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The Up in Flames Issue

Ein Tag in der Republik Frigolandia, der letzten Festung der italienischen Satire

Wir haben den Gründer von ,Frigidaire', dem unkonventionellsten und respektlosesten Magazin Italiens, in dem ehemaligen faschistischen Sommerlager getroffen, das er zu seinem Hauptquartier erkoren hat.

Fotos von Giacomo Ficola. Vincenzo Sparagna in seinem Arbeitszimmer in Frigolandia

Aus der Up in Flames Issue

Es war das Jahr 1980. Italien trauerte um die Opfer des Bombenanschlags am Hauptbahnhof von Bologna und durchsuchte die Trümmer des Erdbebens in Irpinia. Die Kommunistische Partei distanzierte sich vom Historischen Kompromiss, der sie mit den Christdemokraten verband, während man aus der Ferne misstrauisch beobachtete, wie der Schauspieler Ronald Reagan zum US-Präsidenten gewählt wurde. Die Postmoderne gebar den Massenhedonismus, der politische Ideologien ablöste. In jenem Jahr feierte ein Magazin auf dem Comicfestival von Lucca sein Debüt, das italienische Geschichte schreiben würde. Das Magazin hieß Frigidaire.

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Frigidaire beschränkte sich inhaltlich nicht auf ein bestimmtes Thema, was damals in Italien untypisch war. Stattdessen übte es sich in totaler Kommunikation: Comics, Kunst, Satire, Literatur, Politik, Philosophie und Musik wurden mithilfe der Satire zu einem untrennbaren Ganzen verschmolzen. Das Magazin beeinflusste eine ganze Generation und erlangte in der kollektiven Psyche den Rang des respektlosesten und unkonventionellsten Magazins Italiens. Zu einer Zeit, als von Satirikern erwartet wurde, Partei zu ergreifen, bedachte Frigidaire mit seinen unzensierten Angriffen einfach alle.

Das Magazin wurde bis 1998 durchgehend produziert, danach mit Unterbrechungen, und einer langen Pause von 2003 bis 2009. Heute findet man es nur schwer an Mailänder Zeitungskiosken. In der Bar im 3.000-Seelen-Dorf Giano dell'Umbria in Umbrien, wo der Mitgründer Vincenzo Sparagna Stammgast ist, wird man eher fündig. Sparagna arbeitet seit der Gründung an dem Magazin, doch als er 2003 sein Haus in Rom verkaufte, kam Frigidaire zum Stillstand. Ein Freund brachte Sparagna auf die Idee, der umbrischen Lokalregierung ein Projekt vorzuschlagen, und er malte sich einen eigenständigen Staat aus, in dem die Leute die Kunst und die Ideen finden würden, die das Magazin ausmachen. So entstand der Plan für das Museo dell'Arte Maivista, wo die „noch nie gesehene Kunst" gezeigt werden sollte, für die Frigidaire stand. Sparagna hatte ursprünglich ein Schloss aus dem 12. Jahrhundert im Visier, doch eines Tages stolperte er über ein verlassenes faschistisches Sommerlager und beschloss, es wiederaufzubauen. Hunderte Freiwillige, Künstler und Gleichgesinnte kamen, um zu helfen, und 2006 öffnete die Republik Frigolandia ihre Tore. Heute hat das Magazin hier sein Hauptquartier und Sparagna lebt mit seiner Freundin und Hauptkollaborateurin, der römischen Grafikdesignerin Maila Navarra, die zur Zeit der Gründung des Magazins zehn Jahre alt war, vor Ort.

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Die erste Titelseite von Frigidaire, entworfen von Stefano Tamburini.

Als ich diesen Herbst nach einer Fahrt durch die umbrische Landschaft in Frigolandia ankam, war es bereits dunkel. Ein großes Eisentor mit dem Schriftzug „Frigolandia" hieß mich willkommen. Sparagna schlief schon, doch Navarra arbeitete noch am Layout einer Ausgabe von Il Nuovo Male, ein weiteres Satiremagazin, das sie und Sparagna produzieren. Sie hieß mich willkommen und zeigte mir mein Zimmer, wo ein Stapel Decken mir Schutz vor der Kälte bot.

Als ich aufwachte, erkundete ich den Kiefernwald, der Frigolandia umgibt. Ich bewunderte das Naturtheater von Oklahoma (eine Holzkonstruktion, die der Künstler Luciano Biscarini im Gedenken an Franz Kafka gebaut hat) und die malerische Casa Rosada mit ihrem riesigen Kamin. Auf einem Spielplatz begegnete ich Sparagna, der gerade vier weiße Hunde fütterte. Dickes weißes Haar quoll unter seiner schwarzen Mütze hervor. Er bat mich in sein Studio.

