​Alkoholverbot gegen rechts: Knapp 1.000 Hooligans haben sich in Köln gelangweilt
Alle Fotos: Felix Huesmann

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​Alkoholverbot gegen rechts: Knapp 1.000 Hooligans haben sich in Köln gelangweilt

Ohne Waffen, Pyrotechnik und Alkohol machen Demos keinen Spaß: Nicht mal die kleinen Schlägereien mit der Antifa konnten den Hools den Tag retten.

Die Krawalle während der „Hogesa"-Demonstration im Oktober 2014 hatten weltweit für Negativ-Schlagzeilen gesorgt. Fast 5.000 Hooligans und Neonazis waren durch Köln gezogen, hatten randaliert und Journalisten und die Polizei angegriffen. Die hatte die Lage im Vorfeld dramatisch unterschätzt. Die eingesetzten 1.500 Polizisten konnten den Ausschreitungen keinen Einhalt gebieten.

In den Monaten darauf folgten mehrere Versuche der „Hooligans gegen Salafisten", an dieses Gewalterlebnis anzuknüpfen—alle sind kläglich gescheitert. Schon die nächste große Kundgebung der rechten Hooligans in Hannover fand in einem gut abgeschirmten Polizeikäfig statt. Eine erneute große Schlappe erlebten sie vor Kurzem in Hamburg: Hier blieb ihre Demonstration gänzlich verboten. Trotzdem gingen Tausende Menschen gegen Neonazis und Rassismus auf die Straße. Mit einer Demo am Jahrestag der Krawalle wollten die Hogesa-Organisatoren nun ihren anfänglichen „Erfolg" wiederholen.

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Bereits vor mehreren Wochen machte die Kölner Polizei allerdings klar, dass sie daran kein Interesse hat. Aus Angst vor erneuten Ausschreitungen sprach der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers ein Verbot der Demo aus. Der „Hogesa"-Organisator und Politiker der rechtsextremen Kleinpartei Pro NRW Dominik Roeseler ging dagegen vor Gericht. Nach mehreren Instanzen stand schließlich fest: Die Hools dürfen nach Köln—aber nur als Standkundgebung mit strikten Auflagen.

Langeweile auf dem Schotterplatz

Schon einige Stunden vor Beginn der Hogesa-Kundgebung stehen mehrere tausend Menschen auf dem Ottoplatz vor dem Deutzer Bahnhof in Köln. Mehrere Bündnisse gegen rechts hatten zu einer Gegenkundgebung aufgerufen. Die andere Seite der Bahngleise ist am Sonntag hermetisch abgeriegelt. Auf dem Barmer Platz, der eigentlich nicht viel mehr als ein großer Schotter-Parkplatz ist, hat die Polizei den rechten Hooligans einen Käfig aus Absperrgittern aufgebaut. Um den Platz herum stehen mehrere Wasserwerfer. Für den Fall der Fälle hat die Polizei sogar Räumpanzer aufgefahren. Nach den Krawallen vom letzten Jahr sollen hier mehr als 3.500 Polizisten aus ganz Deutschland für einen störungsfreien Ablauf sorgen.

Bevor die Hools ihren Käfig betreten können, müssen sie zuerst durch eins der zwei großen Durchsuchungszelte. Verboten ist alles, was Spaß macht: Waffen, Pyrotechnik und Alkohol. Schon am Bahnhofsausgang nehmen die Bundespolizisten den ankommenden Neonazis immer wieder Bierflaschen weg. Noch bevor ein junger Nachwuchs-Hooligan fragen kann, ob er die Flasche nicht wenigstens schnell austrinken kann, ist sie schon in einem Container verschwunden.

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Trotz der hermetischen Abriegelung kommt es bereits bei der Anreise der ersten Hooligans zu Störungen und ersten Auseinandersetzungen. Mehrere hundert Gegendemonstranten besetzen spontan zwei Gleise im Bahnhof Deutz. Bevor der Zugverkehr auf die anderen Bahngleise umgeleitet werden kann, fährt eine kurze Weile lang erstmal nichts mehr. Immer wieder kommt es zu Pöbeleien, als auf den Nachbargleisen Gruppen von Hooligans und Neonazis ankommen. Eine kleinere Gruppe von Hooligans verirrt sich sogar auf eines der blockierten Gleise. Bei einer Schlägerei werden mehrere von ihnen verletzt. Von wem die Aggressionen dabei ausgehen, kann eine Sprecherin der Bundespolizei ein paar Stunden später noch nicht genau sagen: „Wir haben das von einer Hebebühne aus gefilmt. Es sieht so aus, als hätten die sich da gegenseitig geschlagen", sagt sie.

