinden, was der Rest des Clubs so machte. Dabei traf ich diese Frauen, die eher aussahen, als würden sie sich beim Streit um einen Fußballstürmer gegenseitig die Haarverlängerungen ausreißen, als mit jungen Kreativen abhängen. Aber zumindest sehen sie so aus, als ob sie Spaß haben, oder?

Am anderen Ende der Skala sind diese beiden liebenswürdigen Frauen, die wahrscheinlich ein Hundecafé betreiben oder einen sozialistischen Töpferkurs leiten.

Die Typen waren auch eher durchmischt. Die meisten Kerle hier würden wahrscheinlich auf der Stelle dehydrieren, wenn es keinen Tresen in der Nähe gäbe, an dem sie Drinks bestellen könnten. Sie schienen vor allem gekommen zu sein, um Models zu begrapschen.

Der Dom-Perignon-Dracula in der Mitte bekam den Preis für „die Person, die am Ende wahrscheinlich eine Prostituierte umbringt“. Mein Gott, sieh ihn dir doch mal an. Er sieht aus, als würde er zu Bildern von Naturkatastrophen masturbieren, während er den Aktienmarkt in Ordnung bringt und als hätte er ein Bett aus Elfenbein und Leder.

… und dann gab es diese Typen, die genauso aussehen, wie man sich Leute aus London eben vorstellt.

Ich mochte diesen Typen, auch wenn ich keine Ahnung habe, wer er war. Wenn ihr es wisst, schreibt es in die Kommentare. (Aber sagt nicht Crocodile Dundee, das habe ich bereits getan, er kann es nicht ausstehen.)

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Dann stolperte ich über diesen Player, der den ganzen Abend lang umherlief, als würde ihm der Laden gehören. Was wahrscheinlich auch der Fall war, denn mir fällt kein anderer plausibler Grund ein, warum man ihn sonst reingelassen hätte. Ich vermute, dass er sowas wie eine 500-Jahres-Pacht des Clubs geerbt hat, aus der die Russen, die den Club mittlerweile betreiben, ihn nicht rauskaufen können. Er wurde gemieden wie ein syphiliskranker reicher Hausbesitzer.

Als wir diesen Typen um ein Foto baten, zog er ein Gesicht, das ich bisher nur bei Leuten gesehen habe, deren Hunden ich in der U-Bahn auf den Fuß getreten bin.

Später begriff ich allerdings, dass er nichts dafür konnte. Seine Wangenknochen waren blockiert wie ein Micro Scooter im Winter, seine Augen von starrem Schmerz getrübt. Er war gefangen in seiner eigenen Verruchtheit—ein Elephanten-Disco-Mann.

Selbst als sein Freund versuchte, ihn mit einem sanften Kuss umzustimmen, regte sich nichts. Er senkte seinen Kopf stoisch wie ein sterbender Roboter. Denkt dran, Leute, wenn ihr beim Umstellen der Klimaanlage eine Grimasse zieht, werdet ihr sie für immer behalten.

Die sexuelle Spannung zwischen diesen ungleichen Liebenden war mit den Händen zu greifen. Auch wenn er wie der Besitzer eines mediterranen Golfclubs aussieht und sie wie ein Mitglied eines Art-Punk-Kollektivs—zusammen sind sie unschlagbar.

Von diesem Moment an wurde es merkwürdig. Die Kombination aus russischem Branntwein, koronaren Koffeindosen und all den seltsamen und wundervollen Menschen erzeugte eine Art phantasmagorisches Chaos. Ich war in einem Roll-Deep-Video unter der Regie von Federico Fellini.

