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Die Reaktionen auf das DSI-Nein nach Dummheit sortiert

Verlässlich wie ein Schweizer Uhrwerk folgt auf den politischen Grabenkampf die Schlacht der schlechten Verlierer. Wir verteilen Stil-Noten.

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Gestern Nachmittag hat die politische Schlammschlacht um die Durchsetzungsinitiative endlich ein Ende gefunden. Die DSI wurde mit 59 Prozent der Stimmen abgelehnt. Zuvor hat über mehrere Wochen und Monate ein leidenschaftlicher Abstimmungskampf die Öffentlichkeit geprägt. Alle, vom unpolitischen Normal-Bürger bis zum Bundesrat, haben ihre Meinung zur DSI geäussert.

Für die SVP bedeutete die Niederlage ihrer Initiative einen derben Rückschlag. Zum ersten Mal seit langem hat sie es—dank dem breiten öffentlichen Widerstand—nicht geschafft, den Diskurs um Ausländer stark genug zu prägen, um am Ende als Siegerin dazustehen. Als das Ergebnis feststand, sagten all ihre Mitglieder, die ihren Blick in eine Kamera richten durften, dass sie sich nun eine „pfefferscharfe" Umsetzung der Ausschaffungsinitiative wünschten. Andere DSI-Befürworter gaben sich als weniger gute Verlierer und erwiesen dem Internet als unfreiwilliges Auffangbecken für geistigen Dünnpfiff alle Ehre.

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„Politik wird mir zu mainstream"

Die Stimmbeteiligung lag gestern bei satten 62 Prozent. Die DSI-Abstimmung landet damit stimmenmässig in den Top 5 aller Initiativen seit der Einführung des Frauenstimmrechts vor 45 Jahren—sogar noch vor dem UNO-Beitritt und der MEI. Andere Abstimmungen, die im Vorfeld ebenfalls sehr stark polarisierten—wie zum Beispiel die Minarettinitiative—lockten gerade einmal jeden zweiten Stimmberechtigten an die Urne. Das Ziel jeder Demokratie ist dabei klar: möglichst viele Menschen dazu zu bringen, ihre Meinung auf einen Wahl- oder Stimmzettel zu schreiben.

Im Grunde müsste sich jeder, der die Möglichkeit hat, über diesen direkten Weg die Politik zu beeinflussen, über die so lebendige Demokratie freuen. Nicht umsonst ist die Schweiz weltweit für ihre direkte Demokratie bekannt. Doch es gibt bekanntlich viele mögliche Reaktionen auf ein Abstimmungsergebnis, über das die Schweizer wohl in 100 Jahren in Geschichtsbüchern lesen können. Und eine dieser Möglichkeiten ist es eben, Politik paradoxerweise nur so lange toll zu finden, wie sie sich im Sumpf des gesellschaftlichen Untergrunds bewegt.

Dummheitsgrad 4/10

„Ich bin ein Fremdenfeind—ohne aber"

Selbst nach dem klaren Ergebnis, mit dem die Mehrheit der Schweiz gezeigt hat, dass sich die Schweiz nicht noch mehr gegen alles „Fremde" abschotten soll, halten es manche Menschen für eine gute Idee, fast einen Viertel ihrer Mitbürger—so viele Ausländer leben in der Schweiz—als kriminell abzustempeln.

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Ganz im Sinne der DSI ziehen manche eine direkte Parallele zwischen der Herkunft von Menschen und ihrer Anfälligkeit für Kriminalität. Tatsächlich ist es so, dass Ausländer etwas krimineller sind als Schweizer. Gerade einmal 0.6 Prozent der Ausländer wurden 2014 wegen einer Straftat verurteilt—bei den Schweizern waren es 0.3 Prozent. Absolut gesehen ist es also sogar wahrscheinlicher, einem kriminellen Schweizer (16.909 Personen) als einem kriminellen Ausländer (10.140 Personen) zu begegnen. Dass die Herkunft aber nur die halbe Antwort auf die Frage nach der Ursache von Kriminalität ist, scheint diesen Kommentatoren sowieso egal zu sein. Ob jemand kriminell wird oder nicht, hängt nämlich vor allem von der Bildung ab—bei Schweizern genauso wie bei Ausländern.

Dummheitsgrad: 6/10

„Alles manipuliert!"