Von kleineren Scharmützeln abgesehen erreicht der Großteil der Hooligans seinen Käfig aber ohne Zwischenfälle. Eigentlich soll die Kundgebung dort um 14 Uhr beginnen. Noch eine Stunde später gibt es aber ein Problem: Die Veranstalter brauchen 50 Ordner. „Die sollten nüchtern und nicht vorbestraft sein und im Zweifelsfall zupacken können", ruft Dominik Roeseler den knapp 1.000 versammelten Hooligans zu. Die beiden ersten Punkte scheinen große Sorgen zu bereiten. Mehrfach lehnt die Polizei einzelne Ordner ab, nachdem deren Personalien überprüft wurden.

Als die Aufgabe endlich gemeistert ist, kann die Kundgebung beginnen. Es gibt Redebeiträge, in denen gegen Flüchtlinge und Politiker gehetzt wird. Dazwischen grölt das Publikum die obligatorischen Schlachtrufe der „Bewegung": „Ahu!", „Lügenpresse auf die Fresse" und „Antifa Hurensöhne". Ab und zu mischt sich ein von der Bühne angestimmtes „Merkel muss weg!" darunter. Ein Großteil der Kundgebungsteilnehmer ist sichtlich gelangweilt.

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Viele warten vor allem auf den Hauptact: Die rechte Hooligan-Band Kategorie C. In der Szene der rechten Gewalttäter sind sie so etwas wie die Justin Biebers und One Directions. Kaum eine Band genießt hier einen vergleichbaren Kultstatus. Vor den Krawallen im letzten Jahr hatten sie extra ein Lied mit dem Titel „Hooligans gegen Salafisten" geschrieben. So richtig Stimmung kommt aber selbst bei dem Konzert nicht auf. Der Hauptgrund für den Auftritt der Band steht gute hundert Meter von der Bühne entfernt: Ein Mietwagen voller Merchandise, der an die gewaltbereiten Groupies verkauft wird.

Nach dem Auftritt der rechten Rocker werden die Hools erneut mit Redebeiträgen gelangweilt. Mehrere hundert Kundgebungsteilnehmer strömen währenddessen von der Bühne weg in Richtung Ausgang. Ohne Bier und Krawall macht demonstrieren ihnen sichtlich wenig Spaß. Die Polizei lässt sie allerdings nicht gehen. Außerdem beschwert sich Organisator Dominik Roeseler von der Bühne herab: „Ich finde es schade, dass einige schon vorzeitig gehen wollen. Jeder mag da seine Gründe für haben. Aber entweder sind wir eine Familie, oder nicht." Anscheinend nicht.

Auch eine erneute Musikeinlage kann die Stimmung nicht heben. Der Auftritt des Berliner „Nazi-Rappers" Villain kann ohne Übertreibungen als das Schlechteste gelten, was der deutschsprachige HipHop in seiner durchwachsenen Geschichte bislang erlebt hat.

— Felix Huesmann (@felixhuesmann)25. Oktober 2015

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Große Gegenproteste und kleine Auseinandersetzungen am Rande

Während die Hogesa-Kundgebung ein Hort der Langeweile ist, ist die Stimmung auf der anderen Seite des Deutzer Bahnhofs deutlich ausgelassener. Auf einer großen Bühne treten lokale Stars wie die Höhner („Viva Colonia") auf. Hier durchmischen sich Antifa-Demonstranten, engagierte Karnevalisten und andere Neonazi-Gegner.

Ein paar hundert Meter weiter blockieren zahlreiche Antifas eine Kreuzung vor einem Zugang zum Barmer Platz auf der anderen Seite der Schienen. In der Umgebung kommt es mehrfach zu Aufeinandertreffen von Gegendemonstranten und einzelnen Neonazis. Zwischendurch sind in der Menge aufgebrachte Rufe zu hören: „Ey, der trägt eine Thor-Steinar-Jacke!" Neben kleineren Schlägereien kommt es auch zu einer größeren Auseinandersetzung, als mehr als 30 rechte Hools auf deutlich mehr Antifa-Demonstranten treffen. Mehrere Personen werden dabei verletzt. Kurze Zeit später setzt die Polizei einen der Wasserwerfer gegen die Gegendemonstranten auf der Kreuzung ein. Laut Polizeiangaben sollen diese vorher Einsatzkräfte angegriffen haben.

Im Vergleich zum Vorjahr bleibt der Sonntag aber außerordentlich friedlich. Erneute Krawalle, wie die Kölner Polizei sie befürchtet hatte, bleiben den ganzen Tag über aus. Es überwiegen die Gegenproteste von mehr als 10.000 Menschen.

Dass die Hooligans keinen guten Tag hatten, liegt vor allem an den Auflagen der Polizei. Dass sie nicht laufen dürfen, hätten sie vielleicht noch verkraftet. Dass sie nicht saufen durften, hat die Stimmung nachhaltig vermiest. Wenn alle Polizeibehörden in Zukunft mit derartigen Auflagen aufwarten, ist das Phänomen Hogesa bald wohl endgültig erledigt.