Achille Bonito Oliva, der hier nackt posiert, ist einer der berühmtesten Kunstkritiker Italiens.

In dem großen Raum gab es zwei Fenster, zwei große Bücherregale und einen Schreibtisch, der auf einem riesigen Kastanienstamm ruhte. Während wir redeten, schenkte Sparagna sich ein Glas Wasser ein. „Ich war überzeugt, dass es kein Magazin gab, das zu einer phänomenologischen Analyse der Welt fähig war, das sich von der Welt der Ideologien distanzieren konnte", sagte er. „Auch heute noch sagt man uns selten, was wirklich vor sich geht. Es ist leichter, sich hinter Ideologien zu verstecken. Damals gab es sehr starke Verzerrung. Wir haben versucht, in Echtzeit zu erzählen, aus einer subjektiven Perspektive, frei von vorgefertigten Käfigen."

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Die Vorbereitungen für die erste Ausgabe dauerten etwa ein Jahr. Sie entstand aus dem Zusammentreffen von Sparagna, der bei Il Male arbeitete, einer der wichtigsten Satirezeitschriften Italiens, und dem Grafiker Stefano Tamburini. „Es fing damit an, dass Stefano Tamburini und ich eine übereinstimmende Idee hatten, nachdem Cannibale [Tamburinis Comiczeitschrift, die von Il Male veröffentlicht wurde] geschlossen wurde. Cannibale hatte noch immer einzigartige Comics und Tamburini wollte weitermachen. Da ich vielleicht der Erste war, der die revolutionäre Bedeutung dieser Comics sah, schwebte mir ein neues Magazin vor. Il Male hatte Raum für die satirische Sprache geschaffen, doch viele andere Formen der Erzählung waren noch unerforscht." Die zwei brachten Filippo Scòzzari an Bord, einen Illustrator und eine Schlüsselfigur des Untergrunds der 1970er, und entwickelten die Idee zu Frigidaire. „Es war von Anfang an eine Marke", sagte er.

Der Eingang zu Frigolandia

Die Wände von Sparagnas Arbeitszimmer sind voller Skizzen, Holzschnitten und riesiger Fotos aus der Geschichte des Magazins, wie etwa das Foto, auf dem Kunstkritiker Achille Bonito Olica nackt auf einem Sofa posiert, das 2011 das Titelblatt zierte. War dies ein Beispiel für die Arte Maivista, „noch nie gesehene Kunst", die das Magazin berühmt gemacht hatte? „Mit dem Begriff wollten wir spöttisch unsere Vorstellung von Kunst formulieren, denn sie ist immer ‚noch nie gesehen', weil sie sich bei jedem Anblick erneuert", erklärte er. „Es gibt Werke, die schon tausendmal betrachtet wurden, wie etwa die von Leonardo und Michelangelo. Doch bei jedem Betrachten fühlst du neue Emotionen, sie haben jedes Mal etwas ‚Ungesehenes'. Die Bezeichnung war ursprünglich für die noch nie veröffentlichten Tintenzeichnungen gedacht, die ich seit meiner Jugend anfertigte. Es waren weder Comics noch Illustrationen; wir wussten einfach nicht, wie wir dazu sagen sollten. Dann sagte [Frigidaire-Karikaturist Andrea] Pazienza: „Diese Kunst existiert, doch bisher hat sie niemand gesehen. Arte Maivista!"

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Wie viele künstlerische Bewegungen hat auch Arte Maivista ihr eigenes Manifest. „Erst war es ein Witz, doch schnell definierten wir die Kunst von Frigidaire als die Kunst, der Kunst zuzuhören. Wir hatten sehr unterschiedliche Stilrichtungen und Künstler. Diese Kollaborationen sind das Ergebnis unserer Fähigkeit zuzuhören, was bedeutet, Kunst nach ihrer Geburt zu entdecken, bevor sie in einem Museum oder in den Medien landet und bekannt wird."

Arte Maivista ist Kunst, die in der Düsternis der Slums lebt, aus der ab und an außergewöhnliche Lichtstrahlen hervorleuchten. Dennoch wurde die Kunst des Kollektivs zu einem Teil des kulturellen Bewußtseins. Selbst heute noch lassen sich junge Leute RanXerox tätowieren, einen von Tamburinis Comic-Antihelden, der ursprünglich in Frigidaire erschien.