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Das Problem bei vielen Designern hier ist, dass sie normalerweise zu viel Zeit mit den gleichen Menschen verbringen, mit dem gleichen engmaschigen Zirkel von Arschleckern und Schleimern, die jede ihrer Entscheidungen so applaudieren, als handle es sich um Roosevelts New Deal. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das besonders gut für deine Sozialkompetenz ist.
Der Raum füllte sich langsam mit Frauen mittleren Alters, die wahrscheinlich ihre Praktikanten schlagen, völlig besoffen über die Tanzfläche wankten, sich ständig Blondie vom DJ wünschten und dabei so viel schnieften, als wäre es noch einmal 1979.

Die Tanzfläche war zu einer Zone der passiven Aggression geworden. Niemand hier wollte jemanden flachlegen, aber alle wollten sich anlegen. Um mich herum bildete sich ein Circle Pit der Gehässigkeit. Deshalb machte ich mich auf, um weitere Spinner und Promis zu finden.

Schau mal, der Hausherr ist wieder da. Dieses Mal hat er sich sorgfältig ein paar Haarverlängerungen angeklebt. In diesem helleren Licht fragte ich mich, wie er wohl aussehen würde, wenn er in den 60ern nicht dadurch berühmt geworden wäre, dass er Paul McCartney Schuhe verkauft hat.

Ich dachte, dass sich meine Promisuche darauf beschränken würde, SE-B und ein paar Modeblogger zu sehen, die ich wahrscheinlich erkennen würde, wenn ich in letzter Zeit die Klatschzeitungen gelesen hätte, anstatt in der U-Bahn nur auf den Boden zu starren. Im Nachhinein wird mir klar, dass der Mann in dem glänzenden grauen Jackett kein Anderer ist als der Boxer Amir Khan, der 2004 die Silbermedaille gewann.

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Ich fragte mich, ob ein verrückter Modefreak mir was in eines meiner vielen Getränke getan hatte, als ich Szenen erblickte, doch die Kamera lügt nicht. Diese vermeintlich coolen Leute haben tatsächlich Tischfußball gespielt, das beschissenste und langweiligste Spiel der Welt. Im Ernst, ich würde eher mit Buju Banton Flaschendrehen oder mit einem syrischen Erschießungskommando Fangen spielen, als auch nur eine Minute mit diesem Spiel zu verschwenden.

Es war wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis der Nu Metal sein Comeback in der Welt der Haute Couture feiern würde. Ich sehe es kommen: Teenager-Mädchen reposten Bilder von Mudvayne auf ihrem Tumblr, und ein halbes Jahr nachdem alle andern zum Screamo übergegangen sind, reproduziert irgendwer Family-Value-Tour-Shirts.

Zu diesem Zeitpunk war alles etwas zu viel für diesen Herren, der wie ein gelangweilter und irritierter Vater in einer Twilight-Vorführung eingenickt ist. Ich merkte, dass ich für ihn mehr Mitgefühl empfand als für jeden anderen an diesem Abend. Dann waren die Freigetränke alle und ich ging nach Hause. Was habe ich gelernt? Nun, nicht wirklich viel, ich war schon früher bei Modepartys und sie sind immer genau gleich. Ebenso irritierend wie enttäuschend. Wenn überhaupt, fühlte sich die Nacht nostalgisch an, mit der Disko, der Cola, den Anzügen und der ganzen Dummheit. Modeleute geben heute nicht mehr den Ton an wie damals zu Zeiten von Gianni Versaces, wo Models sich ihre Beine versichern ließen. Es ist zu einer Art Baumwollindustrie geworden—eine Handvoll Leute, von denen die meisten für das Gehalt eines Zeitungsausträgers so hart arbeiten wie auf einer Bohrinsel, wahren ihren Zusammenhalt, indem sie sich sehr oft gemeinsam betrinken und dabei lustige Kleidung tragen. Dennoch brauchen wir Mode. Lächerlich aussehende Menschen sind feste Größen jeder interessanten Gesellschaft, von Kleopatra bis hin zu den Clubgängern in NYC. Haute Couture war schon immer einer der besten Wege, um kulturelles Terrain zu sondieren. Ohne sie würden wir alle Elbow hören und Vliesjacken tragen.

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