Pussy Riot vor der Russischen Botschaft

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Pussy Riot vor der Russischen Botschaft

Pussy Riot werden für zwei Jahre in den Gulag geschickt, da sie ihre Meinung kundgetan haben. Wir waren bei den Demonstranten vor der Russischen Botschaft in Berlin.

Fotos von Grey Hutton

„Free Pussy Riot, free Pussy Riot!“, schrien die Demonstranten am Freitagnachmittag vor der Russischen Botschaft in Berlin. Sie demonstrierten gegen das heutige Urteil: je zwei Jahre Straflager wegen „religiös motiviertem Rowdytum“ für Nadeschda Tolokonnikowa, Jekaterina Samuzewitsch und Marija Aljochina. Per Megaphon hatte kurz zuvor Alexander Formosov von der russischen NGO iDecemberists den Anwesenden vor der Botschaft das Urteil mitgeteilt.

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Sofort versuchten maskierte Aktivisten, sich mit spielzeugartigen Handschellen an den Zaun zu ketten, und wurden von der Polizei entfernt und zum Polizeiauto gegenüber gebracht.

VICE: Wie heißt ihr, wohin werdet ihr jetzt gebracht?

Aktivistin: Wir wissen es noch nicht, wir sind …

Ein Polizist greift ein: Wir sind gerade in einer polizeilichen Maßnahme, das geht gerade nicht.

Aktivistin: Wir kämpfen für Menschenrechte.

Ich rief ihnen zu, wie ihre Namen sind, aber sie durften nicht antworten. Die Leute wurden aufgefordert, die Seite zu wechseln. Die Presse durfte bleiben. Schließlich konnte die Presse fragen und die Aktivistin antworten.

Aktivistin: Wir sind gegen die Verletzung der Menschenrechte und die politische Repression in Russland. Das, was wir heute getan haben [Versuch, sich anzuketten], war unsere unmittelbare Reaktion. Wir sind empört über diese viel zu harte Strafe und über die Lüge Putins einer sogenannten „milden Strafe“, die er während seines Aufenthalts in London versprochen hat. Wir haben es geahnt und wir werden nicht aufhören, zu kämpfen.

Carrie, 37.

Wir fragten eine Frau, die daneben stand und die Lage beobachtete:

VICE: Was denkst du über all das?

Carrie: Ich denke, es ist großartig, es ist wundervoll. Ich denke, mehr Leute sollten hier sein und gegen diese unmenschlichen Zustände auf diesem Planeten protestieren. Es ist ekelhaft.

Wie lange wirst du noch hier bleiben und demonstrieren?

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So lange, wie es nötig ist.

Alexander, 31, aus Moskau, Historiker und Ethnologe von der russischen NGO IDecemberists, die Protestaktionen organisiert.

VICE: Du hast ja heute das Urteil vor der Botschaft per Megaphon weitergegeben. Seit wann machst du bei den Protesten mit?

Alexander: Seit Dezember 2011.

Wieso findest du, dass Pussy Riot es wert sind, auf die Straße zu gehen?

Es ist nicht das einzige Thema, das es wert ist. Wir haben auch schon früher Solidaritätskundgebungen für Pussy Riot in Berlin organisiert, mit Künstlern, der Berlin Biennale. Das ist ein Urteil gegen uns alle. Gegen alle Künstler.

Was sind die nächsten Aktionen?

Die hängen natürlich vom Geschehen in Moskau ab. Der Kampf für Pussy Riot hat erst begonnen.

Findest du, die Bundesregierung sollte hier eingreifen?

Ja, auf jeden Fall. Sie sollte eine klare Stellung beziehen und die russische Regierung auf höchster Ebene klar kritisieren, auch was andere politische Häftlinge und andere russische Gesetze, z.B. gegen Homosexuelle, angeht.

Natalia, 41, die sich Queen of Pop nennt und mehrere Bücher geschrieben hat, eine eigene Gesundheitsfirma in Japan hat, Bienenwissenschaftlerin (nach eigenen Angaben).

VICE: Wieso tanzt du?

Natalia: Um fit zu bleiben. Ich protestiere gegen Zigaretten und all den Dreck. Es geht um etwas Größeres als Pussy Riot.

Bist du Nichtraucher?

Ja. Ich habe geraucht, getrunken, Tiere getötet. Jetzt bin ich Veganer wie Leonardo DaVinci und die Beatles. Ich bin eine Honigbienenwissenschaftlerin. Man muss die Welt reinigen. Aber dann gibt es Leute wie Pussy Riot, wo es ums Masturbieren geht und darum, dass die Leute nicht arbeiten müssen. Das ist wie deutsche Bürokratie.

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Aber du weißt, dass es hier darum geht, für die Freilassung von Pussy Riot zu demonstrieren?

Die Leute wissen doch gar nicht, worum es bei Pussy Riot geht. Die Welt muss intelligent werden und die Welt ist nicht intelligent. Deutschland muss Pussy Riot im Spiegel sehen, es ist eine Reflektion von Deutschland. Die Parteien haben heute diesen Platz benutzt, um Promotion für sich zu machen. Pussy Riot sind alle schöne Frauen ohne dicken Bauch. Man muss dünn werden und besser essen. Das will ich zeigen. Sie haben keine guten Sachen gemacht in der Kirche.

Ilia, 37, wohnt in Berlin, hat 17 Jahre in Russland gewohnt.

VICE: Du hast eben auf der Demo gesprochen. Bist du der Anführer der Proteste in Deutschland?

Ilia: Nein. Wir haben keinen Anführer und entscheiden alles kollegial. Die totalitäre Staatsmacht kann einfach nicht zugeben, dass sie diese Frauen ein halbes Jahr ohne Grund im Knast behalten hat. Es ist echt lächerlich und eine Schande für das russische Gericht und für das Regime.

Wie viele Leute waren denn bei der Demo heute morgen?

Ich schätze 500.

Und was wollt ihr mit eurem Protest erreichen?

Wir wollen die klare politische Position beziehen, dass alle Leute, nicht nur Russen, sondern auch Vertreter von Parteien, der Bundesregierung und von Künstlern und anderen Gruppen alle einer Meinung sind, nämlich, dass die Frauen befreit werden müssen. Wir werden für die Sache kämpfen.

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Richtete sich die Pussy-Riot-Aktion gegen die Kirche oder gegen Putin?

Nicht gegen die Kirche. Und im Prinzip auch nicht … also, schon, ja, gegen Putin, nicht als Person, sondern als Symbol dieser Korruption. Tolokonnikowa und Aljochina haben mehrmals angedeutet, dass es keine religiöse Aktion war—diese Frauen bekennen sich zum Christentum. Es ist eine Aktion gegen die Verschmelzung von Staat und Kirche.

Sollte die Regierung gewechselt werden?

Ja, auf jeden Fall. Sie handelt nicht nach dem Gesetz, sie ist verfassungswidrig.