Frigidaire war auch was das Grafikdesign angeht zukunftsweisend. Die Hauptelemente haben sich dabei seit der ersten Ausgabe nicht verändert. „Ich denke, [das Grafikdesign] spiegelt unsere Persönlichkeit wider, und es hat uns einzigartig gemacht. Das Design von Frigidaire, damals von Tamburini gelayoutet und von mir editiert, heute mit der künstlerischen Unterstützung von Maila Navarra, ist vom Bauhaus inspiriert und vereint Lesbarkeit mit Eleganz", sagte Sparagna. „Es ist überraschend, doch es verfällt nie in überfrachtete Exzentrizität. Das Design erlaubt uns, mit Klarheit und Brillanz eine Parallele zwischen den verschiedenen Bereichen menschlichen Wissens zu ziehen, von Wissenschaft bis Literatur, von Nachrichten bis Politik."

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„Wenn du unabhängig bist, kannst du es dir leisten, sarkastisch, ironisch und vor allem ehrlich gegenüber allen zu sein. Wenn niemand dich aus Bequemlichkeit oder erzwungener Toleranz respektiert, kannst du es dir leisten, niemanden zu respektieren. Ein Satiriker kann nur am Rande der Gesellschaft ein Genie sein."

Eine Sammlung von RanXerox-Comics, die in Frigidaire veröffentlicht wurden

Ich fragte Sparagna, wie sich die Satire in den letzten Jahrzehnten geändert habe. „Die Satire, die vor 40 Jahren im Zuge der 77er-Bewegung entstand, war von den Medien unabhängig. Was diese Form der Satire angeht, sind wir die Einzigen, die ihrer Philosophie treu geblieben sind", sagte Sparagna. „Wenn du unabhängig bist, kannst du es dir leisten, sarkastisch, ironisch und vor allem ehrlich gegenüber allen zu sein. Wenn niemand dich aus Bequemlichkeit oder erzwungener Toleranz respektiert, kannst auch du es dir leisten, niemanden zu respektieren. Ein Satiriker kann nur am Rande der Gesellschaft ein Genie sein. Natürlich gibt es auch die offiziellere Satire, die ich ohne Zögern kriecherisch nenne."

Für Sparagna war der Schlüssel zur Satire immer, außerhalb der Welt der Macht und des Einflusses zu stehen. Dazu musste Frigidaire unabhängig bleiben. Einen Freund, der in einer italienischen Zeitung Comics veröffentlichte, verspottete er als Geisel der Presse. „Auf diese Kritik hin sagte er: ‚Niemand zensiert mich'", erklärte Sparagna. „Was er nicht versteht, ist, dass das Problem nicht die Zensur ist. Es ist die Tatsache, dass du zu einem System gehörst. Du bist Teil einer Sache, die von anderen gesteuert wird, und du wirst zum Hofnarren. Du zeichnest deinen Comic, aber es sind andere, die den Dialog bestimmen. Du bist nur die komödiantische Unterbrechung."

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Satire kann sich nicht darauf beschränken, die Leute zum Lachen zu bringen, was schließlich jede Art der Komödie erreichen kann. Wie der italienische Comiczeichner Gipi nach dem Charlie Hebdo-Massaker in einer Talksendung sagte, ist Satire ein beißender literarischer oder künstlerischer Angriff auf die politischen, gesellschaftlichen oder kulturellen Machthaber. Und vor dem haben Il Male, Il Nuovo Male und Frigidaire nicht zurückgeschreckt. Ende der 1970er und Anfang der 80er half Sparagna dabei, mehrere gefälschte Zeitungen zu entwickeln und zu verteilen. Er und seine Kollegen ließen 1979 eine gefälschte Trybuna Ludu auf Polen los und im nächsten Jahr verteilten sie eine falsche Prawda bei den Olympischen Spielen in Moskau. „Uns wurde 1983 klar, dass der Krieg in Afghanistan in Russland Aufruhr verursachte. Wir sprachen mit Wladimir Bukowski und anderen russischen Intellektuellen, die in Paris im Exil lebten und den Bolschewismus bekämpften, weil er den Menschen Freiheit verwehrte, und wir beschlossen, einen falschen Roten Stern [eine Zeitung für Sowjetsoldaten] in Russland zu verteilen", sagte er. Ihr eigentliches Ziel waren aber die 500.000 russischen Soldaten, die damals im Auslandseinsatz in Afghanistan waren. Satire, so dachten sie, könnte den Krieg infrage stellen.

