FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Schon 13-Jährige finden Facebook uncool

Die 13-jährige Ruby Karp erklärt, dass in ihrem Freundeskreis absolut niemand außer ihr mehr Facebook nutzt—eine Aussage, mit der Ruby wie eine Boje aus dem gallertartigen Gehirne-Meer der Pubertät herausleuchtet.

via Flickr

Anfang dieser Woche brachte Mashable einen Erfahrungsbericht der 13-jährigen Ruby Karp, die darin erklärte, dass in ihrem Freundeskreis absolut niemand außer ihr mehr Facebook nutzt—und sie selbst ihr Konto auch nur am Leben erhält, um weiterhin peinliche Kommentare von ihrer Oma zu liken. Seither wird dieser Artikel von allen möglichen Stellen als Beweis für alle möglichen Standpunkte heranzitiert.

Anzeige

Für mich ist das vor allem deshalb interessant, weil es der Artikel selbst eigentlich nicht ist. Ruby Karp wird zwar bei fast jedem Reposting, das derzeit meinen Freundeskreis im alten Facebook-Land überschwappt, für die wertvollen Einsichten gelobt, die man aus ihrem Gastbeitrag ziehen könne: Weil sie den Umfang von Facebook kritisiert und die Anzahl der Buttons bei Twitter lobt. Aber diese Details sind es nicht, an denen man sich aufhängen sollte.

Sicher, ich finde es auch ziemlich beeindruckend, dass Ruby Karp mit 13 ihren Scheiß schon derart beisammen hat, um tatsächlich einen vollwertigen Artikel zu produzieren, während ich in ihrem Alter Mühe hatte, mein hormonell schwer unter Beschuss stehendes Gehirn lang genug unter Kontrolle zu halten, um jede Woche einen neuen, natürlich unvollendeten Sci-fi-„Roman“ zu beginnen.

Aber abgesehen von dieser Klarheit, mit der Ruby Karp wie eine Boje aus dem gallertartigen Gehirne-Meer der Pubertät herausleuchtet, ist es weniger das, was sie sagt, sondern vielmehr das, was sie als selbstverständlich annimmt, wo der Artikel für mich wirklich spannend wird.

Die einzig wirkliche Aussage beschränkt sich nämlich darauf, dass Jugendliche vor allem ihren Peers folgen, einfache Dinge mehr mögen als komplizierte Dinge und im Wesentlichen immer das wollen, was im Freundeskreis gerade angesagt ist. Das ist nicht gerade neu und freut, wie immer, nur die Alten, die ihre Meinung jetzt auch von Jugendseite bestätigt sehen.

Anzeige

Für alle Anderen werfen diese simplen Aussagen aber vor allem Fragen auf, die sich nicht mit der Anpassung einzelner Features beantworten lassen. Denn wenn Ruby und ihre Peers auf Facebook verzichten und sich lieber einfacheren Apps wie Instagram zuwenden, was bedeutet das dann für die nächste Generation von Social Media-Diensten? Wie sehen junge Menschen die Welt? Und wie reflektieren unsere Plattformen ihre Wahrnehmung—beziehungsweise, wie beeinflusst ihre Wahrnehmung unsere Plattformen?

via Flickr

Denn das wirklich Spannende an Ruby Karps Artikel ist eher, was nicht im Text steht, aber implizit immer mitschwingt: Wenn sie einfaches Design umfangreicher Funktionalität vorzieht, weil sie ohnehin nur schnellstmöglich die neueste Foto- und Videoware aus dem Freundeskreis geliefert bekommen möchte, ist das zwischen den Zeilen auch ein Abgesang an alles, was Social-Media-Experten bisher über die junge digitale Generation zu wissen glaubten.

Es heißt nämlich vor allem, dass die Möglichkeit zu komplexer sozialer Interaktion (mit gegenseitigem Bauchpinseln in der Form von Likes) und ständiger Selbstinszenierung (mit der fast schon buchhalterischen Pflege des eigenen Profils) jungen Menschen unnötig vorkommt. Lieber konzentriert sich Ruby auf den Austausch von kulturellen Gütern; und damit auf das, was man gemeinsam an der Welt spannend findet.

Natürlich ist Facebook präziser und praktischer, wenn es einem darum geht, die Spuren seiner Beziehungen nachzuzeichnen und Freundschaften in Relation zueinander zu setzen. Aber genau diese akribischen Features sind es, die bei aller Verheißung von Partizipation und Customization für junge Menschen uninteressant zu sein scheinen.

Anzeige

Zwar ist Instagram als „Medium der Selfies“ auch nicht unbedingt das Gegenteil von Selbstinszenierung, aber es legt den Fokus trotzdem auf die Außen- und nicht mehr auf die Innenwelt: Auf Filter anstelle von Fragebögen zu politischer Einstellung, Lieblingsfilm und höchstem Schulabschluss.

Anders gesagt geht es um die Entdeckungen (an sich selbst und seiner Umwelt) und nicht so sehr um die Entdecker (also unsere Gemütslagen und Beziehungen zueinander). Es geht um einfachen, schnellen digitale Austausch von Coolness, Trends und Relevanz in visuell ansprechender Form—um Expeditionen, wie man sie in der Jugend nun mal ständig unternimmt und nicht darum, Denkmäler für die Ewigkeit zu errichten. Die Socia-Media-Experten würden gut daran tun, diese Entwicklung so bald wie möglich für sich zu entdecken.

Du bist noch bei Facebook?

Ich habe mir eine Freundin auf Facebook gekauft

Stalken auf Facebook macht aus dir ein depressives Wrack

Facebook macht aus dir einen wahnsinnigen Narzissten