Die Schweiz wird besonders von den stolzesten unter den Eidgenossen gerne als die Demokratie schlechthin in den Himmel gelobt—doch nur so lange, wie die beste Demokratie der Welt auch das ihrer Meinung nach beste Abstimmungsergebnis der Welt liefert. Bei der Ablehnung der Durchsetzungsinitiative war das für manche nicht der Fall. Doch anstatt sich damit abzufinden, dass man in einer Demokratie manchmal eben auch als Verlierer dasteht, werden Sündenböcke gesucht.

Wer treu den Worten der SVP und der Weltwoche folgt, fand die Schuldigen schnell in den anscheinend von linken Revoluzzern unterwanderten Lügenmedien. Dass sich so ziemlich das ganze Internet mit Memes, Videos und persönlichen Geschichten von Ausländern gegen die DSI aufgelehnt hat, wird gerne verdrängt. Wer sich noch etwas weiter abseits des Pfades der Logik bewegt, fand die Schuldigen in der NWO—oder einer anderen Organisation, in deren Zuständigkeitsbereich das offizielle Manipulieren von Wahlen fällt. Klar ist aber: Schuld sind alle anderen, auf die das von der SVP gekonnt umgesetzte Verdrehen von Fakten projiziert werden kann.

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Dummheitsgrad: 7/10

„Selber schuld" I.

Ein Grundzug der direkten Demokratie in der Schweiz ist, dass Entscheide auf nationaler Ebene für die ganze Schweiz gefällt werden. Die DSI war ein solcher Entscheid, der noch dazu nicht einmal knapp ausfiel: 18.5 Stände haben Nein zur Initiative gesagt, lediglich 4.5 Ja.

Andere meinen wiederum, Ausländer seien seit gestern komplett ihrem eigenen Willen entzogen. Die Entscheidung, ob sie—wissentlich oder unwissentlich—gegen ein Gesetz verstossen, liegt nach manchen Kommentatoren nicht mehr bei ihnen, sondern bei politischen Parteien. Fragt sich, wie Ausländer so noch kriminell werden sollen und mit der Ausschaffungsinitiative ausser Landes geschafft werden sollen. Anscheinend bleibt die Wahl der Ausländer, kriminell zu sein, ja den Schweizern überlassen.

Dummheitsgrad: 8/10

„Selber schuld" II.

Mit wütenden Emojis beschweren sich manche darüber, dass Ausländer nun alles tun und lassen können. Sie vergessen dabei, dass gestern nicht über die komplette juristische Immunität von Ausländern entschieden wurde, sondern darüber, ob Ausländer nach bestimmten Delikten automatisch aus dem Land geschafft werden.

Auch nach der Ablehnung der DSI werden Ausländer rechtlich härter bestraft als Schweizer. Mit der Ausschaffungsinitiative werden etwa Vergewaltiger und Mörder aus dem Land ausgeschafft—nur eben nicht automatisch, sondern nach der Prüfung durch einen Richter. Diese richterliche Prüfung ist nicht seltsam oder ungerecht, sondern in einem Rechtsstaat normal. Und wie gesagt: Ausländer können rechtlich gesehen immer noch um einiges härter bestraft werden als Inländer.

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Dummheitsgrad: 9/10

„Selber schuld" III.

Die SVP hat schon lange keine Abstimmung mehr verloren. Manchen scheint die seltene Erfahrung einer Niederlage nicht sonderlich gut zu bekommen. Anstatt sich in Fair Play zu üben, wünschen sie 59 Prozent der Schweiz, dass diese wahlweise eins aufs Dach bekommen, vergewaltigt oder überfallen werden. Einerseits entspricht dieser Wunsch-Albtraum sicherlich nicht dem, was die Kommentatoren im Kindergarten unter Anstand gelernt haben und andererseits dürfte die theoretisch zu Ende gedachte Erfüllung dieses Wunsches alle Ausländer in der Schweiz in den Kriminalitäts-Burn-Out treiben—59 Prozent der Stimmenden sind schliesslich knapp zwei Millionen Menschen.

Dummheitsgrad: 12/10 (10 + 2 Punkte Arschloch-Bonus)

Sebastian auf Twitter: @seleroyale

VICE Schweiz auf Twitter: @ViceSwitzerland