Auf dem Titelblatt stand „Schluss mit Krieg! Geht alle heim!" neben einem Bild eines russischen Soldaten, der eine Kalaschnikow zerbricht. Der litauische Dissident und Journalist Sawik Schuster, der in Afghanistan gewesen war und dort Kontakte hatte, half Sparagna bei der Verteilung der Zeitung. „Natürlich war es ziemlich kompliziert", sagte er. „Wir mussten den KGB auf die falsche Fährte locken, also teilten wir uns in zwei Gruppen auf, von denen eine nach Kabul gelangte, das von der Roten Armee besetzt war."

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Nicht jedes Kapitel in der Geschichte von Frigidaire war komisch: Tamburini starb unerwartet im April 1986. „Das war unser dunkelster Moment, voller Schmerz und Verzweiflung. Das Magazin lebte noch und war voller Comics und Geschichten, doch die Freude der Anfangszeit war verflogen."

Die Ausgabe nach dem Tod des Karikaturisten Andrea Pazienza an einer Heroinüberdosis.

Und so schaffte es Frigidaire, der Sowjetunion eine lange Nase zu machen. „Wir verteilten eine Unmenge Kopien und schafften es unbeschadet nach Hause. Die Aktion ging um die Welt. Außerdem haben russische Zeitungen, darunter der echte Rote Stern, uns vorgeworfen, wir seien von Reagan bezahlt. Doch je mehr wir das abstritten, desto glaubhafter erschien unsere Falschmeldung russischen Lesern, die die Lügen ihres Regimes gewöhnt waren. Also versuchten sie, unserem Slogan ‚Schluss mit Krieg!' ihr eigenes ‚Der Krieg geht weiter!' entgegenzusetzen. Es war tragikomisch."

Die Seiten des Magazins sind voll von derartigen Ereignissen, genau wie Sparagnas Leben. Der Mitgründer beschloss 1984, die vernünftigste Art, die Schulden von Frigidaire zu begleichen, sei, nach Marokko zu reisen und 100 Kilo Haschisch zu kaufen, um es dann in Europa weiterzuverkaufen. „Du musst dich in jemanden hineinversetzen, der keinen Cent hat, aber Millionen braucht", sagte Sparagna. „Das Magazin brauchte Geld. Ich komme aus bescheidenen Verhältnissen, mit vielen Freunden, die im Slum aufgewachsen sind. Dort findet man sich mit dem zurecht, was man hat. Eine Bekannte eines Freunds war mit einem Marokkaner verheiratet, dessen Bruder einen Bauernhof in Ketama hatte. Also konnten wir 100 Kilo Haschisch auf Kommission kaufen. Wir mussten es ‚nur' noch abholen."

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Sparagnas Begleitung, ein Dissident, der auch für Frigidaire schrieb, war Seemann. Er meinte, die beiden könnten mit einem großen motorbetriebenen Gummiboot aus Marokko entkommen, sobald sie die Lieferung hätten. „Wir reisten nach Marbella in Spanien und nach komplizierten Berechnungen zur benötigten Menge Öl setzten wir in der mondlosen Nacht Segel aufs offene Meer", sagte er. „Es dämmerte, als wir die afrikanische Küste erblickten. Jemand antwortete vom Strand auf unsere Lichtsignale und ein kleines Boot kam uns entgegen, um uns das Haschisch zu übergeben." Doch dann wurde ihnen klar, dass sie nicht genug Treibstoff hatten, um nach Spanien zurückzugelangen. Sie waren gezwungen, ihren Ersatz-Außenbordmotor gegen Benzin zu tauschen und sich ohne ihn übers Mittelmeer zu wagen. „Wir trieben den ganzen Tag unter der afrikanischen Sonne und näherten uns gegen Abend schon unserem Ziel. Doch—und daran gebe ich der zweiten Flasche spanischen Weinbrands, die wir uns reinzogen, die Schuld—wir nahmen die falsche Route und steuerten in unserer zweiten Nacht auf See im Stockdunkeln im Kreis." Sparagna sagte, ein Orca und eine Delfinschule hätten das Boot umkreist, doch vielleicht hatte er auch schon zu viel Haschisch genascht. Als sie bei Sonnenuntergang endlich in Marbella ankamen, wartete am Kai ein Polizist auf sie.

Sparagna verteilte seine falsche Ausgabe der sowjetischen Zeitung Roter Stern unter russischen Soldaten in Afghanistan. Die Schlagzeile—„SCHLUSS MIT KRIEG! GEHT ALLE HEIM!"—stiftete erhebliche Verwirrung.

Nicht jedes Kapitel in der Geschichte von Frigidaire war komisch: Tamburini starb unerwartet im April 1986. Die Mitarbeiter des Magazins hatten gedacht, er erhole sich von seiner Heroinsucht, doch in Wirklichkeit hatte er nicht mit dem Konsum aufgehört. Zur selben Zeit verlor das Magazin wichtige Geldgeber. „Wir waren fest entschlossen zu überleben. Doch im Juni 1988 erfuhren wir, dass Pazienza ebenfalls an einer Überdosis gestorben war. Das war unser dunkelster Moment, voller Schmerz und Verzweiflung. Das Magazin lebte noch und war voller Comics und Geschichten, doch die Freude der Anfangszeit war verflogen."

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„Hast du jemals gedacht, du hörst auf?", fragte ich Sparagna gegen Ende unserer Unterhaltung.

„Nicht wirklich", antwortete er. „Wir mussten die Kontinuität unseres Projekts wahren, auch wenn diese Tragödien uns völlig unerwartet trafen. Tamburini und Pazienza waren zehn Jahre jünger als Scòzzari und ich. Die Jüngsten waren gestorben und es war wirklich schwer weiterzumachen." „Doch", fuhr er fort, „die freie Satire erlaubt es dir, die Realität so betrachten, wie sie ist, nicht durch Beweise, sondern durch Annäherung und den eigenen Instinkt. Wir arbeiteten hinter der Maske der Satire und konnten die Wahrheit über so gut wie alles sagen."

Vor dem Fenster von Sparagnos Studio sah ich das mittelalterliche Dorf Giano. Im Garten gab es Kiefern, einen Kakibaum, Kirschbäume, Linden, Eichen und einen Hühnerstall. Ich fragte, wie es dazu kam, dass er und seine Kollegen diese wundervolle Republik der Kunst gründeten.

„Wie jede Erfindung ist Frigolandia das Ergebnis einer Mischung aus Zufall und Notwendigkeit", sagte Sparagna. „Aber der Zufall überwiegt, würde ich sagen." Seit seiner Gründung hat Frigolandia Probleme mit der Lokalregierung. Als der italienische Marxist Oreste Scalzone 2007 aus Frankreich heimkehrte, nachdem die Verjährungsfrist für die Verbrechen abgelaufen war, die ihm im April 1968 zur Last gelegt worden waren, war Frigolandia der Gastgeber seiner Pressekonferenz. Die Regierung versuchte, Frigolandia räumen zu lassen, doch sie scheiterte. „Anstatt dankbar zu sein, dass Tausende Menschen nach Giano kamen, um das Museum zu besuchen, sind linke und rechte Politiker feindselig", sagte Sparagna. „Sie konzen­trieren sich nur auf spekulative Projekte, zu denen immer unser Verschwinden gehört."

Eine weitere falsche Zeitung vom Frigidaire-Team. La Repubblica ist eine landesweite Zeitung. Damals erschien sie nicht montags, weswegen Sparagna eine „Montags-Ausgabe" herausbrachte.

In der Küche von Frigolandia bereiteten wir das Mittagessen vor. Während Sparagna leckere Pasta mit Tomatensoße kochte, erzählte er mir von seiner Tochter, die bereits mit Martin Scorsese und Ridley Scott gearbeitet hat. Während er in der Soße rührte, sprach er von seinen Neffen und beschrieb Meereslandschaften und die Schönheit ferner Länder.

Ich fragte ihn, was er von der neuen Generation von Künstlern halte. „Jede Generation setzt sich aus vielen verschiedenen sozialen Segmenten zusammen", sagte er. „Andererseits ist die jüngere Generation stark von der kulturellen und idealistischen Zerstörung der letzten 20 Jahre beeinflusst. Das lässt sich leicht an der weitverbreiteten Idee erkennen, dass man seinen persönlichen Talentscout braucht. Doch darauf zu warten ist die einfachste Art, jemanden zu lähmen. Wenn du meinst, dass du etwas kannst … dann tu es! Warte nicht darauf, dass dich jemand entdeckt. Es gibt natürlich viele Ausnahmen, junge Autoren, Karikaturisten und Illustratoren, die mit uns um der Freude der Kommunikation willen und zur Verwirklichung ihrer Träume zusammenarbeiten, allen voran Maila Navarra. Sie kam nach Frigolandia, um mir ihre wunderschönen Zeichnungen zu zeigen, und innerhalb weniger Jahre war sie zur Seele des Magazins und der Republik geworden."

Nachdem ich offizieller Bürger von Frigolandia geworden war, stieg ich mit meinem neuen Pass in der Hand ins Auto. Die Erinnerung an Sparagnas Lächeln beim Abschied versetzte mich in Hochstimmung, auch wenn irgendetwas mir sagte, dass ich diesen Ort nie wieder sehen würde.

Sparagna serviert in seiner Küche Mittagessen.